BaFin: „Keine Gewähr für Risikohinweise bei Prospektprüfung“

Zu Praxiserfahrungen mit dem seit Juni 2012 geltenden neuen Vertriebs- und Prospektrecht, das eine erweiterte Prüfung durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vorsieht, befragte Cash. BaFin-Sprecherin Dominika Kula

Dominika Kula, BaFin

Cash.: Seit 1. Juni 2012 gilt das neue Billigungsverfahren und die Kohärenzprüfung für Vermögensanlagen-Prospekte. Einige Anbieter berichten, das neue Billigungsverfahren dauere sehr viel länger als das frühere Gestattungsverfahren. Handelt es sich dabei um Anlaufschwierigkeiten oder wird das so blieben?

Kula: Die BaFin hat bereits frühzeitig über die gesetzlichen Änderungen des Prospektrechts für Vermögensanlagen informiert. Im Rahmen des Workshops „Novellierung des Vermögensanlagenrechts“ am 16. November 2011 wurde das neue VermAnlG und die modifizierte Vermögensanlagen-Verkaufsprospektverordnung – kurz VermVerkProspV – dem Fachpublikum vorgestellt.

Der Umfang der von der VermVerkProspV vorgeschriebenen Mindestangaben, die zwingend in einem Verkaufsprospekt enthalten sein müssen, hat sich deutlich vergrößert. Die teilweise neuen, teilweise modifizierten Angaben stellen die Anbieter von Vermögensanlagen erkennbar vor neue Herausforderungen. Der Prüfungsumfang für Vermögensanlagen-Verkaufsprospekte wurde auf Kohärenz und Verständlichkeit ausgedehnt. Insbesondere bei sehr langen Verkaufsprospekten mit vielen Wiederholungen besteht die Gefahr von Widersprüchen und Ungenauigkeiten, die im Prüfungsverfahren beanstandet werden. Die Anbieter können schon bei Erstellung des Verkaufsprospekts die Verständlichkeit für den Anleger durch gezielte Kürzungen erhöhen und das Verfahren insgesamt deutlich beschleunigen. Ein Lektorat kann viele redaktionelle Ungenauigkeiten im Vorfeld bereits ausräumen.

Im Prüfungsverfahren sind die Fristen, die für die BaFin gelten, gesetzlich festgelegt – in Paragraf 8 Absatz 3 VermAnlG. Die Dauer des Prüfungsverfahrens wird maßgeblich dadurch bestimmt, wie schnell der Anbieter die Beanstandungen im Verkaufsprospekt beseitigt. Eine deutliche und vollständige Markierung der vorgenommenen Änderungen beschleunigt die Prüfung, die Verfahrensdauer ist individuell sehr unterschiedlich. Es lässt sich teilweise beobachten, dass Anbieter nach erfolgter Billigung bei der Folgeeinreichung neuer Prospekte deutlich schneller eine Billigung erhalten.

Cash.: Hat die BaFin bereits Prospekte als nicht-kohärent abgelehnt? Wenn ja: Wie viele und mit welchen Begründungen?

Kula: Seit Inkrafttreten des VermAnlG am 1. Juni 2012 hat die BaFin in keinem Prospektprüfungsverfahren die Billigung eines Vermögensanlagen-Verkaufsprospekts versagt. Der Anbieter erhält im Rahmen einer detaillierten Anhörung die Gelegenheit, konkrete Fehler zu beheben. Die Prüfungsfrist des Paragraf 8 Absatz 3 VermAnlG beginnt erst wieder zu laufen, wenn der Anbieter einen so genannten Austauschprospekt einreicht. Auch umfangreichere Beanstandungen können so im Prospektprüfungsverfahren beseitigt werden. Des Weiteren besteht bei gravierenden Mängeln die Möglichkeit, den Antrag auf Billigung zurückzunehmen und den Verkaufsprospekt komplett zu überarbeiten.

Cash.: Inwieweit überprüft die BaFin die inhaltliche Vollständigkeit der Risikohinweise in den Prospekten? Können Anleger und Vermittler sich darauf verlassen, dass die Risikohinweise in den gebilligten Prospekten vollständig sind?

Kula: Die BaFin prüft den Verkaufsprospekt auf Grundlage des Paragrafen 8 Absatz 1 VermAnlG. Voraussetzung für die Billigung des Verkaufsprospekts ist die Prüfung seiner Vollständigkeit einschließlich einer Prüfung der Kohärenz und Verständlichkeit seines Inhalts. Der erforderliche Inhalt des Verkaufsprospekts ist in Paragraf 7 VermAnlG und der auf dieser Grundlage erlassenen Verordnung, der VermVerkProspV, abschließend geregelt. Vollständigkeit bedeutet, dass der Verkaufsprospekt die Angaben enthält, die nach Paragraf 7 Absatz 1 und 2 VermAnlG, auch in Verbindung mit der nach Paragraf 7 Absatz 3 VermAnlG zu erlassenden Verordnung, erforderlich sind, sprich die Mindestangaben.

