Fralytics: Wieso 7 Tage Antwortzeit für Versicherer zu lang sind

Foto: Fralytics
Die Fralytics-Gründer Johannes Bunk (li.) und Adrian Waltenberger

Mit Fralytics will sich ein neues Analysehaus am Markt positionieren. Cash. sprach mit den beiden Gründern, Johannes Bunk und Adrian Waltenberger, über ihr Unternehmen, ihre neue Kfz-Versicherungsstudie, die Analyseansätze und die Frage, warum ein Digitalversicherer 168 Stunden für eine Antwort benötigt.

Herr Waltenberger, Herr Bunk, was verbirgt sich hinter Fralytics?

Waltenberger: Wir, im Gründerteam von Fralytics, haben uns 2021 bei der gemeinsamen Arbeit in dem Insurtech Community Life kennengelernt. Johannes hat die Marketing-Abteilung geleitet und ich den Kundenservice. Zu der Zeit haben wir im Rahmen der Kooperation mit HDI neue Lebensversicherungsprodukte entwickelt und die Systeme zum Abschluss und Verwaltung von Versicherungsprodukten neu konzeptioniert und implementiert. Wir befanden uns im Wiederaufbau und hatten zu der Zeit keinen aktiven Kundenstamm. Dennoch haben wir es irgendwie geschafft, Preise zu gewinnen, darunter “Bester Kundenservice” und “Beste Kundenzufriedenheit”.

Bunk: Ja, das war wirklich ärgerlich, denn Adrian wünschte sich als Teamleiter schließlich eine authentische Auszeichnung. Da war der Gewinn schon verwunderlich, zumal wir nach außen hin nur eine klar erkennbare Coming-Soon Homepage hatten. Nach dieser Erfahrung hatten wir die Vision, die Studien hinter solchen Auszeichnungen verlässlicher für die Unternehmen und nicht zuletzt für den Verbraucher zu machen.

Waltenberger: Um die Vision zum Leben zu erwecken, haben wir unseren Bewertungsalgorithmus geschrieben und Fralytics gegründet. Zur besseren Genauigkeit und Vergleichbarkeit haben wir uns dazu entschlossen, den Kundenservice zusätzlich über Mystery Shopping zu messen und so den Direktkontakt zu bewerten.

Fralytics hat sich für seine aktuelle Studie den Kfz-Versicherungsmarkt vorgenommen und hier den Kundenservice und die Antragsstrecken der Kfz-Versicherer genau angeschaut. Gab es überraschende Erkenntnisse?

Bunk: Das Überraschendste war für uns sicherlich die Antwortquote. Denn wenn innerhalb der Branche von 34,2 Prozent überhaupt keine Reaktion auf eine Neukundenanfrage kommt, dann ist das schon auffällig. Denn wer kann es sich leisten, einen Lead ungenutzt liegenzulassen?

Waltenberger: Zudem war interessant, dass nur knapp 61 Prozent auf der Webseite eine Antragsstrecke mit Preisrechner haben. Dem Kunden die Möglichkeit zu geben, einen persönlichen Preis zu rechnen, sollte eigentlich Standard sein. Dies zeigt, dass die Kfz-Versicherer in puncto Digitalisierung noch Nachholbedarf haben.

Kaum zu glauben. Zumal in der Kfz-Sparte das Internet ja dominiert, nicht nur als Informationskanal, sondern auch als direkter Abschlussweg. Insgesamt 57 Prozent aller Abschlüsse erfolgen als Online-Abschlüsse über Vergleichsseiten oder Anbieter-Homepages.

Bunk: Die Webseiten der meisten Anbieter sind wirklich informativ und gut gestaltet. Allerdings gibt es sehr viele Beiträge auf den Seiten, die erkennbar wegen SEO (Search Engine Optimization) dort platziert sind. Das hat natürlich den Vorteil, generell über Suchmaschinen gefunden zu werden, allerdings ist es für einen Seitenbesucher nicht immer leicht, die passende Information zu seinem Problem zu finden. Denn kein Nutzer durchsucht erstmal den FAQ oder Blog Bereich, das ist größtenteils mühsam.

Waltenberger: An dieser Stelle ist es sinnvoll, eine leicht verständliche Antragsstrecke mit Preisrechner einzubinden, da hier alle wichtigen Fragen im richtigen Zusammenhang beantwortet werden können. Überraschend war, dass von 79 Kfz-Versicherungen insgesamt nur 48 eine eigene Antragsstrecke anbieten. Überraschend deshalb, da im Vergleich zu Lebensversicherungen die Kfz Antragsstrecke weniger komplex aufgebaut ist.

