Interview mit ADAC Versicherungsvorstand Stefan Daehne: „Die Kooperation hat sich als Perfect Match erwiesen“

Laut einer Umfrage der Allianz Direct haben rund ein Drittel der Autofahrer noch nie ihre Kfz-Versicherung gewechselt. Für Sie nachvollziehbar?

Daehne: Ich kann jedenfalls nachvollziehen, dass Preis, Verlässlichkeit, Leistungen und Servicequalität langfristig eine Rolle spielen. Ein schönes Beispiel sind Wildunfälle, die bei manchen Anbietern nur versichert sind, wenn man mit jagdbarem Wild kollidiert. Und was passiert, wenn es eine Kuh ist? Als Versicherungsnehmer will man sich eben nicht ständig mit solchen Fragen befassen, sondern dem Partner vertrauen, für den man sich entschieden hat.

Die Gründe, nicht zu wechseln sind Wissenslücken, Zeitmangel, Desinteresse, Angst vor dem Verlust des SF-Rabattes. Machen Sie auch noch die Erfahrung, dass es bei dem Thema an Durchblick hapert, obwohl beinahe die Hälfte der Bundesbürger ja eine Kfz-Versicherung haben?

Daehne: Ja. Leider. Ich verstehe es auch. Versicherung sind nun mal eine komplizierte Materie, die nicht einfach zu verstehen ist. Es gibt rechtliche Rahmenbedingungen, die Regulatorik oder versicherungstechnische Gegebenheiten. Jeder konfiguriert sich lieber einen Neuwagen als eine Versicherung. Es gibt leider aber auch Wechselbarrieren, die die Gesellschaften aufbauen: Bündelrabatte, SF-Sondereinstufungen, etc. Das schafft leider zusätzliche Unsicherheit. Und: Es stärkt die Trägheitskräfte im Markt.

Haben Sie herausfiltern können, welche Altersgruppen bei der ADAC Autoversicherung am häufigsten wechseln?

Daehne: Wir können das filtern und wissen, dass die jüngeren Menschen tendenziell wechselaffiner sind. Das sehen wir auch im Jahreswechselgeschäft. Aber spielt die Erkenntnis eine große Rolle? Nein. Denn es ist eine Momentaufnahme. Wir wollen Kunden weder klassifizieren noch in Gruppen einteilen. Aber Trends, die anfangs von den Jüngeren getrieben werden, erschließen oft auch höhere Altersgruppen. Ein Beispiel ist Nutzung Sozialer Medien: Auch ältere Menschen werden digitaler und wechselaffiner. Tendenziell werden sie ihrem Anbieter aber etwas treuer bleiben, auch weil sie es sich in vielen Fällen leisten können.

Was sind die Gründe, die für einen Wechsel zur ADAC Autoversicherung sprechen? Ist es der Preis, der Service, also schnelle Hilfe im Schadenfall oder ist die Marke ADAC? Was sagen ihre Neukunden?

Daehne: Es gibt hier kein Killerargument. Entscheidend ist, zu vermitteln, was das Produkt kann und dass das Versprechen eingelöst wird. Und: dass der Preis fair ist. Das ist Argument genug. Vor allem wissen die Kunden, dass sie ein gewisses Qualitätsniveau bekommen. Auch im Schadensfall. Wir sind als ADAC viel stärker unter Beobachtung von Presse, Verbraucherschützern und der Öffentlichkeit als andere.

Gleichwohl wollen Sie ja im Markt auch Geld verdienen. Mit einer Combined Ratio von 115 ist das nur schwer möglich.

Daehne: Dreistellige Combined Ratios wird es bei uns nicht geben. Hier zählt die Technical Excellence: die Kompetenz, die Tools, die Aktuare, wie sie eine Allianz hat. Das ist auch der Grund, warum wir dies als ADAC nicht selber machen. Um den Arbitrage-Wettbewerb mit anderen Anbietern zu gewinnen, muss man analytisch immer einen Schritt voraus sein.

Wie preissensibel ist das Produkt Kfz-Versicherung?

