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Humor, Homeoffice, Hierarchie: Was „Stromberg“ über Versicherer erzählt

Sie waren in den neunziger Jahren unter anderem Autor bei der „Harald Schmidt Show“. Glauben Sie, dass irgendwann eine KI die Gags für Late-Night-Hosts wie Jimmy Kimmel und Stephen Colbert schreiben wird?

Husmann: Das wird auch jetzt schon passieren. Allerdings ist Late Night ohnehin kein Genre mehr, das noch eine große Zukunft hat. Auch das hat sich durch das Internet total verändert. Als ich 1995 anfing, für Harald Schmidt zu arbeiten, haben wir abends die Gags gemacht, und die Leute haben am nächsten Tag darüber gesprochen. Wenn heute irgendetwas auf der Welt passiert, ist Social Media innerhalb von zehn Minuten voll mit Gags darüber. Da kommt man gar nicht mehr hinterher. Deshalb setzt zum Beispiel Jan Böhmermann mittlerweile seine eigenen Themen, statt zu besprechen, was in der Woche politisch passiert ist.

Wie hat sich denn aus Ihrer Sicht die Wahrnehmung von Humor in den letzten Jahren verändert? Es wird ja viel über vermeintliche Sprechverbote und „Cancel Culture“ diskutiert.

Husmann: Die Idee, dass die Meinungsfreiheit in Gefahr ist und man bestimmte Dinge nicht mehr sagen darf, halte ich für totalen Quatsch. Man konnte noch nie alles sagen, ohne dass es Konsequenzen gehabt hätte. Als ich vor vielen Jahren für den WDR gearbeitet habe, mussten wir alle Sketche, die einen kirchlichen Bezug hatten, bei der Kirche einreichen. Irgendjemand im Dom hat dann entschieden, ob wir das machen dürfen oder nicht. Inhaltlich hat sich in den letzten Jahren aber tatsächlich etwas geändert: In der „Harald Schmidt Show“ haben wir noch versucht, ironisch mit der Welt umzugehen – es waren die neunziger Jahre, als man massentaugliche Ironie in dieser Form in Deutschland noch nicht kannte. Heute sind die humoristischen Beiträge in den Medien ernster gemeint. Man nimmt eine Haltung ein und versucht, diese Haltung auch zu vertreten.

Herr Schoeller, wie wichtig ist Humor für Sie als Führungskraft – gerade in einer Zeit, in der Unsicherheit und Wandel zum Alltag gehören?

Schoeller: Humor ist super. Ich würde fast sagen, er ist eine Waffe – aber im positiven Sinn. Wir haben gerade die größte Fusion seit 30 Jahren in der Versicherungsindustrie verwirklicht. Man kann sich hier leicht in unterschiedlichen Sichtweisen verkannten. Die beste Möglichkeit, aus so etwas herauszukommen, ist oft Humor. Er löst Konflikte, bringt Energie und verbindet Menschen. Und die brauchen wir, um Dinge zu bewegen. Aber: Der stromberg’sche Humor, vor allem die frauenfeindlichen Elemente, hat auch in Unternehmen nichts zu suchen. Das war nie zeitgemäß. Da haben wir null Toleranz. Humor verändert sich, und das ist auch gut so.

Trafen sich zum Interview in Köln (v.l.): Cash.-Redakteure Kim Brodtmann und Jörg Droste, Ralf Husmann und Oliver Schoeller (Foto: Christian Daitche)

Wenn Sie eine Szene in einer „Stromberg“-Staffel schreiben dürften – wie sähe Ihre Lieblingsszene in einer Versicherung von heute aus?

Schoeller: Wir arbeiten heute agil. Das heißt: Wir bündeln Produktentwicklung, Mathematik, IT, Marketing – alle sitzen in einem Raum, arbeiten in kurzen Sprints. Führung ist demokratisiert: Es gibt „People Leads“, fachliche Leads und Datenverantwortliche. Dieses ständige Machen, Verbessern, Machen, Verbessern ist unsere Realität. Bernd Stromberg als „People Lead“ in einem agilen Team? Das wäre filmisch herrlich – im echten Leben aber wahrscheinlich nur von kurzer Dauer.

Hätte Bernd Stromberg bei Ihnen im Team eine Chance?

Schoeller: Beide charakteristische Eigenschaften von Stromberg haben es heute schwer. Das „Durchschlawinern“ trifft auf Transparenz im Team. Die Luft für Menschen, die keinen Beitrag leisten, ist dünner geworden. Auch der Raum für politische Unkorrektheit ist heute gleich null. Mit den Sprüchen von damals würde er keinen Tag überstehen.

Husmann: Das sagen ja alle, aber dann bin ich doch immer wieder sehr erstaunt, mit was für Menschen man es oft zu tun hat. Meine Erfahrung ist, dass die Berufswelt nicht gerade vor Kompetenz aus allen Nähten platzt.

Letzte Frage, Herr Husmann: War’s das jetzt für Bernd Stromberg? Geht er in Frührente? Oder können wir in ein paar Jahren wieder mit ihm rechnen?

Husmann: Das haben wir immer offen gelassen. Wir haben jede Staffel so beendet, dass wir entweder einen Deckel draufmachen oder weitermachen konnten. Das hängt ja auch immer davon ab, wie das Publikum reagiert. Aber wenn der neue Film ein Erfolg wird, werden wir uns bestimmt irgendwann die Frage stellen, ob wir es nicht noch einmal machen.

Das Gespräch führten Kim Brodtmann und Jörg Droste, beide Cash.

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