Warum haben Sie sich bei der Analyse auf den Service und die Antragsstrecken der Versicherer fokussiert?

Waltenberger: Für Kunden ohne Versicherungs Know-How sind die Produkte der Kfz Versicherer häufig nur schwer voneinander zu differenzieren. Möchten sich diese Kunden dennoch selbst um die Versicherungsangelegenheiten kümmern, gibt es häufig nicht viele Gründe, warum sich ein Kunde für oder gegen ein Unternehmen entscheidet. Neben dem Produktpreis sind Service und eine gut sortierte Informationsquelle in Form einer verständlichen Antragsstrecke zwei wichtige Faktoren für den Verbraucher.

Bunk: Für einen Neuabschluss oder im Problemfall sind Schnelligkeit und Qualität entscheidend. Die Messlatte wurde hier von E-Commerce-Riesen wie Amazon sehr hoch gelegt und die Kunden haben sich an unkomplizierte Service Cycles gewöhnt. Mit einer Reaktionszeit von sieben Tagen kommt ein Unternehmen heutzutage nicht mehr weit.

Und wie gut sind die Versicherer im Service aufgestellt beziehungsweise was macht in Ihren Augen einen guten Service aus?

Waltenberger: In unseren Augen ist guter Service davon geprägt, dem Kunden schnell und unkompliziert zu helfen. Interne Prozesse sind dem Kunden doch völlig egal, denn eine zielführende Lösung zu Fragen oder Problemen sollte immer im Vordergrund stehen. Viele, gerade die Direktversicherer, können das ganz gut. Aber auch Makler-Versicherer sollten in der Lage sein, auf Nachfragen zu ihren eigenen Produkten eine Antwort zu geben, ohne vorab den zuständigen Vertrieb zu ermitteln.

Wie messen Sie eigentlich den Service?

Bunk: Unsere Prüfungen laufen immer in zwei Stufen ab. Eine Algorithmusebene und eine menschliche Ebene. Zunächst werden von unserem Algorithmus allgemeine Kriterien analysiert wie Übersicht der Webseite, Servicefunktionen, Erreichbarkeit und Reputation. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Usability der Website, innerhalb dessen wird geprüft, wie lange ein Kunde braucht, um die grundlegenden Servicekanäle zu finden. Nur wer die erste Stufe besteht, qualifiziert sich für Stufe zwei: die Mystery Tests.

Hier trennt sich die Spreu vom Weizen, denn jetzt sind die realen Kontaktpunkte ausschlaggebend. Die Mystery Tests sind für eine Auszeichnung der weitaus wichtigere Teil. Ein öffentlicher Auftritt kann noch so kundenorientiert und verbraucherfreundlich sein, wenn der direkte Kontakt nicht funktioniert, dann hat der Service versagt.

Und welche Kriterien haben Sie für den Test der Antragsstrecken zugrunde gelegt?

Waltenberger: Als unabhängiges Brancheninstitut versuchen wir immer einen objektiven Testansatz zu finden. Beispielsweise ist das Design einer Antragsstrecke für den Nutzer zwar ein Faktor für eine gute Customer Experience, dies kann aber nicht objektiv für einen Branchentest bewertet werden.

Aus diesem Grund konzentrieren wir uns auf Faktoren, die zum einen gut messbar sind, zum anderen durch erwiesene Praxis das Nutzererlebnis relevant beeinflussen. Unsere Test Engine prüft im Kern drei Aspekte einer Antragsstrecke. Diese sind: Wie schnell und zuverlässig funktioniert die Antragsstrecke und gibt es technische Fehler, die das Nutzererlebnis negativ beeinflussen.

Wie verständlich ist der Durchgang der Antragsstrecke gestaltet und findet sich der Nutzer im Prozess der Antragsstrecke intuitiv zurecht. Und dann noch die Frage, ob die Antragsstrecke auf allen Endgeräten gleichermaßen gut funktioniert. Mit diesen Kriterien können wir ein gut vergleichbares Branchenbild erstellen, dabei steht der Nutzer im Mittelpunkt.

Welche funktionieren gut, welche nicht?

