Profi-Golferin Leonie Harm: „Ein unfassbar cooler Abschnitt in meinem Leben“

Leonie Harm
Foto: Frank Föhlinger
Profi-Golferin Leonie Harm auf dem Amundi German Masters in Potsdam

Am vergangenen Wochenende fand das Amundi German Masters auf der Golfanlage Seddiner See in der Nähe von Potsdam statt. Cash.-Chefredakteur Frank Milewski sprach mit Profi-Golferin Leonie Harm über Damen-Golf in Europa, die Herausforderungen Golfsport als Beruf und das Thema Altersvorsorge.

Profi-Golfsport für Damen in Europa ist durchaus herausfordernd. Welche Faktoren sprechen dafür, sich dennoch entsprechend zu engagieren?

Leonie: Die Ladies European Tour hat sich in den letzten Jahren sehr stark entwickelt. Natürlich ist die LPGA in den USA nach wie vor die Top-Tour, für die man aber auch unfassbar gut spielen muss, will man sich dort langfristig etablieren. Aber auch die Turniere in Europa sind mittlerweile gut besetzt und es lassen sich wertvolle Weltranglisten-Punkte sammeln. (siehe hierzu auch das Video-Interview mit Leonie Harm)

Wie sieht dein beruflicher Alltag aus, wie viel Energie rauben beispielsweise administrative Aufgaben?

Leonie: Der Alltag variiert natürlich sehr stark, je nachdem, was gerade auf dem Programm steht. Eine Turnierwoche ist komplett anders gestaltet als eine Trainingswoche, und man versucht natürlich, die meiste Organisation in der Trainingswoche zu bewältigen. Es passiert dann manchmal natürlich doch, dass es aufgeht und man muss Flüge noch anders buchen. Ich habe aber den enormen Luxus, dass mein Vater Steuerberater ist und sich um meine Finanzen kümmern kann. Außerdem habe ich ein Management-Team in St. Leon-Rot, das sich komplett um meine ganze Planung und Buchung usw. kümmert, so dass ich mich selbst nicht vor den Computer setzen muss. Tatsächlich besitze ich momentan auch gar keinen Computer. Ist aber ein Punkt, der sich bald ändern soll, damit ich ein bisschen selbstständiger werde. Mein aktuelles Setup ist aber auf jeden Fall eine riesige Erleichterung. Ich sehe viele Spielerinnen um mich herum, die sich in den Wochen, wo es hektischer wird, immer auch noch damit beschäftigen müssen, wie sie von A nach B kommen und wo sie übernachten. Dabei verlieren sie viel Zeit und Energie – vor allem sehr viel psychische Energie, und genau die brauchen wir ja maximal auf dem Golfplatz, um unsere beste Leistung abrufen zu können.

Das heißt, die Budgetplanung für diese Dinge wird auch von deinem Vater erledigt?

Leonie: Budget ist ein starkes Wort. Es geht da eher um meine Ausgaben und die ganzen Steuern, die man ja dann schon vor Ort gezahlt hat. Es ist superkompliziert, und ich bekomme oft ganz lange WhatsApp-Nachrichten von meinem Vater, in denen er mir alles en détail erklärt, ich aber trotzdem nur Bahnhof verstehe. Das unterschätzt man sehr. Das Geld, das man am Ende der Woche verdient, klingt erst mal ganz vielversprechend. Aber die Kosten sind natürlich auch sehr hoch, je nachdem, wo wir hinreisen müssen und welche Steuersätze dort gelten. Deshalb ist es gut, dass ich meinen Kopf nicht 24/7 um solche Zahlen kreisen lassen muss, sondern dass ich eine Person habe, der ich vertraue, die mich kennt und der ich problemlos Zugriff auf meine Finanzen gebe.  

Gibt es aus deiner Kenntnis heraus wirklich Spielerinnen, die das im Selbstmanagement machen?

Leonie: Also ich würde es auf jeden Fall nicht schaffen. Ich habe aber auch diesbezüglich keine Ausbildung. Ich könnte mir vorstellen, dass es Menschen mit entsprechender Vorbildung gibt, denen es leichter fällt. Aber ich denke auf jeden Fall, dass zumindest mal ein Steuerberater sehr hilfreich ist, um das sehr komplexe Steuerthema zu bewältigen. Generell ist Unterstützung bei der Reiseplanung gut. Manche Spielerinnen glauben, sie seien da selbst effizienter. Das ist mir aber tatsächlich egal. Mir fällt vieles leichter, wenn jemand anders die Entscheidung für mich trifft. Jeder Mensch denkt vermutlich über diesen Bereich ein bisschen anders.

Das heißt, selbst als Spielerin ist man eigentlich eine kleine Unternehmerin.