Daehne: Kfz-Versicherungen sind kein Hochmargenprodukt. Dafür gibt es viele Faktoren: Jeder braucht eine Autoversicherung und es ist viel Prämienvolumen im Markt. Eine Autoversicherung kostet 400 bis 500 Euro im Schnitt. Die geringe Marge ist also nicht das Problem, weil sie mit hohem Prämienvolumen multipliziert wird. Wichtig ist, dass sie überhaupt Marge machen und sich nicht nur defizitäres Wachstum einkaufen. Man kann sich gehörig die Finger verbrennen.

Gerade ein transparenter Wettbewerb und Vergleichsplattformen wie Check24 machen es nochmal richtig anspruchsvoll. Wenn Sie nicht aufpassen und untertarifieren, sammeln sie sich die schlechten Risiken ein. Insofern ist die Kfz-Versicherung auch ein sehr starker Analytics-Wettbewerb. Sie müssen einen Bestand haben, aus dem sie lernen können. Das haben kleinere Anbieter nicht immer. Regionale Gegebenheiten, Fahrzeugtypen und ihre Schwächen etwa im Diebstahlschutz spielen ebenfalls eine Rolle. Wenn man über dieses Wissen verfügt, lässt sich das im Pricing berücksichtigen.

Herr Metz, Sassenbach ist seit rund drei Jahren Lead-Agentur des ADAC. Sie hatten im vergangenen Herbst mit einem Parkrempler als Kampagnen-Motiv geworben. Warum? Schließlich sind Glasschaden, Wildschaden oder Marderbiss doch deutlich häufiger, wie eine Statistik des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft zeigt.

Metz: Entscheidend ist doch, was Endverbraucher letztlich von der Kampagne sehen. Die realisierte Kampagne ist ja nur die Spitze eines Ideen-Eisbergs. Während der Konzeptionsphase lagen bei uns rund 300 Ausdrucke und 27 Kampagnenansätze auf dem Tisch. Wir konnten uns dann relativ schnell – sowohl in unserem Team wie auch mit dem ADAC – auf das Thema ‚Parkrempler‘ einigen.

Gerade im Versicherungsbereich und insbesondere in der Kfz-Versicherung ist Werbung ja eine sensible Gratwanderung: Jemanden zu sensibilisieren, ohne ihn abzuschrecken. Die Kampagnenmechanik hat funktioniert: Ein Parkrempler hat letztlich eine gewisse Relevanz für jeden. Die inhaltliche Schadenstatistik spielt am Front-End einer Kampagne nicht die tragende Rolle: Es ist für uns nicht wichtig, ob der Glasschaden oder der Marderbiss häufiger sind. Es geht darum, womit wir für mehr Aufmerksamkeit sorgen können. Wenn man sich den Wechselzeitraum anschaut, ist der zeitlich sehr begrenzt.

Peter Metz, Geschäftsführer Sassenbach Advertising

Deshalb geht es um Plakativität, um Sichtbarkeit und – was für uns als Marketing- und Kommunikationsfachleute wichtig ist, um Differenzierung. Einen Marderbiss habe ich schon häufiger gesehen; beim Glasschaden bin ich ganz schnell bei den Kollegen von Carglass. Nimmt man all dies zusammen, ist der Parkschaden eine starke, gut verständliche und positionierende Aussage im Wettbewerbsumfeld.

Wie herausfordernd ist es, eine solche Kampagne für eine Kfz-Versicherung zu entwickeln? Wie viele Entwürfe braucht es? Wie lange dauerte der Prozess bis zu dem Punkt, wo alles steht? Print, Digital, Social Media, TV.

Metz: Wir sind in der glücklichen Lage als Lead-Agentur des ADAC nicht bei null anfangen zu müssen. Wir arbeiten bereits in der dritten Saison zusammen. Insofern haben wir ein gewisses Know-how aufgebaut und kennen die Autoversicherung und ihre Position im Umfeld des ADAC. Hinzu kommt das Learning aus vorangegangenen Kampagnen. Die ersten beiden Kampagnen waren bereits sehr erfolgreich. Gleichwohl lassen sich immer Schlüsse ziehen. Klar ist auch:

Die Leitidee muss in allen Kanälen funktionieren. Wir hatten Anfang Februar das erste Briefing. Innerhalb von sechs Wochen haben wir aus einer Unzahl an Ideen eine Leitidee entwickelt. Die wird verfeinert. Dann erfolgt die Umsetzung, damit man im November wieder punktgenau die nächste Kampagne ausrollen kann. Aktuell laufen bereits die Vorbereitungen für die kommende Kampagne im Herbst.

