EXKLUSIV

Humor, Homeoffice, Hierarchie: Was „Stromberg“ über Versicherer erzählt

Herr Schoeller, wenn heute eine Serie über den Arbeitsalltag der BarmeniaGothaer gedreht werden würde – was würde das Publikum überraschen?

Schoeller: Ich glaube, einiges. Wir arbeiten heute in einer völlig anderen Team-Logik. Das, was bei „Stromberg“ prägend war – Hierarchie, von oben nach unten –, ist weitgehend verschwunden. Wir bringen Menschen zusammen, die sich vernetzen und unterschiedliche Perspektiven einbringen. Vielfalt spielt eine große Rolle. Komplexe Probleme lassen sich nicht mit einer einzigen Perspektive lösen. Und die Rahmenbedingungen sind andere: Menschen arbeiten mobil, hybrid, ortsunabhängig. Etwa die Hälfte des Teams sitzt woanders – nicht unbedingt zu Hause, sondern dort, wo sie arbeiten wollen. Das ist eine neue Logik von Zusammenarbeit.

Husmann: Haben Sie wieder eine Präsenzpflicht eingeführt?

Schoeller: Nein. Wir haben etwa 60 Prozent Homeoffice, 40 Prozent Präsenz. Zwei Tage im Büro haben ihren Sinn: Wenn es uns nicht gelingt, Kultur zu formen und einander zu begegnen, bricht die Verbindung zum Unternehmen. Kollaboratives Arbeiten funktioniert nicht, wenn es völlig entmenschlicht wird. Es braucht die Begegnung für die Identität eines Unternehmens. Und noch ein Punkt: Technologie. Wir werden immer mehr zu einer Tech-Company. Technologische Fähigkeiten schaffen zunehmend Differenzierung im Markt. Heute sind viele hier Techies. Ich bin mit Hemd und ohne Tätowierung schon fast eine Seltenheit und quasi der Uncoolste im Raum. Auch das zeigt, wie stark sich die Welt verändert hat.

Homeoffice, hybride Teams, neue Führungskultur – was bedeutet das für Zusammenhalt und Identität in einem Versicherungsunternehmen?

Schoeller: Das hat mehrere Facetten. Erstens brauchen wir ein stabiles Wertegerüst, auf das man bauen kann. Wir sind ein Gegenseitigkeitsversicherer – ein Unternehmen von Menschen für Menschen, ohne Aktionäre dazwischen. Das schafft Klarheit, für wen wir arbeiten. Zweitens sind wir von Unternehmern für Unternehmer gegründet worden. Unternehmertum steht bei uns für persönliche Freiheit und Entfaltung. Und drittens: Wir wollen einen gesellschaftlichen Wert schaffen. Nur Menschen zu versichern und Geld zu verdienen, ist zu wenig. Heute nennt man das Purpose. Mit Kapitalanlagen in Höhe von 50 Milliarden Euro haben wir einen echten Hebel, um etwas zu bewegen. Auf dieser Grundlage schaffen wir eine gemeinsame Idee von Zukunft. Der Zusammenschluss hat ein Orientierungsvakuum geschaffen, das wir jetzt positiv aufladen können. Die Leute fragen, wo wir hinwollen – und sie sind neugierig. Diese Chance, etwas Neues, wirklich Außergewöhnliches zu bauen, hat man nicht oft. Mit unserer neuen Strategie „ZusammenStark“ haben wir dafür die Weichen gestellt.

Herr Husmann, inwieweit haben Sie die Veränderungen der modernen Arbeitswelt im neuen Film aufgegriffen? Arbeitet die Capitol jetzt im Homeoffice?

Husmann: Wir haben Bernd Stromberg am Ende des letzten Films ja bei der SPD abgegeben. Ich wollte damals gucken, ob man mit der Figur in die Politik gehen kann, und habe überlegt, ihn nach Brüssel zu schicken. Das hat sich für mich dann aber politisch nicht mehr stimmig angefühlt, denn wenn man heute erzählt, dass alle Politiker so sind wie Stromberg, ist das Wind auf die falschen Mühlen. Deshalb ist es die Aufgabe des neuen Films, ihn wieder sanft ins Büroumfeld zurückzubringen. Wir haben inhaltlich einen Weg gefunden, der den Schritt in die neue Arbeitswelt ermöglicht, sodass man sehen kann, wie ein Typ wie Bernd Stromberg mit den Veränderungen umgeht.