Leonie: Ja, genau, man ist quasi der CEO seiner eigenen Firma und muss auf jeden Fall schauen, dass man die Finanzen einigermaßen sinnvoll einsetzt. Es ist eben diese Balance. Man kann so luxuriös wie möglich reisen, um dann bestmöglich erholt am Turnierort anzukommen. Andererseits ist das natürlich auch sehr teuer, und dann muss man sehr gut spielen, um diese Kosten wieder reinzuholen. Hier eine Balance zu finden, fällt nicht jeder Spielerin leicht. Es gibt zum Beispiel Spielerinnen, die sehr, sehr gerne Hotelzimmer und Mietwagen teilen, um Kosten zu sparen. Für mich persönlich ist das gar nichts. Es gibt ungefähr eine Person auf dieser Tour, mit der ich gerne ein Zimmer teile, sonst ist mir das zu anstrengend, einfach, weil ich introvertiert bin, sobald ich den Golfplatz verlasse, und dann zu viel Energie verliere, wenn ich mich noch nach jemand anderem richten müsste. Das wird dann natürlich für mich langfristig teuer, immer Einzelzimmer zu buchen. Aber ich habe die Gewissheit, dass das mir die beste Chance gibt, besser Golf zu spielen, was dann auf der anderen Seite im Idealfall mehr Geld in meine Kasse spült. Natürlich weiß man am Anfang der Saison nicht, was am Ende der Saison dabei herauskommt. Zum Beispiel habe ich mich dieses Jahr für diese Saison so bereit gefühlt wie noch nie, und dann habe ich eine allergische Reaktion auf eine verschriebene Medizin bekommen, die ich nicht erwartet habe. Ich habe Monate gebraucht, um mich davon zu erholen und hatte einen unfassbar schlechten Start zur Saison, was eine sehr belastende Phase im Leben ist, sowohl finanziell als auch gesundheitlich. Andererseits denke ich, es darf nicht nur ums Geld gehen. Es muss auch die sportliche Entwicklung im Fokus stehen, aber am Ende des Tages ist es unser Job. Dann sinnvoll mit unseren Finanzen umzugehen, ist sicherlich wichtig.

Denkt man in diesem Gesamtkontext dann auch als Spielerin in so jungen Jahren schon an Vorsorge fürs Alter?

Leonie: Insbesondere als es mir gesundheitlich nicht gut ging, habe ich mich oft gefragt: Warum mache ich das eigentlich überhaupt alles? Und wie lange schaffe ich das noch, das alles zu machen? Und was kommt danach? Ich habe einen Bachelor in Biochemie, und ich plane, das auch zu nutzen, sobald ich mit dem Golfsport als Profi aufhöre. Es ist immer wichtig, einen sicheren Plan B zu haben, der einen im Zweifelsfall auffängt. Ich selber zahle auch schon in eine private Altersvorsorge ein, denn ich weiß ja nicht, in welchem Beruf ich schlussendlich landen werde. Man braucht immer mal wieder einen realistischen Blick in den Spiegel, um zu sehen, wie man seine Ressourcen so einsetzt, dass man langfristig finanziell und gesundheitlich gut dasteht.

Noch einmal zurück zum Profi-Golfsport. Wie wichtig sind große internationale Sponsoren wie beispielsweise Amundi, die wie zuletzt in Potsdam mit dem Amundi German Masters auch Turniere hierzulande aufsetzen?

Leonie: Es ist sehr wichtig, schließlich könnten wir ohne Sponsoren und deren Glauben in unsere Fähigkeiten und unsere Leistungsbereitschaft gar nichts machen. Deshalb sind wir sehr dankbar, dass Turniere wie das Amundi German Masters uns die Bühne geben, um zu zeigen, dass Frauen-Golf sehr attraktiv ist, so dass wir die Chance haben, Golf zu unserem Beruf zu machen.

Letzte Frage:  Du bist 2020 Golf-Profi geworden. Mit dem Wissen von heute: Würdest du den Schritt noch einmal so gehen?

Leonie: Ja, würde ich, weil ich glaube, dass es gerade ein unfassbar cooler Abschnitt in meinem Leben ist. Ich lerne viele Menschen kennen, komme in Kontakt mit vielen unterschiedlichen Kulturen, mache die Erfahrung, mein eigener Chef zu sein, was die beste und die schlechteste Erfahrung gleichzeitig sein kann [lacht]. Und ich glaube, dass selbst, wenn ich irgendwann einmal entscheiden sollte, nicht mehr Golf spielen zu wollen, hat mich diese Zeit trotzdem menschlich weitergebracht. Mit dem Hintergrund einer Leistungssportlerin bin ich gut vorbereitet, wenn ich irgendwann in einen „normalen“ Beruf wechsle. Ich denke, ich lerne jetzt viel, was mich auch in einem normalen Beruf weiter nach vorne bringen wird.

Interview: Frank O. Milewski, Cash.

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