Branchengipfel Sachwertanlagen 2021: Inflation, Nachhaltigkeit, Digitalisierung

Politisch erwünscht: Wohnungsneubau und -sanierung

Zum mittlerweile elften Cash. Branchengipfel Sachwertanlagen haben sich aus den Chefetagen von Anbietern Nico Auel (RWB), Jörg Busboom (Ökorenta), Thorsten Eitle (Hep), Rauno Gierig (Verifort Capital), Christian Grall (Project), Gordon Grundler (Primus Valor) sowie die Wirtschaftsprüferin und Steuerberaterin   Martina Hertwig (Baker Tilly) vor Ort im Empire Riverside Hotel in Hamburg eingefunden. Christian Kunz (TSO) war per Video zugeschaltet. Sven Mückenheim (Dr. Peters Group) und Sandro Pawils (Carestone) konnten aus Termingründen nicht unmittelbar an der Diskussion teilnehmen. Sie werden in dieses Cash.-Extra auf Basis gesonderter Statements einbezogen.

Die Bandbreite der Assetklassen des Branchengipfels reichte damit von deutschen Immobilien mit den unterschiedlichen Schwerpunkten Wohnungs-Neubau (Project), Wohnungs-Bestand inklusive Sanierung (Primus Valor), Gewerbeobjekte (Dr. Peters Group) und Pflegeimmobilien (Carestone, Verifort Capital) über US-Immobilien (TSO) bis Erneuerbare Energien (Hep, Ökorenta) und Private Equity (RWB). Sieben der insgesamt neun Asset Manager legen alternative Investmentfonds (AIFs) auf. TSO platziert Beteiligungen nach dem Vermögensanlagengesetz und mit Carestone ist in diesem Jahr auch ein Unternehmen darunter, das Pflegeapartments als direkte Immobilieninvestition anbietet (also rechtlich wie Eigentumswohnungen, aber eingebettet in langfristige Pachtverträge mit Betreibern).

So deckt auch der elfte Cash. Branchengipfel sowohl in Hinblick auf die Assetklassen als auch bezüglich der Vehikel einmal mehr nahezu die komplette aktuelle Bandbreite der kollektiven Kapitalanlage in Sachwerte ab. Die Gegebenheiten in den Zielbranchen sind naturgemäß höchst unterschiedlich. Mit den generellen Rahmenbedingungen sind indes alle Manager gleichermaßen konfrontiert. So dominierten drei Themen die Diskussion: Inflation, Nachhaltigkeit sowie Digitalisierung.

Die größte Aktualität, weit über die Fachpresse hinaus, hat davon die zuletzt deutlich erhöhte Inflationsrate. In Deutschland ist sie im September 2021 gegenüber dem Vorjahresmonat auf 4,1 Prozent geschnellt und lang damit so hoch wie seit 28 Jahren nicht mehr. Damit wird nicht  nur vieles teurer, auch das Ersparte ist weniger wert. Und das ist eine gewaltige Summe. 

Insgesamt haben die Privathaushalte nach Angaben der Bundesbank zum Ende des zweiten Quartals 2021 ein sagenhaftes Geldvermögen von über 7,3 Billionen Euro aufgetürmt. Gut 2,9 Billionen Euro davon sind Bargeld und Bankeinlagen, also Guthaben etwa auf Giro-, Termingeld- und Sparkonten. Dort gibt es weiterhin keine Zinsen. Im Gegenteil: Inzwischen erhebt ein Großteil der Banken bereits auf mittlere oder gar kleine Vermögen Minuszinsen, die sie meistens als Gebühren tarnen oder als „Verwahrentgelt“ bezeichnen. 

Nach einer Untersuchung des Vergleichsportals Verivox im September fallen inzwischen bei fast 400 Geldhäusern solche Verwahrentgelte an, meistens ab Guthaben von 50.000 Euro, teilweise schon ab 5.000 Euro. Die jährliche Gebühr beträgt meistens 0,5 Prozent des Guthabens. 13 Institute erheben laut Verivox sogar noch höhere Minuszinsen von bis zu ein Prozent. Zusammen mit der Geldentwertung durch die Inflation schrumpft das Vermögen dann binnen eines Jahres real um bis zu fünf Prozent – ein mittlerweile durchaus schmerzhafter Wert. 

Unerlässlich für den Klimaschutz: Investitionen in Erneuerbare Energien.

So berichten mehrere der Branchengipfel-Teilnehmer, dass die Nachfrage nach ihren Sachwertanlagen vor allem seitens vermögenderer Kunden zunimmt und die durchschnittliche Zeichnungssumme spürbar gestiegen ist. Interessenten mit weniger hohem Vermögen oder nur mittlerem Einkommen würden sich derzeit hingegen eher zurückhalten, auch bei Ansparkonzepten. Vermutlich wollen viele der nicht ganz so Reichen ihr „Pulver trocken halten“. Sie scheuen die langfristige Bindung beziehungsweise Verpflichtung, um für einen weiteren Anstieg der Lebenshaltungskosten, dem möglicherweise kein entsprechender Einkommenszuwachs gegenüber steht, gewappnet zu sein. Auch wenn die Fonds selbst zum Teil von Kostensteigerungen und Materialengpässen betroffen sind, bestand beim Branchengipfel wenig überraschend Einigkeit, dass Sachwertanlagen generell gut geeignet sind, der Inflation zu begegnen.

