DAK-Chef zur Pflegeversicherungskrise: „Die Probleme dulden keinen Aufschub“

Andreas Storm
Foto: DAK/Läufer
DAK-Chef Andreas Storm: "Die Strukturreform ist eine Frage der Zukunftsfähigkeit."

Die gesetztliche Pflegeversicherung steht finanziell mit dem Rücken zur Wand, die Wirtschaftsweise Monika Grimm forderte gerade erst mehr Eigenbeteiligung von Pflegebedürftigen. Nun präsentiert die DAK als große gesetztliche Krankenkasse einen Zwei-Stufenplan zur Bewältigung der Krise.

Angesichts wachsender Finanzierungslücken in der sozialen Pflegeversicherung schlägt die DAK-Gesundheit Alarm und präsenstiert einen Zwei-Stufen-Plan zur Stabilisierung des Systems vor. Nach aktuellen Berechnungen der Pflegekasse wird das Defizit in diesem Jahr 1,65 Milliarden Euro betragen – und sich bis 2026 auf voraussichtlich 3,5 Milliarden Euro mehr als verdoppeln. DAK-Vorstandschef Andreas Storm warnt: „Die Probleme dulden keinen Aufschub. Die finanzielle Stabilisierung der Pflegeversicherung muss bereits mit der Aufstellung des Bundeshaushaltes im Juni angegangen werden.“

0,2 Prozentpunkte reichen nicht

Die Beitragssatzerhöhung zu Jahresbeginn um 0,2 Prozentpunkte reiche laut Storm nicht aus, um die wachsenden Ausgaben zu decken. Grund dafür sei neben der demografischen Entwicklung insbesondere die unzureichende Bereitstellung von Reformmitteln auf der Ausgabenseite.


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Um kurzfristig gegenzusteuern, fordert die DAK-Gesundheit die Rückzahlung von 5,2 Milliarden Euro an Coronahilfen, die die Pflegekassen in den Jahren der Pandemie aus ihren Rücklagen getragen hatten. Die Rückerstattung solle in zwei Raten erfolgen: zunächst 2,6 Milliarden Euro noch in diesem Jahr, um eine unterjährige Beitragserhöhung zu vermeiden, und weitere 2,6 Milliarden im Jahr 2026.

Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige

Darüber hinaus plädiert Storm dafür, die Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige künftig aus Steuermitteln zu finanzieren. Ohne diese Maßnahmen sei spätestens zum Jahreswechsel 2026 eine erneute Anhebung der Beitragssätze – diesmal um mindestens 0,3 Prozentpunkte – unvermeidlich. Doch Storm macht klar: „Wir brauchen als zweiten Schritt eine Strukturreform, um dem drohenden Pflegekollaps gezielt gegenzusteuern. Dabei muss den Engpässen begegnet werden, ohne den Ausgabenanstieg der sozialen Pflegeversicherung weiter zu erhöhen.“

Vertrauen in politische Handlungsfähigkeit angeschlagen

Ein wachsender Handlungsdruck wird auch im aktuellen DAK-Pflegereport 2025 deutlich. Laut einer repräsentativen Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach von Ende Oktober/Anfang Novmener 2024 fordern 77 Prozent der Bevölkerung eine umfassende Umgestaltung des Pflegesystems. Gleichzeitig ist das Vertrauen in die politische Handlungsfähigkeit stark angeschlagen: 85 Prozent der Befragten kritisieren, das Thema Pflege werde in der Politik zu wenig beachtet. Zwei Drittel geben an, sich im Alter keine professionelle Pflege leisten zu können. 92 Prozent sehen eine gute Pflege künftig vom eigenen Vermögen abhängig.

Vor diesem Hintergrund spricht sich die DAK-Gesundheit für einen grundlegenden „Reset der Pflegeversicherung“ aus. Storm betont: „Versorgungssicherheit in der Pflege ist nur möglich, wenn die individuellen und örtlichen Rahmenbedingungen berücksichtigt werden.“ Er sieht die geplante Bund-Länder-Kommission zur Pflegereform in der Pflicht, konkrete und umsetzbare Lösungen zu entwickeln.

Ein grundlegender Reset der Pflegeversicherung

Ein zentrales Element der Reformbemühungen soll nach den Vorstellungen der DAK das Konzept „Pflegestützpunkt Plus“ sein. Es knüpft an die bisherige Pflegeberatung an, fordert aber eine gesetzliche Neuausrichtung, um regionale Unterschiede abzubauen und eine engere Begleitung von Pflegebedürftigen sicherzustellen. Professor Thomas Klie vom Institut AGP Sozialforschung, der den DAK-Pflegereport wissenschaftlich begleitet hat, unterstreicht: „Die Qualitäts- und Qualifikationsstandards in der Pflegeberatung unterscheiden sich nicht nur zwischen den Bundesländern, sondern teilweise sogar auf kommunaler Ebene. Das ist mit einer gerechten Versorgung nicht vereinbar.“

Klie plädiert für bundesweit einheitliche Standards, die sich an den Lebensrealitäten der Menschen und den regionalen Bedingungen orientieren. Dazu gehört auch eine Beratung vor Ort – direkt in der Häuslichkeit der Betroffenen – sowie eine stärkere digitale Vernetzung aller Akteure. „Das kann dazu beitragen, den Menschen den Zugang zur pflegerischen Versorgung zu erleichtern“, so Klie.

Für DAK-Chef Storm steht fest: „Pflege darf nicht länger als Randthema behandelt werden. Die Rückzahlung der Coronahilfen ist eine Frage der Fairness. Die Strukturreform ist eine Frage der Zukunftsfähigkeit.“ Nur mit einem umfassenden Konzept könne die soziale Pflegeversicherung langfristig tragfähig bleiben und ihrem Versorgungsauftrag gerecht werden.

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