Der Paragraf 2 Absatz 2 Satz 4 VermVerkProspV fordert die Darstellung aller „wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Risiken“ im Verkaufsprospekt. Der Anbieter muss entscheiden, welche die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Risiken der Anlage sind und dies entsprechend im Prospekt niederlegen. Zudem versichert der Anbieter abschließend, dass darüber hinaus keine weiteren wesentlichen rechtlichen und tatsächlichen Risiken bestehen. Ob dies auch der Fall ist, stellt eine inhaltliche Prüfung dar, die durch die BaFin nicht erfolgt. Die BaFin prüft die Art und Weise der Risikodarstellung, zum Beispiel ob die Risiken ohne Berücksichtigung risikominimierender Maßnahmen beschrieben werden. Die Billigung des Verkaufsprospekts bietet somit keine Gewähr dafür, dass der Anbieter alle Risiken im Verkaufsprospekt aufgenommen hat.

Cash.: Gibt es bereits eine Einschätzung der BaFin hinsichtlich der Qualität der Vermögensanlageninformationsblätter, die seit 1. Juni 2012 für geschlossene Fonds vorgeschrieben sind? In welchen Punkten müssen die Anbieter noch nachbessern?

Kula:  Seit dem 1. Juni 2012 ist der Anbieter einer Vermögensanlage vor Beginn des öffentlichen Angebots von Vermögensanlagen neben der Veröffentlichung und Hinterlegung eines Verkaufsprospekts bei der BaFin auch zur Erstellung eines Vermögensanlangen-Informationsblattes – kurz VIB – und der Hinterlegung dessen bei der BaFin verpflichtet – sieht die Paragrafen 13 Absatz 1 und 14 Absatz 1 VermAnlG.

Eine inhaltliche Prüfung des VIB durch die BaFin bereits bei Hinterlegung hat der Gesetzgeber bewusst nicht in Betracht gezogen. Die Gesetzesbegründung stellt ausdrücklich klar, dass das Vermögensanlagen-Informationsblatt im Rahmen der Prospektprüfung keiner Prüfung und keinem Billigungsverfahren gemäß VermAnlG unterliegt –  siehe BR-Drs. 209/11, S. 53.

Werden VIB im Rahmen der Anlageberatung eingesetzt, sind sie Teil des Beratungsprozesses und damit Teil der jährlichen Prüfung nach dem Wertpapierhandelsgesetz durch Wirtschaftsprüfer. Im Rahmen von Einzelfalluntersuchungen analysiert die BaFin zusätzlich ausgewählte VIBs. Für eine Aussage zur Qualität der VIBs liegt noch keine ausreichend große Stichprobe vor.

Cash.: Inwieweit überprüft die BaFin auch die weiteren (Werbe-)Unterlagen, die von den Anbietern und Vermittlern über den Prospekt hinaus verwendet werden, auf Konformität mit dem WpHG? Wird die BaFin gegebenenfalls von sich aus tätig oder nur nach entsprechenden Hinweisen beziehungsweise Beschwerden?

Kula: Alle Informationen, die Wertpapierdienstleistungsunternehmen Kunden zugänglich machen, müssen redlich, eindeutig und nicht irreführend sein – siehe Paragraf 31 Absatz 2 WpHG. Die Prüfung von Kunden zur Verfügung gestellten Unterlagen ist Teil der jährlichen Prüfung nach dem WpHG. Im Rahmen von Einzelfalluntersuchungen – zum Beispiel Internet-Recherchen – analysiert die BaFin zusätzlich (Werbe-)Unterlagen von Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Entsprechend dem gesetzlichen Auftrag der BaFin werden (Werbe-)Unterlagen von Unternehmen, die nicht als Wertpapierdienstleistungsunternehmen zugelassen sind, nicht geprüft.

Cash.: Inwieweit tauscht sich die BaFin mit den Gewerbeämtern beziehungsweise der Gewerbeaufsicht hinsichtlich der Beaufsichtigung des „freien“ Vertriebs ab 1. Januar 2013 aus?

Kula: Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hat einen Arbeitskreis ins Leben gerufen, um eine Auslegungshilfe zu den neuen Vorschriften der Gewerbeordnung zu erstellen. Diese soll den Gewerbebehörden, die die Vorschriften anzuwenden haben, zur Verfügung gestellt werden. In dem Arbeitskreis ist die BaFin vertreten. Auf diese Weise wird eine einheitliche Auslegung der neuen Bestimmungen der Gewerbeordnung und von Bestimmungen des Kreditwesengesetzes, soweit diese aufeinander Bezug nehmen, erreicht. Zudem wird das Zusammenwirken von Gewerbebehörden und BaFin bei der Anwendung der neuen Bestimmungen, etwa der Informationsaustausch, geregelt. Die BaFin hat ihre Erfahrungen in der Anwendung ähnlicher Vorschriften in diesen Arbeitskreis eingebracht und beantwortet auch unmittelbar Anfragen von Gewerbebehörden. Schließlich beteiligen sich BaFin-Mitarbeiter an der Schulung des Personals der Gewerbebehörden zu den neuen Vorschriften.

Cash.-Fragen nach dem Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) und der vorgesehenen Praxis der Lizensierung von Alternativen Investmentfonds (AIFs) und Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVG) hat die BaFin mit der Bitte um Verständnis dafür, dass „keine Angaben zur internen Organisation und Arbeitsabläufen der BaFin gemacht werden können“ nicht beantwortet.

Interview: Stefan Löwer, G.U.B./Thomas Eilrich, Cash. 

Foto: BaFin

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