Besteuerung von Schadensersatzzahlungen: BFH setzt deutlich anlegerfreundliche Akzente

Bundesfinanzhof
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Der Bundesfinanzhof weicht in seinem Urteil weit von der gängigen Finanzrechtsprechung ab.

Die Frage der Steuerfolgen von Schadensersatzleistungen aufgrund von Prospekt- und Vertriebshaftung war jahrelang durch die Zivilgerichte geprägt, die sehr pauschal von einer vollen Besteuerung zu Lasten der Anleger ausgingen. Der Bundesfinanzhof hat nun in einem aktuellen Urteil deutlich die abweichende Auffassung der Finanzrechtsprechung betont und sich dabei auch klar von den Zivilgerichten abgesetzt.

Bei der Rückabwicklung von Publikumspersonengesellschaften (geschlossene Fonds bzw. geschlossene AIF) schien in den letzten Jahren im Hinblick auf die Berücksichtigung von Steuerwirkungen – beinahe – alles klar, jedenfalls nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte. Wenn in Haftungsklagen wegen Prospekt- oder Aufklärungsmängeln der sog. große Schadensersatz gefordert wurde, d. h. Rückabwicklung der Anlage gegen Erstattung aller aufgewendeten Kosten für den Erwerb und den laufenden Betrieb, wurde die Frage sogenannte Steuervorteile von den Zivilgerichten kaum noch als relevant akzeptiert. Um nicht im Rahmen der Prüfung der Schadensersatzansprüche in eine allzu detaillierte steuerliche Betrachtung einsteigen zu müssen, wurde zwar die Anrechenbarkeit etwaiger „Steuervorteile“ für den Anleger (aufgrund ggf. auch steuerlich geltend gemachter Aufwände während der Zeit der Innehabung der Kapitalanlage bis zur Rückabwicklung) formal bejaht, de facto aber ganz überwiegend bei Seite geschoben. Steuervorteile würden bei überschlägiger Betrachtung ihrerseits durch die Steuerbarkeit der Schadensersatzleistung wieder neutralisiert, sodass im Ergebnis hier kein anrechenbarer Vorteil für den geschädigten Anleger verbliebe. Nur in seltenen Ausnahmefällen, in denen trotzdem dem betreffenden Anleger außergewöhnlich hohe Steuervorteile verbleiben würden, käme eine Berücksichtigung in Betracht.

Da solche Fälle aber zunehmend zu „Exoten“ aus der Sicht der Zivilgerichte wurden, musste der regelmäßige Einwand der anspruchsverpflichteten Produktgeber, Vertriebe oder sonstigen Haftungsgegner nicht mehr näher geprüft werden, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung der Anleger bei voller Rückzahlung aller aufgewendeten Beträge wirtschaftlich insgesamt besser stünde, als wenn er die betreffende Anlage nie erworben hätte. Die Begründungen der Zivilgerichte waren und sind hierfür teilweise zumindest „grenzwertig“. Gerade bei individuellen oder kollektiven Immobilienanlagen, bei denen grundsätzlich die Vermögensebene nicht steuerbar ist und von der steuerbehafteten Ebene der laufenden Einkünfte zu trennen ist und immerhin allgemein geklärt ist, dass eine schadensersatzliche Rückabwicklung keine steuerliche „Veräußerung“ – auch im Sinne der 10-Jahres-Frist – darstellt, wurden teilweise recht gewundene Begründungen herangezogen. Die bisher geltend gemachte AfA sei im Falle des Schadensersatzes nachträglich wieder aufzulösen, der Ersatz für laufende Aufwendungen stelle sogenannte „negative Werbungskosten“ dar etc.

Aus der Sicht der geschädigten Anleger stellt sich diese zivilrechtliche Sichtweise zunächst regelmäßig als positiv dar. Sie führt dazu, dass auch bisher steuerlich realisierte Vorteile durch geltend gemachte Verluste und gegebenenfalls die Verrechnung mit anderen Einkünften nicht schadensmindernd berücksichtigt wurde. Auch die Finanzämter sind in den nachgelagerten Besteuerungsverfahren nach erfolgreicher Rückabwicklung oft und gerne „auf diesen Zug aufgesprungen“, da hierdurch entsprechende Besteuerungstatbestände begründet werden konnten; dies allerdings dann zu Lasten der (erfolgreichen) Anleger.

Die Rechtsprechung der Finanzgerichte war hingegen stets zumindest zurückhaltender und hat – unter Bezug auf die jeweiligen Besonderheiten der verschiedenen in Betracht kommenden steuerlichen Einkunftsarten – sehr genau differenziert. Jedenfalls bei Immobilienanlagen ist diese „kritische Zurückhaltung“ der Finanzrechtsprechung jetzt einem deutlichen Statement gewichen, welches der Bundesfinanzhof in einem aktuellen Urteil vom 19.07.2022 (IX R 18/20) mit deutlichen Worten der Rechtsprechung der Zivilgerichte entgegenstellt. Der Fall war allerdings etwas besonders, wurde jedoch offensichtlich vom obersten deutschen Finanzgericht gerne aufgegriffen, um hier einmal Klarheit zu schaffen. Der dortige Kläger hatte sich an einem geschlossenen Immobilienfonds beteiligt und unterfiel insoweit der Kategorie der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG). Er hatte zivilrechtlich zunächst Klage auf Rückabwicklung gegen verschiedene, bei der Anlage seinerzeit Beteiligte, aufgrund von Prospekt- und Aufklärungsmängeln mit dem Ziel der Rückabwicklung seiner Beteiligung erhoben. Darauf wurde nach umfangreichen Rechtstreiten nichts, sodass er auf erheblichen Kosten für die Verfahren und deren anwaltliche Begleitung sitzen blieb. Er wollte diese nun steuerlich geltend machen mit der Begründung, dass diese ja – wenn auch erfolglos – zur Erlangung der Schadensersatzleistungen aufgewendet worden wären, die – hätte er tatsächlich Erfolg gehabt – ihrerseits wieder zu steuerpflichtigen Schadensersatzleistungen geführt hätten. Solche Aufwendungen zur Erzielung von Einkünften, auch wenn sie letztlich fehlgeschlagen wären, seien aber wiederum steuerlich abziehbar. Dieser Zusammenhang ist steuerlich grundsätzlich richtig, sodass sich für den Bundesfinanzhof die Frage stellte, ob denn die Schadensersatzleistungen tatsächlich zu steuerpflichtigen Einkünften geführt hätten.

