Herr Engemann, 2024 war ein sehr erfolgreiches Jahr für die SDK. Was waren die Kernfaktoren für das gute Ergebnis?
Engemann: Wir haben uns sehr gefreut, dass wir auch 2024 erneut ein starkes Neugeschäft über alle Vertriebswege hinweg, besonders im Maklervertrieb verzeichnen konnten. Was dabei besonders gut funktioniert hat, war unser klarer Fokus auf zwei Produktgruppen: die Vollversicherung und die betriebliche Krankenversicherung (bKV). Natürlich behalten wir unser gesamtes Produktportfolio im Blick, aber diese beiden Bereiche stehen nun schon im zweiten Jahr bewusst im Mittelpunkt. In der Vollversicherung haben wir erstmals gezielt Humanmediziner/-innen als neue Zielgruppe definiert und unsere mediale Präsenz entsprechend ausgebaut. Das hat sich ausgezahlt: Der Neuzugang in diesem Segment hat sich im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Für uns ein bedeutender Erfolg.
Warum ist die Vollversicherung so erfolgreich?
Engemann: In der privaten Krankenversicherung beobachten wir aktuell spannende Entwicklungen. Von einer echten Renaissance der Vollversicherung würde ich noch nicht sprechen, aber der Aufwind ist spürbar. Gründe dafür sind unter anderem die Erfahrungen aus der Corona-Zeit und die spürbaren Beitragssteigerungen in der GKV. Selbst Kassenvertreter wie DAK-Chef Storm sprechen von einem „Beitragsentwicklungstsunami“. Das spielt der PKV natürlich in die Karten.
Wo sehen Sie aktuell die vertrieblichen Herausforderungen?
Engemann: In der Vollversicherung sehen wir keinen akuten Handlungsbedarf. Unser Produkt ist seit 2017/2018 im Markt und wird nach wie vor als exzellent bewertet. Zwar sind Wettbewerber mit ähnlichem Qualitätsanspruch nachgezogen, aber wir schneiden im Vergleich weiterhin sehr gut ab. Ideen wie ein Großschadentarif mit höheren Selbstbehalten – etwa 5.000 Euro – sind Überlegungen, die wir prüfen. In der betrieblichen Krankenversicherung ist die Innovationsdynamik deutlich höher.
Gerade im Bereich Pflege, speziell bei der betrieblichen Pflegeversicherung, sehen wir Potenzial für neue Ansätze. Hier beobachten wir jedoch zunächst, was gesetzgeberisch auf den Weg gebracht wird. Das wird unsere nächsten Schritte maßgeblich beeinflussen.
Sie haben das Thema Pflege angesprochen: In der gesetzlichen Pflegeversicherung spitzt sich die Lage dramatisch zu, die Kassen schlagen Alarm.
Engemann: Die finanzielle Ausstattung der gesetzlichen Pflegeversicherung ist katastrophal. Und der Bedarf wächst massiv. Wenn man sich anschaut, wie stark die Zahl der Pflegebedürftigen allein in den letzten fünf Jahren gestiegen ist – und dann noch bedenkt, dass laut Prognosen künftig rund jeder Zweite pflegebedürftig wird, ist klar: Das bestehende System stößt an seine Grenzen. Es braucht dringend neue Lösungen, vielleicht sogar ein ganz neues System.
Sie haben auf ihrer Bilanzpressekonferenz den strategischen Ausbau des Vertriebs als einen zentralen Treiber bezeichnet. Was versprechen Sie sich davon?
Engemann: Wir haben für uns klar definiert, dass wir auch künftig auf eine breite Vielfalt an Vertriebswegen setzen. Unsere Ausschließlichkeitsorganisation (AO) bleibt ein wichtiger Eckpfeiler – ebenso wie die enge Zusammenarbeit mit den Volks- und Raiffeisenbanken. In diesem Umfeld fühlen wir uns wohl und wollen die Kooperationen weiter ausbauen. Bislang liegt unser Schwerpunkt in Baden-Württemberg und Bayern, aber wir wollen gezielt darüber hinaus aktiv werden. Dazu haben wir bereits Schritte unternommen – mit engagierten Kolleginnen und Kollegen vor Ort. Auch der Maklervertrieb ist für uns ein wachsender Kanal. Wir kooperieren mit nahezu allen relevanten Pools und sehen dort starken Zuwachs – das wollen wir ausbauen, auch in Verbindung mit der Stuttgarter. Parallel entwickeln wir einen klassischen Direktvertrieb mit digitaler Ansprache, Leadgewinnung und der Betreuung unbetreuter Bestände. Kurz gesagt: Wir glauben an die Kraft der Vielfalt im Vertrieb und daran halten wir auch künftig fest.
Sie haben angedeutet, dass künftig sowohl die Ausschließlichkeitsorganisation als auch der Maklervertrieb auf die Produktwelten beider Häuser zugreifen können. Wie genau ist das gemeint?
