Cyberrisiken sind längst kein Großkonzern-Thema mehr. Gerade KMU werden zunehmend Opfer digitaler Angriffe, sei es durch Schadsoftware, Phishing oder Systemblockaden. Das Fatale: Viele Betriebe haben weder die technischen noch die organisatorischen Mittel zur Abwehr. Firewalls fehlen, Passwörter sind unsicher, Backups ungetestet. Die Folgen können ruinös sein. Die Bandbreite reicht vom Reputationsverlust über die Stilllegung von Produktionslinien bis hin zur Insolvenz.
Nach Angaben des Digitalverbands Bitkom stiegen die Schäden 2024 um 30 Milliarden Euro auf 178 Milliarden Euro. Angesichts der wachsenden Schadensummen schlägt der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) inzwischen Alarm, zumal die Nachfrage nach Cyberpolicen immer noch gering ist. Der Verband sieht die Ursachen in fehlendem Bewusstsein, Unsicherheit bei der Risikoeinschätzung und komplizierten Produktlandschaften.
„Fehlende Cyberresilienz ist kein Problem einzelner Betriebe, sondern eine großflächige Bedrohung für den gesamten Wirtschaftsstandort Deutschland“, warnte GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen Anfang Juni. Für Vermittler ergibt sich daraus ein klares Aufgabenfeld: aufklären, vereinfachen, ansprechen. „Das Risiko ist real und anerkannt, die Marktdurchdringung aber gering“, bestätigt auch Michael Neuhalfen, Vertriebsleiter der Alte Leipziger Versicherung, im Gespräch mit Cash. – und warnt: „Wer Cyber nicht anspricht, riskiert, dass ein anderer das tut – und der holt womöglich das ganze Mandat.“ Wer Cyberrisiken verständlich mache, positioniere sich als verantwortungsvoller Partner. Denn klar ist: Die Angriffswelle rollt und Künstliche Intelligenz verschärft die Bedrohungslage weiter.
Nicht weniger dringlich ist das Thema Elementargefahren. Der Klimawandel macht Überschwemmung, Starkregen und Rückstau zu ernsthaften Bedrohungen, auch für Gewerbebetriebe. Arztpraxen, Werkstätten, Hallen oder Büros sind keineswegs ausgenommen. „Das Thema beschäftigt uns sehr“, sagt Neuhalfen. Mit der Flutkatastrophe im Ahrtal 2021 sei die Risikowahrnehmung bei Gewerbekunden zwar gestiegen – aber eben nur kurzfristig. Noch immer verfügen viele Betriebe über Policen ohne Elementarschutz oder mit veralteten Versicherungssummen. Besonders brisant: In stark gefährdeten Regionen dürfte eine Absicherung mittelfristig kaum noch möglich sein. Staatliche Pflichtlösungen werden derzeit diskutiert, doch ob sie auch die Gewerbesparte umfassen werden, bleibt offen.
Parallel dazu verschärft sich die Problematik der Unterversicherung – oft schleichend und unbemerkt. Die klassische Inflationsrate sagt wenig über die reale Kostenentwicklung im Schadenfall aus. Während Elektrogeräte günstiger werden, steigen die Preise für Handwerker, Baumaterialien oder Ersatzteile teils zweistellig. Viele KMU sind laut Neuhalfen mit zu niedrigen Versicherungssummen unterwegs – weil Policen nicht regelmäßig überprüft oder notwendige Beitragsanpassungen gescheut wurden. „Das größte Risiko in der Gewerbeversicherung ist nicht der Brand, sondern die Lücke in der Deckung“, warnt der Experte. Vermittler sind hier gefragt, unbequem zu sein. Höhere Summen bedeuten höhere Prämien, aber auch existenzsichernden Schutz im Ernstfall.
Hinzu kommt: Der wachsende Bedarf an individueller Beratung kollidiert mit dem Wunsch nach Digitalisierung und Automatisierung. Plattformen für Tarifierung, Angebot und Antrag entstehen – doch in vielen Fällen stoßen sie an Grenzen. Betriebsbesonderheiten, Sonderklauseln, Haftungsszenarien: Nicht alles ist digital abbildbar. „Versicherung bleibt People Business“, sagt Neuhalfen. „Da muss jemand rausfahren, Risiken anschauen, bewerten, mitdenken.“ Gerade im gewerblichen Geschäft entsteht Differenzierung nicht über den günstigsten Preis, sondern über Service, Klarheit und Verlässlichkeit, vor allem im Schadenfall. Wer seine Kunden kenne, ihre Risiken einordne und Produkte erkläre statt verkaufe, werde zum geschätzten Partner.
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