Holen Sie sich auch das Feedback des Wettbewerbs ein? Ist Ihnen das als Agentur wichtig oder bleibt die Meinung eher außen vor?

Metz: Uns geht es nicht darum, von der Werbebranche gefeiert zu werden. Da gibt es andere Themen und Anlässe, bei denen man brillieren kann. Bei solch einer auf Vertrieb ausgerichteten Kampagne zählen andere Prioritäten: Hier geht es um knallharte Zahlen und KPIs.

Testen Sie im Vorfeld, ob eine Kampagne funktioniert?

Metz: Nein. Eine moderne Kommunikationskampagne wird am offenen Herzen getestet, im laufenden Betrieb. Die digitale Welt lässt minutengenaue Messungen zu. Wenn etwas nicht funktioniert, können wir sehr schnell und stark reagieren. Wir können unterschiedliche Incentivierungen ausspielen.

Wir können unterschiedliche Tarife ausspielen. Das ist ein viel moderneres und effektiveres Testing als traditionelle Konsumentenbefragungen oder Fokusgruppen, bei denen Sie 50 Leute in einen Raum setzen und fragen, ob grün oder gelb die bessere Wahl wäre.

Daehne: Sassenbach hat sich dem Thema ADAC verschrieben und dort auch eine DNA gebildet und das zu transportieren, was es bei uns braucht. Damit wird man nicht in Cannes gewinnen. Aber zu sagen, „das ist der ADAC“ und die Botschaft so reduziert wie möglich zu transportieren, das ist wichtig.

Dabei ist es entscheidend, dass wir digital gut aufgestellt sind. Die Customer-Journeys beginnen auch im Omni-Kanal-Modell heute alle online. Dort, wo die Menschen Interesse für eine Autoversicherung haben, dort müssen wir präsent sein. Das hat Sassenbach inhaltlich verstanden und emotional wunderbar hinbekommen.

Versicherungen gelten als unsexy. Die Herausforderung ist, die Menschen hier visuell und auf der Tonspur einzufangen?

Metz: Ehrlich gesagt ist das für uns die größte Herausforderung. Wir sind in der Vermarktung auch für Volkswagen oder Marco Polo Reisen tätig. Das ist viel einfacher. Man ist direkter an den Emotionen. Keiner geht spazieren und sagt, heute kaufe ich mir eine sexy Autoversicherung. Das ist die große Herausforderung. Die Werte, die den ADAC ausmachen und im speziellen die Autoversicherung – Zuverlässigkeit, guter Service – die gilt es, emotional zu verpacken. Es geht darum, den Leuten auf einen Wechsel Lust zu machen. Ob es dabei um eine Abenteuerreise, das neueste Elektroauto oder eine Versicherung geht, ist dann unerheblich.

Nun ist eine Kfz-Versicherung ist eine Pflichtversicherung. Jeder Autofahrer benötigt sie. Bei der Berufsunfähigkeit oder einer privaten Rentenversicherung dürfte eine Kampagne deutlich anspruchsvoller sein. Das ist letztlich die Königsdisziplin.

Metz: Sie haben Recht. Am meisten Begeisterung lösen die Kampagnen aus, die mit ihrer Einfachheit überzeugen. Je komplexer Produkt und Thema sind, desto geringer ist die Bereitschaft, sich damit zu beschäftigen. Baufinanzierung, Raten, Abzahlungsmodalitäten oder Förderungen – dazu haben nur wenige wirklich Lust. Dann braucht es einfache, emotionale Kampagnen.

Ich glaube, im Moment ist die Bereitschaft durchaus da.

Metz: Wie immer muss man hinter die Motive schauen: Im Augenblick haben zum Beispiel viele Lust auf ein tolles Eigenheim – die Arbeit und die notwendige Infrastruktur dahinter legt man aber lieber in die kompetenten Hände von Dienstleistern. So ist es bei der Autoversicherung auch: Autofahrer wollen ihr Auto nutzen und sich dabei möglichst gut absichern.

Sich dort sicher und in guten Händen zu fühlen – das ist das, was der ADAC als Marke und mit seinen Produkten mitbringt. Wir als Sassenbach sorgen dafür, dass dies bei möglichst vielen Interessenten auch emotional rüberkommt.

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