Die Belastungen in der Pflegeversicherung nehmen spürbar zu. Höhere Beiträge, steigende Eigenanteile und defizitäre Pflegekassen setzen das System unter Druck. Für Wiltrud Pekarek, Vorständin und Vorsitzende des Ausschusses Krankenversicherung der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV), ist klar: „Die Pflegekosten laufen völlig aus dem Ruder. Wir müssen diese in den Griff bekommen und Eigenverantwortung fördern. Kostenkontrolle und eine zusätzliche kapitalgedeckte Absicherung sind daher unerlässlich.“
Ein zentrales Problem sieht Pekarek in einem verbreiteten Missverständnis: Viele Menschen gingen nach wie vor davon aus, dass die gesetzliche Pflegeversicherung sämtliche Leistungen abdecke. Tatsächlich handelt es sich jedoch um ein Teilkaskosystem – ein erheblicher Teil der Pflegekosten muss also privat getragen werden. Die Folge: Immer mehr Pflegebedürftige und ihre Angehörigen sehen sich mit hohen finanziellen Belastungen konfrontiert.
Gleichzeitig sei die Kostenentwicklung auch politisch mitverursacht, etwa durch die Ausweitung des Leistungsumfangs und die Erweiterung des Anspruchskreises in den vergangenen Jahren. So habe insbesondere die Neudefinition des Pflegebedürftigkeitsbegriffs im Jahr 2017 zu einem deutlichen Anstieg der Anspruchsberechtigten und damit der Ausgaben geführt.
Angesichts des demografischen Wandels mit einer alternden Bevölkerung und einer rückläufigen Zahl an Erwerbstätigen verschärft sich das Problem zusätzlich. Die umlagefinanzierte Pflegeversicherung steht damit vor strukturellen Herausforderungen, denen aus Sicht der DAV nur mit einer stärkeren Kapitaldeckung zu begegnen ist.
„Wir müssen also unter anderem die politischen Rahmenbedingungen schaffen, um es den Menschen zu ermöglichen, privat für ihre Pflegeabsicherung vorzusorgen, wofür eine weitreichende Durchdringung zusätzlicher kapitalgedeckter privater Absicherung erforderlich ist“, betont Pekarek. Dafür brauche es nicht nur passende Produkte, sondern auch gezielte Anreize und Fördermaßnahmen. Nur so lasse sich vermeiden, dass sich künftig immer mehr Menschen die nötige Pflege nicht mehr leisten könnten.
Neben dem Ausbau privater Vorsorge sieht Pekarek jedoch auch akuten Handlungsbedarf bei der Ausgabenseite. Leistungsausweitungen müssten kritisch hinterfragt und stärker priorisiert werden. „Nicht alle vorgesehenen Leistungen haben die gleiche Relevanz in der Pflegeversorgung“, warnt sie. Ziel müsse es sein, Pflege würdig und bedarfsgerecht zu gestalten – ohne das System finanziell zu überlasten.