Offenlegungsverordnung: EU plant deutliche Entlastung für Finanzmarktteilnehmer

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Neue Nachhaltigkeitsregulierung in Sicht

Die EU-Kommission zieht bei der Offenlegungsverordnung die Reißleine. Nach Jahren praktischer Probleme soll das Regelwerk deutlich vereinfacht werden. Anlageberatung und Vermögensverwaltung fallen künftig heraus, die bisherigen Produktkategorien werden neu gefasst. Für den Finanzvertrieb bedeutet das spürbare Entlastung – bei gleichzeitig geringeren regulatorischen Ambitionen, wie Rechtsanwalt Dr. Christian Waigel ausführt.

Vor fünf Jahren sollten nachhaltigkeitsbezogenen Offenlegungspflichten im Finanzsektor die schöne neue Welt bringen. Als Teil des Gesamtkonzeptes Sustainable Finance und in Verbindung mit der Taxonomieverordnung sollte der Finanzsektor einen wesentlichen Beitrag zum Green Deal der EU-Kommission leisten. Kaum ein Regulierungsvorhaben ist so gründlich in den Sand gesetzt worden wie dieses. Es fehlen die Daten aus der Realindustrie, nicht zuletzt wegen der Verschiebung und Aufweichung der CSRD. Den Prime Standard in Sachen Nachhaltigkeit, nämlich die Taxonomie, erreicht kein Unternehmen und sie bleibt die Projektion eines ESG-Wolkenkuckucksheims. Die Einstufung von Atomenergie und Gaswirtschaft als nachhaltige Übergangstechnologie diskreditiert das gesamte Vorhaben und es ist daher kein Wunder, dass nur ein Promille-Anteil an Kunden noch Nachhaltigkeitspräferenzen in ihren WpHG-Bögen angeben.

Konsequenterweise wird nun die Offenlegungsverordnung entkernt und in ihrer ursprünglichen Intention zu Grabe getragen.

Dr. Christian Waigel, Waigel Rechtsanwälte (Foto: Florian Sonntag)

Anlageberatung und Vermögensverwaltung außen vor

Die Anlageberatung und die Finanzportfolioverwaltung sollen ganz aus dem Anwendungsbereich der Offenlegungsverordnung herausgenommen werden. Wertpapierfirmen und Kreditinstitute, die eine Portfolioverwaltung erbringen, unterlägen nicht mehr der Offenlegungsverordnung. Das Gleiche gilt für Finanzberater. Versicherungsvermittler und Versicherungsunternehmen, die Anlageprodukte vertreiben, Kreditinstitute und Wertpapierfirmen sowie Fondsgesellschaften, die eine Anlageberatung erbringen, sollen die Offenlegungsverordnung nicht mehr beachten müssen. Für sie und auch für alle weiteren Institute entfiele die Verpflichtung, ihre Strategie zu den nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren auf der Homepage zu veröffentlichen.
Auch die Transparenzpflichten zur Vergütungspolitik im Zusammenhang mit der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken sollen ersatzlos entfallen.


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Überarbeitung der Kategorien Artikel 7, 8 und 9 Offenlegungsverordnung

Von den bestehenden Kategorien der Offenlegungsverordnung, nämlich Produkte nach Artikel 7, 8 und 9 der Offenlegungsverordnung, bleibt nicht viel übrig. An ihrer Stelle tritt eine vollkommen neue Kategorisierung:

Die Übergangskategorie

Die Übergangskategorie nach dem neuen Artikel 7 verlangt zu mindestens 70% Investitionen, die einem klaren und messbaren Übergangsziel im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsfaktoren dienen. Das soll anhand von „geeigneten nachhaltigkeitsbezogenen Indikatoren“ erfolgen. Ausgeschlossen werden lediglich Tabak, verbotene Waffen, auch Verstöße gegen Menschenrechte, ebenso Investitionen in Unternehmen zur Exploration, Gewinnung, Verteilung oder Raffination von Steinkohle, Braunkohle, Ölbrennstoffen und gasförmigen Brennstoffen.
Alternativ kann sich der Anbieter dafür entscheiden, die EU-Klimawandel-Benchmark zu erfüllen oder zu 15 Prozent in taxonomiekonforme wirtschaftliche Tätigkeiten zu investieren.
Ansonsten halten sich die Anforderungen sehr im Ungefähren, es müsse „einen glaubwürdiger Übergangsplan“ in Bezug auf mindestens einen Nachhaltigkeitsfaktor geben, glaubwürdige wissenschaftlich fundierte Ziele oder eine glaubwürdige Strategie für nachhaltigkeitsbezogenes Engagement.

