„Die strukturelle Schwäche des US-Dollars wird immer offensichtlicher – und sie bleibt nicht folgenlos. Immer mehr Notenbanken weltweit kehren dem Dollar den Rücken und schichten ihre Währungsreserven um. Und das nicht nur in andere Währungen, sondern vor allem in Gold. Eine Spirale hat sich in Gang gesetzt, die die Rolle des US-Dollars als globale Leitwährung beendet und den Goldpreis deutlich anschieben wird.
Noch immer liegen etwa 66 Prozent der weltweiten Devisenreserven in Dollar. Doch vor 25 Jahren waren es noch mehr als 73 Prozent. Der Rückgang ist Ausdruck schwindenden Vertrauens in den Dollar. Länder wie China haben ihre US-Dollar-Reserven bereits deutlich reduziert und verstärkt Gold gekauft – nicht aus Spekulation, sondern zur Absicherung gegen geopolitische und währungsbezogene Risiken. Und auch aus dem politischen Interesse, die USA zu schwächen.
Der Abwärtstrend des Dollars setzt sich deshalb fort: Seit Jahresbeginn hat er mehr als zehn Prozent an Wert verloren. Besonders bemerkenswert ist, dass selbst eine bestehende Zinsdifferenz zu Gunsten der USA nicht mehr für Stabilität sorgt. Nach der jüngsten EZB-Zinsentscheidung stieg der Euro deutlich. Das überrascht selbst die EZB. In ihrer neuen Inflationsprognose nennt sie ausdrücklich den stärkeren Euro als einen der Hauptgründe für die niedrigeren Teuerungsraten: nur noch 2,0 Prozent für 2024, 1,6 Prozent für 2025.
Für die USA hat der schwache Dollar zwei Seiten: Einerseits profitieren US-Exporteure durch bessere Wettbewerbsfähigkeit. Andererseits verteuern sich Importe, was in einem Land mit so hohem Handelsbilanzdefizit die Inflation weiter anheizen wird. Gleichzeitig nimmt die Staatsverschuldung zu – und die Finanzierung wird schwieriger, wenn Investoren sich abwenden.
Insofern sind in den kommenden Monaten die Auktionen der US-Staatsanleihen genau zu beobachten. Denn diese sind Indikator für das Vertrauen der Märkte. Sollten die Renditen deutlich steigen, weil zu wenige Käufer bereit sind, Dollar-Anleihen zu nehmen, könnte dies die Aktienmärkte belasten und die Refinanzierung der US-Regierung erschweren. Ein gefährlicher Kreislauf droht.
Parallel dazu erlebt Gold eine beispiellose Nachfrage. Es wird zunehmend als strategische Reserve und nicht als spekulatives Investment betrachtet. Die Notenbanken kaufen massiv zu – ein klares Misstrauensvotum gegen das Dollar-System. Entsprechend steigen die Preise. Und dies wird umso schneller geschehen, je schwächer die USA werden und je mehr die Notenbanken Gold kaufen. Ein Kurs von über 6.500 Dollar je Unze erscheint in Reichweite.
Doch sollte der Goldpreis überhaupt noch wie selbstverständlich in US-Dollar angegeben werden? Wenn die Leitwährung selbst schwächelt, verliert sie als Referenzmaßstab an Aussagekraft. Ein alternativer Währungskorb oder eine multipolare Bezugsgröße könnte langfristig sinnvoller sein. Oder es wird wieder eine Rückkehr zu goldgedeckten Währungen geben, so dass Gold der weltweite Wertmaßstab wird.“
Autor Mathias Beil ist Leiter Private Banking bei der Hamburger Sutor Bank.