Bunk: Dazu muss erwähnt werden, dass wir an dieser Stelle unsere Test Engine mit mobilen Daten haben arbeiten lassen. Warum? Weil der Härtetest ohne WLAN die besten Ergebnisse zur Performancemessung liefert. Strecken, die positiv aufgefallen sind, waren beispielsweise von der ADAC Versicherung, der Admiral Direkt und der Bayerischen. Hier sind die technische Performance und Usability auf einem äußerst guten Level.

Negativ war beispielsweise die Antragsstrecke der Dialog Versicherung. Hier war die Performance zwar gut, allerdings waren einige Texte auf mobilen Endgeräten nicht lesbar. Das ist natürlich ein No-Go, denn alle Informationen müssen auf allen Endgeräten erfassbar sein. Zudem gab es negative Performancewerte beispielsweise bei der WGV und der Ergo. Hier wartet ein Nutzer am längsten, bis die Strecke geladen ist. Für den Nutzer ist das im Gebrauch störend.

Die Unternehmen investieren viel Geld in die Antragsstrecken. Wie kann es sein, dass einige Strecken nicht reibungslos funktionieren?

Waltenberger: Auch wenn wir uns wahrscheinlich alle wünschen würden, dass der “Kauf” einer Versicherung so unkompliziert funktioniert, wie die Buchbestellung auf Amazon, darf man nicht vergessen, dass die Konzeptionierung einer Versicherungs-Antragsstrecke nicht trivial ist. Es müssen neben technischen Faktoren auch viele fachliche Inhalte beachtet werden. Versicherungsunternehmen müssen auch mit den Antragsstrecken ihrer Beratungspflicht nachkommen, denn Sinn und Zweck ist schließlich, dass Kunden die Lösungen eigenständig nutzen können.

Die Projekte zur Umsetzung von Antragsstrecken sind also keine kleinen Aufgaben und sollten gut gemanagt werden. Hinzu kommt, dass die technische Welt eine sehr schnelllebige ist. Man sollte darauf achten, die zugrunde liegende Technik regelmäßig zu prüfen und im Zweifel abgeschlossene Projekte auch zu reaktivieren, wenn man merkt, dass man nicht mehr “state of the art” ist. Eins ist klar, fehlerhafte Antragsstrecken sind für den Nutzer ärgerlich und im Zweifel verliert man den Kunden dadurch.

Eine weitere Erkenntnis ihrer Studie war, dass etwa ein Drittel der Mystery Shopper keine Antwort auf Anfragen erhalten haben. Haben Sie eine Erklärung für den „Ausfall“.

Bunk: Nein, eine Erklärung haben wir dafür nicht. Möglich ist, dass die Service Abteilungen aktuell mit Personalmangel kämpfen. Ansonsten könnte man nur noch vermuten, dass die Versicherer aufgrund hoher Schadensquoten auf Kfz-Neukunden bewusst verzichten. Aus unserer Sicht ist es unerlässlich für den Ersten- und auch den Folgeeindruck beim Kunden, dass man auf digitale Anfragen adäquat und zügig reagiert, sonst gewinnt man den Kunden nicht für sich.

Mich hat überrascht, dass insgesamt 49 Prozent der Anbieter im Service-Test mit einem „mangelhaft“ durchfallen sind? Wie erklärt sich dieses schlechte Abschneider bei der Hälfte der Anbieter?

Bunk: Uns hat es nicht allzu sehr überrascht, da wir bei anderen Service-Studien im Versicherungsbereich ähnliche Ergebnisse messen konnten. Wer im Service Test nicht reagiert, ist verständlicherweise mangelhaft und das sind bereits 34,2 Prozent. Die Restlichen konnten in der Antwortqualität nicht punkten, da die Fragen nicht beantwortet wurden.

Ein großes Problem an der Stelle ist, wenn ein Anbieter erstmal viele Informationen einfordert, um eine weitere Kommunikation zu ermöglichen. Dabei steht nicht die Lösung der Kundenfrage im Vordergrund, sondern die interne Zuständigkeit zu finden. Das macht den Prozess langwierig und nervig für den Nutzer. Erfreulich ist, dass es viele Versicherer gibt, die im ersten Schritt bereit sind, auf den Kunden einzugehen und sich dessen Fragen zu stellen.

Vor dem Hintergrund Ihrer Studienerkenntnisse: Jeder zweite wechselinteressierte Kfz-Versicherungskunde, der in der Informations- und Entscheidungsphase aktiv Angebote verschiedener Versicherer einholt, bittet auch den bisherigen Kfz-Versicherer um ein Neu-Angebot. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass er eine Antwort erhält?