Das oberste deutsche Finanzgericht holt hier sehr weit aus; man hat fast den Eindruck, als ob es auf einen entsprechenden Fall zur Klarstellung nur gewartet hätte. Die mit den ursprünglichen Zivilklagen begehrte Rückzahlung der Einlage (einschließlich Agio) beträfe bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ohnehin nur die private Vermögensphäre und sei damit per se nicht steuerbar. Die Rückabwicklung im Wege des Schadensersatzes sei auch anerkanntermaßen kein Veräußerungsvorgang im steuerlichen Sinne. Auch hätte die Rückzahlung nicht zum Ersatz von Werbungskosten, welche (anteilig für den Anleger auf der Ebene der Fondsgesellschaft selbst) aufgewandt worden wären, geführt. Selbst wenn auf der Ebene der Fondsgesellschaft (anteilige) Werbungskosten für den Anleger entstanden wären, würden diese dort durch die begehrte Schadensersatzleistung gerade nicht ersetzt. Auch käme es zu keiner Rückgewähr für die dort geltend gemachte normale oder erhöhte AfA. Schließlich sei auch der vielfach gebrauchte Begriff der sogenannten „negativen Werbungskosten“ bei entsprechenden Schadensersatzleistungen schon per se fraglich; jedenfalls käme er dann nicht in Betracht, wenn diese von einem Dritten und nicht dem ursprünglichen Empfänger dieser jeweiligen Werbungskosten „zurückerstattet“ würden. Damit war das betreffende Urteil in diesem Einzelfall zwar für den klagenden Anleger negativ, weil er seine hierfür vergeblich aufgewandten Rechtsverfolgungskosten nicht steuerlich absetzen konnte. Für die tatsächlich zum Schadensersatz führenden Fälle ist aber damit bei kollektiven wie individuellen Immobilienanlagen sehr deutlich akzentuiert worden, dass es einen „Automatismus“ der Besteuerung dieser Schadensersatzleistungen selbst dann nicht gibt, wenn vorher steuerwirksame Aufwendungen im Sinne sogenannte „Steuervorteile“ vom betroffenen Anleger geltend gemacht werden konnten.
Der Bundesfinanzhof spricht dabei auch mit sehr klaren Worten die tendenziell andere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Zivilgerichte an; die hier zwischen den Zeilen zu lesende Kritik ist deutlich. Er betont, dass der Bundesgerichtshof selbst die steuerliche Rechtslage als ausdrücklich unklar darstelle und offensichtlich bewusst dem Schädiger das Risiko zuweisen wolle. Da damit aber keine definitive Aussage zur Steuerbarkeit durch die Zivilgerichte vorliege, bräuchte auch keine gemeinsame Entscheidung der obersten Gerichtshöfe des Bundes zur Einheitlichkeit der Rechtsprechung herbeigeführt werden, welche bei eindeutig divergierenden Urteilen sonst erforderlich ist. Mit anderen Worten: Der Bundesfinanzhof macht seine „Oberhoheit“ in diesen steuerlichen Fragen deutlich.

In der Praxis kann dies für geschädigte Anleger zu einem „Doppelvorteil“ führen. Zivilrechtlich werden steuerliche Vorteile unter Verweis auf die Steuerpflicht der Schadensersatzleistungen nicht weiter berücksichtigt. Kommt es dann zur Besteuerung solcher Schadensersatzleistungen, können sie unter Berufung auf diese aktuelle Rechtsprechung ggf. trotzdem erreichen, dass eine Besteuerung anschließend ganz oder teilweise unterbleibt. Die als Schädiger in Anspruch genommenen Produktgeber, Vertriebe und sonstige Beteiligte werden diese Entwicklung sicher kritischer sehen.
Der hier im Einzelfall oft ernst zu nehmende Einwand der Anrechenbarkeit steuerlicher Effekte wird ihnen zivilrechtlich bis auf Weiteres aufgrund der bestehenden Rechtsprechung verwehrt bleiben, obwohl gerade bei Immobilienanlagen der angebliche „negative steuerlicher Kompensationseffekt“ für den Anleger aufgrund der Schadensersatzleistung tatsächlich immer fragwürdiger wird. Gegebenenfalls. wird durch diese Entwicklung auch wieder Bewegung in die Rechtsprechung der Zivilgerichte kommen (müssen).

Autor Professor Dr. Thomas Zacher ist Partner der Kanzlei Zacher & Partner Rechtsanwälte in Köln und Professor an der FHDW Bergisch Gladbach.

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