Engemann: Das klingt zunächst komplex, ist aber im Grunde ganz einfach. Wir haben seit einiger Zeit eine einseitige Vertriebskooperation mit der Stuttgarter. Die ist entstanden, als wir uns strategisch aus dem Lebensversicherungsgeschäft im Bereich Altersvorsorge zurückgezogen haben. Unsere Produkte konnten angesichts der damaligen Marktsituation nicht mehr nachhaltig mithalten, vor allem im Maklervertrieb hätten wir stark investieren müssen. Also haben wir einen starken Partner gesucht und in der Stuttgarter gefunden. Seitdem besteht in der AO die Möglichkeit, Lebensversicherungsprodukte, wie die private oder betriebliche Altersversorgung, anzubieten, was bisher nur teilweise genutzt wurde. Jetzt ist angedacht, die Partnerschaft wechselseitig zu gestalten, mit dem Ziel, dass die Stuttgarter im Maklervertrieb auf unsere Krankenversicherungsprodukte zugreifen kann, wir wiederum zusätzlich zur Lebensversicherung auch Produkte, wie die Unfallversicherung, der Stuttgarter nutzen können. Wir streben somit eine gelebte Wechselseitigkeit an.
Sie sind im Bankenvertrieb traditionell stark vertreten. Können Sie dort künftig auch auf die Lebensversicherungsprodukte der Stuttgarter zurückgreifen?
Engemann: Wir respektieren die Struktur im genossenschaftlichen Verbund und damit auch die R+V als Exklusivpartner für das Lebensversicherungsgeschäft. Unser Fokus im Bankenvertrieb liegt klar auf Gesundheit und Krankenversicherung – und das bleibt auch so. Wir treten also nicht offensiv mit dem Thema Lebensversicherung auf. Aber es gibt Banken, die sich aus der Exklusivität lösen und offener aufstellen. Von dort erhalten wir Signale, dass eine Zusammenarbeit mit der Stuttgarter denkbar wäre. Das beobachten wir aufmerksam, gehen aber nur interaktiv vor – wenn die Banken das ausdrücklich wünschen, sprechen wir gerne über weitere Schritte.
Im vergangenen Jahr hat die SDK erstmals mehr Neugeschäft über den Maklervertrieb geschrieben als über die Ausschließlichkeit. Welche Rolle spielen Kooperationen für diesen Wandel?
Engemann: Unabhängig von Partnerschaften liegt der Hauptgrund für unsere positive Entwicklung im Maklervertrieb in unserer strategischen Neuausrichtung vor vier, fünf Jahren. Damals waren wir weder bei allen relevanten Pools angebunden noch vor Ort gut aufgestellt. Das haben wir gezielt geändert – mit Investitionen in Betreuung und Produktlandschaft. Unsere Vollversicherung, die Zusatz- und die betriebliche Krankenversicherung sind heute sehr gut positioniert. Im Wettbewerb haben wir vieles richtig gemacht und sind dadurch sichtbarer geworden. Das führte zu kontinuierlichem, zweistelligem Wachstum – und erstmals dazu, dass der Maklervertrieb mit 51 Prozent das Neugeschäft der AO überholt hat. Zusätzlich haben wir auch in die Prozessmodernisierung investiert und zum Beispiel Themen wie BiPRO, digitale Absatzstrecken und die Präsenz in allen Vergleichsportalen in den Fokus genommen.
Und welche Rolle spielt die Partnerschaft mit Cigna, welche das VGWI-Konzept?
Engemann: Cigna und VGWI sind zwei sehr unterschiedliche, aber wichtige Themen für uns. Cigna ist ein internationaler Anbieter für Gesundheitslösungen, spezialisiert auf Impats und Expats – also Mitarbeitende, die für einige Jahre nach Deutschland entsendet werden und eine passende Krankenversicherung brauchen. Wir sind schon vor Jahren in den Austausch gegangen, um Teil solcher Versorgungskonzepte zu werden. Inzwischen haben wir erste Verträge mit drei großen Unternehmen geschlossen und 2024 bereits Umsätze erzielt. Das VGWI, also das Versorgungskonzept Gesundheit für Wirtschaft und Industrie, ist dagegen ein ganz anderes Konzept. Im Zentrum steht eine Kombination aus Krankentagegeld und drei Assistance-Modulen – mit dem Ziel, die Produktivität von Mitarbeitenden zu sichern. Ein Schwerpunkt liegt auf dem Thema Pflege: Wenn jemand im Umfeld Pflegeverantwortung übernimmt, unterstützen wir organisatorisch, formal und zum Beispiel auch bei der Suche nach einem Pflegeplatz. Ergänzt wird das durch einen Facharztservice mit Terminvergabe innerhalb von 48 Stunden sowie Telemedizin. Ein Rundum-Servicepaket, das Beschäftigte entlastet und Arbeitgebern echten Mehrwert bietet.
Treten Sie damit in Konkurrenz zu Anbietern wie BDAE oder April?
Engemann: Ja, ganz klar. Auch andere Versicherer sind in diesem Segment unterwegs. Für uns ist das ein spannender Markt mit viel Potenzial – und genau darum geht es bei Cigna.
Und stoßen Sie mit dem Angebot auf Interesse?
Engemann: Absolut. Das Modell bietet einen sehr niedrigschwelligen Einstieg. Der monatliche Beitrag liegt je nach Ausgestaltung zwischen fünf und acht Euro. Und dafür bekommt man Zugang zu einer ganzen Reihe an Services, die sowohl vom Arbeitgeber als auch von den Mitarbeitenden geschätzt werden. Wir denken aktuell darüber nach, das Konzept um zwei oder drei zusätzliche Bausteine zu erweitern.
Seite 2: Nach der Fusion: Welche Ziele die SDK im Maklervertrieb künftig verfolgt