Der europäische Markt für aktive ETFs erlebt derzeit einen bemerkenswerten Aufschwung. Innerhalb von nur zwei Jahren hat sich das Volumen dieser Produktkategorie verdoppelt – auf 62,4 Milliarden Euro (Stand: August 2025). Damit stellen aktive ETFs zwar erst rund drei Prozent des gesamten europäischen ETF-Vermögens, doch das rasante Wachstum zeigt: Das Konzept hat sich etabliert – und könnte für den Vertrieb neue Chancen eröffnen.
Laut einer aktuellen Studie von Morningstar dominiert JPMorgan das Marktgeschehen mit einem Anteil von 56 Prozent. Der Erfolg ist vor allem den sogenannten Enhanced Index Research ETFs zu verdanken – Strategien, die klassische Indexnachbildung mit aktiven Anlageentscheidungen kombinieren. Der Marktführer nutzt damit gezielt die Vorteile beider Welten: die Kosteneffizienz und Transparenz passiver Produkte sowie die Flexibilität aktiver Steuerung.
Doch auch andere Anbieter entdecken das Segment für sich. Zahlreiche Asset Manager arbeiten an eigenen Konzepten, um sich ein Stück des wachsenden Kuchens zu sichern. Dabei rückt zunehmend die Frage in den Vordergrund, wie viel aktives Management Investoren tatsächlich wollen – und bezahlen möchten.
Zwischen Systematik und Selektion
„Unsere Daten zeigen, dass die meisten aktiven ETFs diskretionär gesteuert sind und auf fundamentale Strategien setzen, während nur wenige einen systematischen Ansatz verfolgen“, erklärt Mara Dobrescu, Senior Principal Fixed Income Strategy Ratings bei Morningstar. „Das aktive Risiko bleibt gering. Aktienfonds weisen in der Regel einen Tracking Error von unter fünf Prozent auf, Anleihefonds von unter einem Prozent.“
Das deutet darauf hin, dass sich viele aktive ETFs als „effiziente Portfolio-Bausteine“ verstehen – mit begrenztem Abweichungsrisiko vom Referenzindex, aber dennoch der Chance auf Zusatzrendite. Damit positionieren sie sich zwischen traditionellen, aktiv verwalteten Fonds und rein passiven Indexfonds – eine Nische, die zunehmend an Relevanz gewinnt.
Performance und Transparenz als Treiber
Bemerkenswert ist laut Morningstar, dass aktive ETFs im Vergleich zu klassischen aktiven Fonds höhere Erfolgsquoten erzielen. Niedrigere Kosten, tägliche Handelbarkeit und hohe Transparenz scheinen auch bei aktiv gesteuerten Strategien Vorteile zu bringen. „ETFs beginnen, ihren Mehrwert für Anleger unter Beweis zu stellen“, betont Dobrescu. „Daher dürfte sich ihre Dynamik auf dem europäischen Markt fortsetzen.“
Der Zufluss frischen Kapitals bestätigt diesen Trend: Zwischen Januar und August 2025 sammelten aktive ETFs 13,4 Milliarden Euro ein – davon entfielen 8,3 Milliarden Euro auf Aktienstrategien und 3,7 Milliarden Euro auf Anleihefonds. Besonders stark vertreten sind die Produkte derzeit in Dachfonds-Portfolios, die von der flexiblen Einsetzbarkeit und Kosteneffizienz profitieren.
Chancen im Vertrieb – und neue Anforderungen
Für den Vertrieb bieten aktive ETFs eine attraktive Ergänzung. Sie verbinden bekannte ETF-Vorteile mit der Möglichkeit, Anlegern differenzierte Investmentideen zu präsentieren. In Zeiten wachsender Regulierung und „Value-for-Money“-Diskussionen punkten sie zudem mit Transparenz – ein Aspekt, der auch für Berater immer wichtiger wird.
Gleichzeitig müssen Vermittler jedoch erklären, was an einem aktiven ETF eigentlich aktiv ist. Die Unterscheidung zwischen „Enhanced Index“, „Smart Beta“ und „voll aktiv gemanagt“ ist nicht immer leicht nachvollziehbar. Hier sind Produktkenntnis und Aufklärung gefragt – insbesondere, wenn es um die Erwartungshaltung der Kunden geht.
Ein weiterer Punkt ist die Kostenstruktur. Zwar sind die Gebühren aktiver ETFs in den vergangenen Jahren gesunken, sie liegen aber weiterhin über denen klassischer Indexfonds. Für viele Anleger ist daher entscheidend, ob der versprochene Mehrwert – also die Outperformance – tatsächlich eintritt.
Vom Nischenprodukt zum Standardbaustein?
Die Dynamik lässt vermuten, dass aktive ETFs in den kommenden Jahren vom Nischenprodukt zum festen Bestandteil vieler Portfolios werden könnten. Insbesondere in Multi-Asset- und Vermögensverwaltungsstrategien dürften sie an Bedeutung gewinnen. Für Anbieter und Berater gilt es nun, das Segment weiter zu professionalisieren – durch klare Produktarchitekturen, verständliche Kommunikation und glaubwürdige Performancebelege. Dann könnten aktive ETFs das schaffen, was passiven Fonds einst gelang: eine strukturelle Veränderung des Marktes.
Noch sind die Marktanteile überschaubar. Doch der Trend ist eindeutig – und das Wachstumspotenzial groß.
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