Die Märkte erwarten mit einer Wahrscheinlichkeit von 87 Prozent einen kleinen Zinsschritt von 25 Basispunkten. Dafür sprechen die gemischten Konjunkturdaten und die sinkenden Inflationserwartungen. Damit läge die neue Spanne bei 3,50 Prozent bis 3,75 Prozent – und damit weiterhin fast doppelt so hoch wie der Leitzins der EZB. Gleichzeitig könnten die jüngsten Zölle zunehmend Konsum und Produktion belasten.
Das macht die Entscheidung der Fed leichter. Kühlt die Konjunktur ab, steigt der Druck, gegenzusteuern und die Wirtschaft zu stützen. Andererseits erhöhen Zölle auch die Inflationsrisiken – ein Grund, warum die Fed trotz allem vorsichtig agieren dürfte. Ein weiterer Zinsschritt könnte zumindest etwas Druck von den teilweise ambitionierten Bewertungen im Tech- und Growth-Segment nehmen.
Tiefe Spaltung
Innerhalb der Fed herrscht derzeit eine ungewöhnlich tiefe Spaltung. Die Notenbank ist so zerstritten wie selten zuvor. Vor allem beim Endpunkt des Zinssenkungszyklus und beim neutralen Zins gehen die Meinungen weit auseinander. Die 19 Mitglieder liefern 11 unterschiedliche Schätzungen für den neutralen Zins, mit einer bemerkenswert breiten Spanne von 2,6 Prozent bis 3,9 Prozent. Weitere Zinsschritte werden also gerade jetzt umso kontroverser.

11 unterschiedliche Schätzungen für den neutralen Zins. Quelle: Bloomberg, Federal Reserve
Die Fed-Mitglieder blicken aus ganz unterschiedlichen Perspektiven auf die Lage. Das liegt daran, dass sie verschiedene Schwerpunkte setzen. Für die einen steht die Inflationsbekämpfung im Vordergrund, für die anderen der Arbeitsmarkt. Gleichzeitig spielen auch die möglichen Auswirkungen der Zölle, der Einfluss von KI auf die Produktivität sowie Faktoren wie Immigration und Steuerpolitik eine Rolle. Die Folge: Die geldpolitische Kommunikation wird zunehmend schwieriger, das Risiko von Fehlinterpretationen an den Märkten wächst.
Fed-Unabhängigkeit
Auch politische Aspekte werden immer relevanter. Anfang 2026 will Trump einen neuen Fed-Vorsitzenden nominieren. Laut Polymarket gilt Kevin Hassett – mit aktuell rund 78 Prozent Wahrscheinlichkeit – als Favorit. Er wird dem dovishen Lager zugerechnet. Damit gerät die Unabhängigkeit der Fed besonders in der ersten Jahreshälfte 2026 verstärkt in den Fokus. Ein Trump-naher Vorsitzender könnte niedrigere Realzinsen, höhere Inflationserwartungen und einen strukturell schwächeren US-Dollar bedeuten.
Sektor-Einschätzung
Anleger interessieren sich besonders für den Ausblick und die neuen Projektionen der Fed. Entscheidend wird sein, wie viele Zinssenkungen die Notenbank für 2026 in Aussicht stellt und wo sie den neutralen Zins verortet. Die hohen Bewertungsniveaus, insbesondere bei KI-Aktien, machen diesen Bereich besonders empfindlich für jede geldpolitische Botschaft. Ein dovisherer Ausblick könnte hier sofort Rückenwind geben. Dabei könnten auch andere zinsabhängige Sektoren wie Tech, Growth und Immobilien profitieren.
Risiken
Eine gespaltene Fed bedeutet automatisch einen unsicheren, holprigen und stark datenabhängigen Zinspfad. Damit steigt das Risiko, dass die Notenbank entweder zu spät reagiert oder gar überreagiert. Die politische Einflussnahme erhöht jedoch die Wahrscheinlichkeit eines dovisheren Bias.
Bedeutung des Zinspfads
Für Aktien zählt weniger das Tempo der Zinssenkungen als der Anlass. Erfolgen sie langsam und kontrolliert in einer stabilen Wirtschaft, wirkt das unterstützend. Aggressive, hastige Senkungen wären dagegen ein Warnsignal für eine drohende Rezession.
Auch Anleihen würden zunächst von der Aussicht auf niedrigere Zinsen profitieren, da sinkende Renditen bestehende Kupons aufwerten. Mittelfristig könnten jedoch inflationäre und fiskalische Risiken diesen Rückenwind abschwächen.
Autor Maximilian Wienke ist Marktanalyst bei eToro.