Waltenberger: Kunden informieren sich immer häufiger online, wenn sie auf der Suche nach einer Versicherung sind und das betrifft nicht nur die KFZ-Kunden. Zudem sind sie unkomplizierte und schnelle Reaktionen auf Rückfragen aus den versicherungsfremden Bereichen gewohnt. Unsere Messungen zeigen, dass Versicherer aktuell nicht mit dem E-Commerce-Standard mithalten können. Das muss besser werden, will man sich mit diesen Unternehmen in Sachen Customer Experience messen.

Die Wahrscheinlichkeit einer Antwort ist dabei stark vom Unternehmen selbst abhängig. Hier ist die Frage, wie sich das jeweilige Unternehmen positioniert. Der reine Online-Abschluss und Selbstverwaltung ist zwar im Sinne des Kunden, bedarf aber immer auch zusätzlich dem menschlichen Umgang bei Fragen oder Beratungsbedarf. Nur so ergibt sich eine ganzheitlich positive Customer Journey.

Mich würde interessieren, welche Gesellschaft am schnellsten auf Ihre Anfragen geantwortet hat und welche Gesellschaften sich Zeit gelassen haben?

Bunk: Die Spannweite der Reaktionszeiten klafft sehr weit auseinander und die Ergebnisse sind teilweise überraschend. Man kann sehr gut erkennen, bei welchen Versicherern die Verzahnung zwischen Kundenservice und Vertrieb sehr gut klappt und bei welchen Unternehmen die Service-Prozesse noch ausbaufähig sind.

In puncto Reaktionszeit war mit acht Minuten die DA Direkt Kfz-Versicherung am schnellsten. Allerdings gab es hier Mängel in der Qualität, da nicht auf die Fragen eingegangen wurde. Während die Wefox, als junges Digitalunternehmen, ganze 168:47:00 Stunden, also sieben Tage, gebraucht hat.

Stichwort Reaktionszeiten: Wie kann es sein, dass ein Digitalversicherer wie wefox, derart lange für ein Feedback benötigt? Was ich ebenfalls nicht verstehe: Wie kann ein Versicherer wie DA Direkt binnen weniger Minuten ein erstes Feedback geben, dann aber die Fragen nicht beantworten?

Bunk: Ja, uns hat auch die Reaktionszeit von Wefox erstaunt. Zumal das Feedback nach so einer langen Wartezeit auch nicht besonders zielführend war. Das Ergebnis von der DA Direkt ist auch typisch für die Versicherungsbranche. Sie waren zwar schnell, allerdings kam hier eine “Schema F”-Antwort, die erstmal einige Gegenfragen stellte. Gegenfragen sind an der Stelle nicht zwingend schlecht, allerdings kann man erwarten, dass der Anbieter wenigstens die gestellten Fragen vorab durchliest und beantwortet. Ansonsten kann man die Mitarbeiter im Service auch durch Bots ersetzen.

Wer waren eigentlich die Leuchttürme beim Antragsstrecken-Test? Und was haben die Gesellschaften besser gemacht?

Waltenberger: Wir haben uns darauf fokussiert, die Besten der Branche ausfindig zu machen. Technik und das Nutzerverhalten entwickeln sich permanent weiter. Hier müssen Unternehmen darauf achten, am Zahn der Zeit zu sein und sich mitzuentwickeln. In unseren Tests haben sich die Antragsstrecken der folgenden Unternehmen, insbesondere in den Bereichen Performance und Usability, als die Besten herauskristallisiert: Admiral Direkt Kfz-Versicherung, Signal Iduna Kfz-Versicherung, Alte Leipziger Kfz-Versicherung, ADAC Kfz-Versicherung und Die Bayerische Kfz-Versicherung.

Wie viele Unternehmen hatten Sie angeschrieben?

Waltenberger: Wir haben innerhalb der Kfz Studie insgesamt 79 Unternehmen getestet und analysiert. Dies deckt einen Großteil der Anbieter von KFZ Versicherungen in Deutschland ab und beschränkt sich auf Unternehmen mit deutscher Niederlassung. Nicht in den endgültigen Mystery-Test aufgenommen wurden dann allerdings Unternehmen wie Nexible, die in dieser Sparte kein Neugeschäft mehr generieren.

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