Konkret niedergeschlagen im aktuellen Produktangebot hat sich die stärkere Geldentwertung indes noch nicht. Dafür ist die Vorlaufzeit von meistens mehreren Monaten für die Konzeption und die BaFin-Genehmigung neuer AIFs und Vermögensanlagen zu groß. Gleichwohl hat sich der Markt im Jahresverlauf bereits belebt und das Angebot an Sachwertanlagen ist nach einer Cash.-Untersuchung mit Stichtag Ende August 2021 deutlich größer als im Vorjahr (siehe Ausgabe 10/2021). 

TSO-Manager Christian Kunz begrüßt das Blind-Pool-Verbot bei Vermögensanlagen

So ist die Anzahl der Sachwertanlagen, die Privatanlegern zur Zeichnung offen stehen, gegenüber Herbst 2020 um fast 30 Prozent von 49 auf 63 Emissionen gestiegen. Der Löwenanteil der Angebote entfällt mit 28 Offerten erneut auf Immobilien. Daneben können Anleger zwischen sieben Private-Equity-, fünf Erneuerbare-Energie-, sechs Multi-Asset- und zwölf sonstigen Investitionsangeboten wählen. Mit 42 der 63 Emissionen dominieren weiterhin Publikums-AIFs, 21 der Angeboote sind Vermögenanlagen. 

Letzteres Segment muss sich auf eine Gesetzesänderung einstellen, die eine Vielzahl der Angebote betrifft. Nach dem im August in Kraft getretenen „Gesetz zur weiteren Stärkung des Anlegerschutzes“ sind Blind-Pool-Vermögensanlagen künftig verboten. So zählt sicherlich zu den bemerkenswerten Statements auf dem Branchengipfel, dass TSO-Manager Christian Kunz die Gesetzesänderung begrüßt. 

Das Unternehmen bietet über ein unternehmerisch aktives Konzept Investitionen in US-Immobilien an, zuletzt als Blind Pool, der sich während und nach der Platzierungsphase sukzessive füllt. Künftig will TSO die Objekte im Vorfeld anbinden und gegebenenfalls vorfinanzieren. Das macht die Sache für den Anbieter sicherlich anspruchsvoller, für den Vertrieb ergibt sich aber der Vorteil, dass er gegenüber der Kundschaft schon ab Beginn der Platzierung konkrete Objekte vorzeigen kann.

Mit Regulierung hat auch das zweite Stichwort des Branchengipfels zu tun: Nachhaltigkeit. Dabei geht es nicht um den generellen gesellschaftlichen und politischen Trend zu mehr Klimaschutz, sondern um konkrete gesetzliche Vorgaben für die Finanzwirtschaft. Die erste Stufe war die EU-Offenlegungsverordnung, die im März 2021 in Kraft getreten ist. Seitdem müssen alle Anbieter im Finanzmarkt offenlegen, also angeben, inwieweit sie bestimmte Nachhaltigkeits-Kriterien erfüllen. Es geht um Umwelt (Environment), Sozialstandards (Social) und Unternehmensführung (Governance), zusammen kurz ESG. 

Die Crux: Die Details – die „Level-2“-Vorschriften zur sogenannten „Taxonomie“ mit den genauen Voraussetzungen, unter denen ein Angebot als nachhaltig eingestuft werden kann – sind teilweise noch nicht fertig. Noch hängen die Asset Manager damit also etwas in der Luft, wobei inzwischen weitere Elemente der ESG-Regulierung verabschiedet wurden, wie Martina Hertwig berichtete. Voraussichtlich ab dem dritten Quartal 2022 muss auch der Vertrieb die ESG-Einstufung der Fonds berücksichtigen und mit den Präferenzen der Anleger in Einklang bringen. Die ESG-Klassifizierung wird damit einen ähnlichen Stellenwert erlangen wie heute die Risikoklasse. 

Auch wenn noch nicht im Detail feststeht, wie dies genau aussehen wird, sollten sich Finanzdienstleister schon jetzt im Dialog mit den Anbietern auf das Thema vorbereiten, so die Empfehlung von Martina Hertwig. Denn dieses erfordert erneut Anpassungen in den Unterlagen und dem Vertriebsablauf, also zunächst Aufwand. Um ESG-konform oder gar ein „Impact“-Fonds mit positiven Auswirkungen auf das Klima zu werden, ist zudem einmal mehr ein riesiger Vorschriften-Wust zu beachten. Die Sache ist also zunächst lästig. 

Enormer Kapitalbedarf: Modernisierung der Wirtschaft

Doch damit ist auch eine riesige Chance verbunden, denn schließlich wird enorm viel Kapital benötigt. Dabei geht es nicht nur um die Finanzierung neuer Windenergie- und Solaranlagen. Auch Immobilienfonds können hier viel bewirken – durch Neubau nach den neuesten Energiestandards oder die (auch) energetische Sanierung von Bestandsgebäuden.