Das Interview fand im Hauptsitz der im vergangenen Jahr fusionierten BarmeniaGothaer in Köln statt. (Foto: Christian Daitche)

Wie blicken Sie persönlich auf diese Veränderungen? Stefan Raab hat sich ja gerade in einem Song darüber lustig gemacht – nach dem Motto: Wer im Homeoffice arbeitet, geht vormittags lieber zum Yoga als zu arbeiten.

Husmann: Für den Film hatte ich das Gefühl, dass das Thema Homeoffice mittlerweile ein bisschen abgefrühstückt ist. Ich wollte nicht erzählen, dass Stromberg ohne Hose in irgendwelchen Teams-Meetings sitzt, weil ich das Gefühl hatte, die Gags wurden alle schon gemacht. Aus meiner persönlichen Wahrnehmung geht der Trend gerade tendenziell wieder weg vom Homeoffice und hin zur Präsenz. Vor drei oder vier Jahren hat man sich ja gefragt, wozu es überhaupt noch Büros gibt. Das hat sich inzwischen wieder ein bisschen rückentwickelt, weil alle gemerkt haben, dass die Identität eines Unternehmens verloren geht, wenn die Menschen nur noch einzeln arbeiten. Wenn kein Mitarbeiter mehr das Gefühl hat, irgendwo hinzugehören und Teil eines Teams zu sein, dann ändert sich dadurch schleichend auch etwas für den Rest des Unternehmens.

Herr Schoeller, die BarmeniaGothaer gilt als einer der Digitalisierungstreiber in der Branche. Wo sehen Sie die größten Chancen und Grenzen von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Versicherungswelt?

Schoeller: KI hat aus meiner Sicht zwei große Facetten. Erstens betrifft sie uns operativ: Unser Geschäft ist seit Jahrhunderten datengetrieben – wir übersetzen Daten in Risikokohorten und bepreisen sie so, dass das Individuum durch das Kollektiv geschützt wird. KI eröffnet hier enorme Möglichkeiten: personalisierte Kundenansprache, Risikomodellierung, Pricing sowie ein neues Servicerlebnis. Grenzen liegen dort, wo Technologie oder ihre Ergebnisse nicht mehr kontrollierbar wären oder der sensible Umgang mit Kundendaten gefährdet würde. Zweitens verändert KI die Welt und die Risiken, die wir versichern. Wir decken ja nicht nur Haftpflicht oder Kfz ab, sondern versichern Unternehmen mit globalen Lieferketten. Geopolitik, Klimawandel, Cyber – all das verändert Risikostrukturen. Wir müssen verstehen, was KI damit macht, um unseren Kundinnen und Kunden weiterhin Schutz bieten zu können. KI entwickelt sich schneller, als wir sie adaptieren können. Das ist anstrengend – aber auch ein Ansporn.

Viele Menschen befürchten, dass KI Jobs kosten wird. Wie gelingt die Balance zwischen Technik und Mensch?

Schoeller: Ich sehe im Moment vor allem Chancen. Wenn Technologie Routinen übernimmt, bleibt mehr Raum für persönliche Entfaltung. Das ist ein Gewinn. Wir schaffen gerade Freiräume, in denen Menschen KI-unterstützt ihre Stärken ausspielen können. Und das Interessante ist: Die Leute fordern das ein. Keiner muss überzeugt werden, dass KI eine gute Idee ist – alle fragen: „Wann kommt das endlich auch in meine Arbeitsumgebung?“ Langfristig wird KI natürlich gesellschaftliche Veränderungen bringen, wie einst die industrielle Revolution. Es wird Reibungen geben, aber wir sollten keine Angst haben, sondern gestalten – und zu den Guten gehören, die den Wandel führen.

Husmann: KI kann Dinge vereinfachen und vergünstigen – das gilt auch für die Film- und Fernsehbranche. Allerdings wird das Thema momentan auch sehr aufgeblasen, denn es steckt unfassbar viel Geld darin. Deshalb ist die Erwartung so groß, dass irgendwas dabei herauskommen muss, das die Industrie umwälzt. Aber ich bin mir noch nicht so sicher, ob das wirklich passieren wird.

Lesen Sie hier, wie es weitergeht.

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