Ausreichend ist schon eine Investition im Unternehmen, die glaubwürdig zum Übergang bei-tragen, sofern eine angemessene Begründung in den Offenlegungen enthalten ist.

Kategorie ESG-Grundlagen

Nach Artikel 8 wird eine Kategorie „ESG-Grundlagen“ geschaffen. Auch hier gilt eine Mindestinvestitionsquote von 70 Prozent in Anlagen, die „Nachhaltigkeitsfaktoren integrieren“, gemessen anhand geeigneter nachhaltigkeitsbezogener Indikatoren. Für diese Kategorie gelten ähnliche Ausschlüsse wie oben dargestellt.

Die Anlagen müssen über dem Durchschnittsrating von anderen ESG-Ratings liegen oder hinsichtlich eines Nachhaltigkeitsindikators das durchschnittliche Anlageuniversum oder die Referenz-Benchmark übertreffen.

Ausreichend ist aber auch eine „nachweislich positive Bilanz“ im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsfaktoren oder andere Anlagen, die Nachhaltigkeitsfaktoren über die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken hinaus integrieren, sofern das angemessen begründet wird.

Nachhaltige Kategorie

Die neue Kategorie nach Artikel 9 sind Investitionen mit einem klaren und messbaren Ziel im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsfaktoren, z.B. Investitionen entsprechend der EU-Benchmark nach dem Pariser Abkommen, taxonomiekonforme wirtschaftliche Tätigkeit oder Inves-titionen entsprechend der Green Bonds-Verordnung.
Ausreichend sind aber auch andere Investitionen, die zu einem Umwelt- oder Sozialziel beitragen. Darüber hinaus gelten noch etwas strengere Ausschlüsse als bei den oben genannten beiden Kategorien.

Sonstige Finanzprodukte

Für alle sonstige Finanzprodukte wird das Verbot aufgehoben, mit Nachhaltigkeitsmerkmalen zu werben. Diese rutschten mit ESG-Werbung in die alte 8er-Kategorie. Nun soll es Finanzmarktteilnehmern eben nicht mehr untersagt sein, in vorvertraglichen Informationen Angaben aufzunehmen, ob Finanzprodukte Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigen. Die ESG-Werbeaussagen dürfen lediglich kein zentraler Bestandteil der Information sein und die Werbung darf höchsten 10 Prozent des Werbeumfangs für das Finanzprodukt einnehmen.

Ein besonderes Schmankerl ist die Aufhebung der Delegierte Verordnung 2022/1288, die eine Definition der Nachhaltigkeitsfaktoren enthält, die berühmten PAIs, sowohl die verpflichtenden als auch die freiwilligen.

Damit entfielen auch die langen und unübersichtlichen Templates zur Beschreibung der ökologischen und sozialen Merkmale, die im Anhang zu dieser Delegierten Verordnung enthalten waren und eigentlich Transparenz und Vergleichbarkeit der Produkte herstellen sollten.

Keine Aufhebung der Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen

Was leider im Vorschlag noch fehlt, ist die Aufhebung der Verpflichtung zur Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen laut MiFID II. Wenn die Kategorien der Offenlegungsverordnung wegfallen, die Anlageberatung und die Finanzportfolioverwaltung auch gar nicht mehr Gegenstand der Offenlegungsverordnung sind, macht es keinen Sinn, über die Delegierten Rechtsakte der MiFID II noch vorzuschreiben, die Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden abzufragen. Ich gehe davon aus, dass auch diese Verpflichtung demnächst aufgehoben oder entschärft wird.

Die politische Kurskorrektur ist zu begrüßen. Leider findet die Kommission aber nicht die Kraft zum Befreiungsschlag und hebt die Offenlegungsverordnung nicht komplett auf.

Nachdem das EU-Parlament in der Vergangenheit mit konservativer Mehrheit mehrfach zum Ausdruck gebracht hat, beim Green Deal der EU-Kommission nicht mehr zu folgen, blieb dieser nichts anderes übrig, als beizudrehen.

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