Baufinanzierung: Droht den Bauzinsen der nächste Schub?

Verkehrschild mit Prozentzeichen, das nach oben weist und dem Wort Zinsen darunter, vor einem Haud im Rohbau.
Foto: PantherMedia/Pictograph
Stehen die Bauzinsen vor dem nächsten Aufwärtstrend?

Die Bauzinsen verhielten sich im März vergleichsweise ruhig. Die Ruhe vor dem Sturm? Warum es bald wieder nach oben gehen könnte

Mit den Bankenturbulenzen nehmen die Unsicherheiten für die Europäische Zentralbank (EZB) und auf den Finanzmärkten zu – die Prognosen für die Leitzinsentwicklung sind derzeit nach unten korrigiert. Die Zinsen für Baufinanzierungen spiegeln dies momentan mit einer Seitwärtsbewegung wider, die allerdings nur von kurzer Dauer sein könnte. Michael Neumann, Vorstand des Kreditvermittlers Dr. Klein, rechnet mit einem leichten Aufwärtsdruck und starken Schwankungen in den nächsten Monaten.

Der März war extrem unruhig: Nachdem die Zinsen für Baufinanzierungen innerhalb weniger Wochen zügig gestiegen waren, fielen sie im Zuge der Bankenkrise mit ähnlicher Geschwindigkeit wieder. In der zweiten Märzhälfte gingen sie um rund 0,3 Prozentpunkte zurück. Die Anspannungen im Bankensektor haben zuletzt nachgelassen und auch bei den Baufinanzierungszinsen ist es in den letzten Wochen wieder ruhiger geworden. Dr. Klein weist für eine 10-jährige Baufinanzierung aktuell einen repräsentativen Bestzins von 3,42 Prozent aus (Stand: 19.04.2023) – deutlich unter der 4-Prozent-Marke. „Die extreme Nervosität aufgrund der Bankenkrise hat für starke Zinsbewegungen gesorgt. Derzeit sehen wir eine Art „Ruhe nach dem Sturm“ – die sich aber vermutlich nicht allzu lange halten wird“, kommentiert Dr.-Klein-Vorstand Michael Neumann. 

Bankenturbulenzen: Auswirkungen auf Zinsentscheide  

Aktuell erwarten die Märkte drei kleinere Schritte bei den Leitzinsen von jeweils 0,25 Prozentpunkten, bis der Höchststand im Herbst erreicht sein wird. „Die Zinsprognose wurde in Folge der Turbulenzen im Bankensektor nach unten korrigiert: Die Märkte hoffen zurzeit, dass die Notenbanken die Zinsen nicht mehr allzu stark erhöhen können, um das Finanzsystem nicht weiter zu belasten“, so Neumann. Denn jeder weitere Zinsschritt bedeutet für Kreditinstitute nicht nur Gewinnchancen, sondern auch ein steigendes Risiko durch sinkende Nachfrage und Zahlungsausfälle. Zusätzlich nimmt die Wahrscheinlichkeit einer Rezession wieder leicht zu, was ebenfalls für niedrigere Zinsen spricht. Wenn im nächsten halben Jahr alles auf dieses Szenario weisen sollte, würde das Michael Neumann zufolge nur noch ein geringes Aufwärtspotenzial für die Bauzinsen bedeuten.

Bauzinsen: Aufwärtspotenzial und Schwankungen 

Dass der Markt Sicherheit gewinnt, bezweifelt Neumann allerdings: „Die Inflationsbekämpfung stellt die EZB immer noch vor große Herausforderungen, bei deren Bewältigung sie um Glaubwürdigkeit kämpfen muss. Die Kerninflation steigt und es wird immer deutlicher, dass sich die Teuerung nicht so schnell verflüchtigt wie angenommen – und wie bislang vom Markt eingepreist. Eine Vorhersage, wann der Scheitelpunkt bei den Zinsen erreicht ist, ist aktuell pure Spekulation.“ Der Experte von Dr. Klein sieht daher immer noch Aufwärtspotenzial für die Baufinanzierungszinsen und erwartet eine hohe Volatilität für die nächsten Monate: „Die Lage ist extrem fragil und der Markt unterliegt enormen Schwankungen. Er reagiert hochgradig nervös. Und je nachdem, auf welches Szenario – deutliche Zinsschritte oder Verlangsamung des Tempos – neue Daten gerade einzahlen, gibt es merkliche Ausschläge. Die Möglichkeit, dass die Bauzinsen temporär auch wieder deutlich über 4 Prozent steigen, ist durchaus gegeben.“  

Anschlussfinanzierungen: drohen Kreditausfälle? 

Nicht nur für Immobilienkäufer ist der extreme Zinsanstieg im letzten Jahr relevant, sondern auch für Eigentümer, bei denen in Kürze eine Anschlussfinanzierung ansteht. Dass sich das höhere Zinsniveau in diesem Fall generell zu einem echten Problem entwickelt, kann Michael Neumann von Dr. Klein nicht feststellen: Zum einen haben extrem viele Darlehensnehmer Anfang letzten Jahres ihre Anschlussfinanzierung vorgezogen – deren Anteil war damals rund doppelt so hoch wie zurzeit. Zum anderen wurde vor 10 oder 12 Jahren zu einem ähnlichen Zins finanziert und in der Regel mit anfänglich 2 oder 2,5 Prozent getilgt. Zudem haben Banken mit 6 bis 7 Prozent fiktiver Annuität gerechnet um sicherzustellen, dass das Darlehen langfristig auch mit einem höheren Zins tragbar ist. 

„Wenn es in Einzelfällen zu Zahlungsschwierigkeiten kommt und die Immobilie verkauft werden muss, liegt das eher nicht an der Zinsentwicklung oder Inflation“, meint Michael Neumann von Dr. Klein. Um dieses Szenario zu vermeiden, empfiehlt er eine individuelle Beratung und den Vergleich möglichst vieler Angebote – analog zur Erstfinanzierung. Und frühzeitiges Kümmern: „Schon drei oder vier Jahre vor Ablauf der aktuellen Zinsfestschreibung sollten sich Eigentümer mit dem Thema Anschlussfinanzierung befassen und sich mit Spezialisten zusammensetzen. Dann können sie hierfür den besten Zeitpunkt abpassen und die optimale Lösung am Markt finden.“

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