Herr Dr. Fischer, welchen Stellenwert für die betriebliche Altersvorsorge (bAV) hat aus Ihrer Sicht der geplante Gesetzentwurf zur Betriebsrentenstärkung (BRSG II)?
Fischer: Der geplante Gesetzentwurf stellt einen lange erwarteten und wichtigen Schritt zur Förderung der bAV in Deutschland dar. Besonders positiv hervorzuheben ist der Ausbau der Geringverdienerförderung sowie deren Kopplung an die jährliche Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung. Auch die Möglichkeit für Unternehmen, Mitarbeitende mittels eines Opting-Out-Verfahrens automatisch in die bAV einzubeziehen, ist ein sinnvoller Fortschritt.
Nun hört man aus der Branche aber oft auch kritische Stimmen. Wo sehen Sie Mängel im BRSG II?
Fischer: Die Beschränkung des Opting-Out-Verfahrens auf Unternehmen ohne Tarifvertrag greift zu kurz. Hier wird großes Potenzial verschenkt, denn häufig liegt das Problem nicht im Angebot der bAV, sondern in der tatsächlichen Nutzung durch die Belegschaft. Das Opting-Out-Verfahren senkt die Hemmschwelle für Mitarbeitende, sich mit der bAV auseinanderzusetzen – und beseitigt damit eine wesentliche Hürde.
Wird es durch das BRSG II möglich werden, das Vorsorgeniveau deutlich anzuheben?
Fischer: Insgesamt bleibt das Gesetzesvorhaben BRSG II hinter den Erwartungen zurück, um das Vorsorgeniveau in der Bevölkerung auf das nötige Maß zu heben. Neben einem mutigeren Umgang mit Opting-Out und der Geringverdienerförderung wären weiterreichende Reformen bei den Abfindungsmöglichkeiten sowie beim Sozialpartnermodell wünschenswert gewesen.
Laut Experten darf auch bei der bAV für eine gute Rendite die volle Beitragsgarantie nicht beibehalten werden. Wie sehen Sie das?
Fischer: Bei der Mitarbeiterbindung und im Wettbewerb um Fachkräfte gewinnt eine attraktive bAV zunehmend an Bedeutung. Besonders jüngere Mitarbeitende zeigen heute eine größere Affinität zu chancenreicheren Investments und interessieren sich verstärkt für fondsgebundene Altersvorsorgelösungen. Die Produktanbieter offerieren bereits eine breite Palette attraktiver Fondslösungen mit reduzierten Beitragsgarantien. Hier wäre es wünschenswert, wenn der Gesetzgeber mit einer rechtlichen Klarstellung Unsicherheiten bei den Arbeitgebern abbauen würde.
Eine weitere Forderung ist, die Rentenbezugsphase flexibler zu gestalten.
Fischer: Flexible Auszahlungsoptionen werden zwar diskutiert, doch noch ist unklar, wie diese konkret ausgestaltet werden. Eine zu hohe Kapitalauszahlung zu Beginn könnte dazu führen, dass lebenslange Rentenzahlungen zunehmend verdrängt werden. Dadurch bestünde die Gefahr, dass Menschen trotz einer bAV im Alter nicht mehr ausreichend abgesichert sind. Eine Flexibilisierung darf nicht zulasten der Solidarität gehen. Wir benötigen klare Vorgaben, damit die Produkte kalkulierbar bleiben. Mehr Wahlfreiheit ist grundsätzlich positiv, doch eine lebenslange Zusatzrente sollte weiterhin der Kern der bAV sein.
Trotz des Fachkräftemangels und der demografischen Aussichten ist gerade bei KMU die bAV-Durchdringung gering. Sehen Sie als Produktgeber Möglichkeiten, diese attraktiver zu gestalten?
Fischer: Auch wenn in den letzten Jahren viel in digitale Antrags- und Verwaltungsprozesse investiert wurde, bleibt die Versicherungsbranche weiterhin hinter den Erwartungen zurück. Mitarbeitende möchten beispielsweise ihre bAV-Entwicklung über eine App verfolgen und Anpassungen vollständig digital sowie in Echtzeit vornehmen können. Einfache, standardisierte Lösungen ohne viel Bürokratie sind dabei der Schlüssel zum Erfolg.
Was könnte der Gesetzgeber hier noch tun?
Fischer: Auch der Gesetzgeber könnte die Verbreitung moderner Modelle – etwa ohne Tarifbindung oder durch eine umfassende Einführung des Opting-Out-Verfahrens – stärker unterstützen.
Die Fragen stellte Silvia Fischer, Finanz-und Versicherungsjournalistin und Cash. Autorin