Anders als noch bis 2014 stehen hierfür mit Publikums-AIFs voll regulierte Vehikel zur Verfügung. Auch Vermögensanlagen sowie der Vertrieb haben mittlerweile einen umfangreichen rechtlichen Rahmen erhalten. Dennoch fällt es vielen Anbietern – nicht speziell den Teilnehmern des Branchengipfels, sondern generell – offenbar weiterhin schwer, mit breiter Brust aufzutreten, jedenfalls gegenüber einer größeren Öffentlichkeit. Das Selbstverständnis “Wir sind die Guten“ hat sich längst noch nicht überall in der Branche durchgesetzt. 

Das färbt anscheinend auch auf die Politik ab. Sie nutzt das Potenzial von AIFs und Vermögensanlagen, deren Rechtsrahmen sie schließlich selbst geschaffen hat, bislang kaum zur Mobilisierung privaten Kapitals für politisch gewollte Zwecke. Teile von SPD und Grünen sprechen gar weiterhin von „grauem Kapitalmarkt“ und lasten den heutigen Akteuren noch immer die Verfehlungen anderer aus der unregulierten Ära an. 

Trotzdem könnte sich die Sichtweise mit der neuen Bundesregierung ändern – jedenfalls dann, wenn die „Ampel“-Koalition zustande kommt und sich Christian Lindner (FPD) durchsetzt. Er fordert ein „Super-Abschreibungsprogramm, wonach private Anlageinvestitionen, die dem Klimaschutz und der Digitalisierung dienen, schnell steuerlich wirksam werden“. Lindner will für die dringend benötigten Investitionen also privates Kapital über Steuervorteile mobilisieren.

Wer nun meint, die Sachwertanbieter seien angesichts des Lindner-Vorschlags elektrisiert und würden laut „Hier!“ rufen, sieht sich getäuscht. Die Reaktionen des Branchengipfels jedenfalls lassen nicht auf besonders große Begeisterung schließen. Vielmehr lassen sich die Kommentare wohl am ehesten mit „Abwinken“ zusammenfassen. Anscheinend erwartet auch die Sachwertbranche ihrerseits von der Politik nach den vielen Zumutungen der vergangenen Jahre generell nichts Gutes. Doch es besteht durchaus die Chance, dass sich endlich eine konstruktive Kooperation entwickelt, die beiden Seiten nützt.

Lindners Vorschlag bezieht sich auch auf Investitionen in die Digitalisierung. Der FDP-Chef denkt dabei wahrscheinlich an den Ausbau der Mobilfunknetze, Glasfaserkabel und ähnliches. Auch für solche und andere Investitionen zur Modernisierung der Wirtschaft kann die Branche etwa über Private-Equity-Fonds sicherlich einiges beitragen, zunächst sind für sie bei dem Stichwort Digitalisierung jedoch in erster Linie zwei andere Aspekte relevant. Zum einen geht es um die klassische Digitalisierung der Kommunikation und des Zeichnungsprozesses. Hier haben Anbieter und Vertrieb durch die Corona-Zwänge enorme Fortschritte gemacht. Vieles davon wird auch nach dem Ende der Pandemie hilfreich blieben. 

Dazu zählen nicht nur die inzwischen alltäglichen Videokonferenzen, sondern auch Tools wie die digitale Beratungs- und Zeichnungsplattform der RWB-Schwester Walnut. Sie ist bereits vor Corona im Herbst 2019 zunächst für den RWB-Vertrieb an den Start gegangen, hat dann aber ungeahnt große Bedeutung erlangt und steht nun auch anderen Anbietern offen.

Ob Publikums-AIFs heute noch beratungsintensive Produkte sind, wurde durchaus kontovers diskutiert

Der andere Aspekt ist die Digitalisierung der Produkte selbst, also die „Tokenisierung“ mittels der Blockchain-Technologie und digitalen Berechtigungsscheinen („Token“). Diese Technik ist in der klassischen Sachwertbranche noch so gut wie gar nicht angekommen. Doch die Konkurrenz durch entsprechend spezialisierte Digital-Plattformen nimmt stetig zu. Sie bieten die (meistens mittelbare) Investition in Sachwerte mit winzigen Mindestbeträgen sowie voll automatisierten Zeichnungs- und Kommunikationsprozessen. 

Noch ist offen, ob daraus eine substanzielle Konkurrenz für den klassischen Vertrieb oder lediglich eine Ergänzung für technik-affine Zielgruppen entsteht, die ohnehin ohne Finanzberater auskommen. Das hängt auch mit der Frage zusammen, ob Publikums-AIFs heute noch beratungsintensive Produkte sind oder nicht. Dieser Punkt wurde auf dem Branchengipfel durchaus kontrovers diskutiert. Doch lesen Sie selbst. Die ausführliche Dokumentation der Diskussion und der Statements finden Sie auf den folgenden Seiten. Zusätzlich warten Live-Mitschnitte der Abschlussdiskussion als Videos auf Cash.-Online/Branchengipfel. Schauen Sie rein. Es lohnt sich.

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