Die Royal Institution of Chartered Surveyors (RICS) legt ihren Nachhaltigkeitsbericht 2025 vor und beschreibt eine globale Entwicklung, die hinter den Erwartungen zurückbleibt. Zwar steigt das Bewusstsein für Klimarisiken weiter, doch die Dynamik beim nachhaltigen Bauen nimmt ab. Der Sustainable Building Index sinkt von plus 41 auf plus 30 und damit auf den niedrigsten Wert seit mehreren Jahren. Wirtschaftliche Unsicherheiten, heterogene Regulierung und hohe Baukosten bremsen vielerorts den Fortschritt. Besonders gravierend ist, dass weltweit fast die Hälfte der Befragten CO₂-Emissionen in Projekten nicht erfasst.
In der Region Amerika zeigt sich der deutlichste Rückgang. Dort fällt der Index auf plus elf. Veränderungen in der Politik, fehlende Anreize und eine schwache Nutzernachfrage im Gewerbesegment dämpfen die Entwicklung. In der Region Asien-Pazifik bleibt das Nachhaltigkeitsbewusstsein zwar hoch, die Umsetzung kommt jedoch nur langsam voran. Lebenszyklusmessungen spielen eine geringere Rolle als in anderen Regionen.
Die Region Middle East und Afrika bildet eine Ausnahme. Mit einem Indexwert von plus 52 wächst die Nachfrage. Der Ausbau klimawiderstandsfähiger Infrastruktur und der Druck zur Reduktion fossiler Abhängigkeiten treiben die Entwicklung. Allerdings bestehen große Wissenslücken in der nachhaltigen Baupraxis.
Europa bleibt ein Vorreiter, verliert jedoch an Tempo. Politische Leitplanken wie Taxonomie, EPBD und Emissionshandel setzen internationale Standards, doch der Sustainable Building Index sinkt von plus 63 auf plus 39. Steigende Kosten, komplexe Regulierung und der Mangel an Fachkräften verlangsamen die Umsetzung. Resilienzbewertungen und CO₂-Messungen werden seltener vorgenommen als erwartet. Dagegen ist die Integration zirkulärer Prinzipien stärker verankert. Rund ein Viertel der Befragten nennt die Kreislaufwirtschaft als zentrale Priorität.
Deutschland folgt europäischer Entwicklung
In Deutschland bleibt die Nachfrage nach nachhaltigen Gebäuden positiv. Nutzer und Investoren berichten überwiegend von steigenden oder stabilen Bedarfen. Der Sustainable Building Index liegt bei plus 37 und damit im europäischen Trend. Energieeffizienz bleibt das dominierende Kriterium: 90 Prozent der Investoren und mehr als 80 Prozent der Nutzer bewerten sie als zentral. Erneuerbare Energien spielen ebenfalls eine große Rolle. Nutzer gewichten zudem den Innenraumkomfort stark, während Investoren der Klimaanpassung eine hohe Bedeutung beimessen.
Investitionshemmnisse bestehen vor allem in hohen Anfangskosten und Unsicherheiten beim wirtschaftlichen Mehrwert nachhaltiger Maßnahmen. Fehlende staatliche Anreize, komplexe Entscheidungsstrukturen und unklare Standards wirken ebenfalls bremsend. Eine fehlende Nachfrage gilt nur für eine Minderheit als Hindernis.
Resilienz bleibt nachrangig
Beim Thema Klimaanpassung zeigt sich in Deutschland ein uneinheitliches Bild. Ein Drittel der Befragten bewertet Resilienz als wichtig, ein ähnlich großer Anteil bleibt neutral, während rund ein Drittel die Bedeutung geringer einschätzt. Damit bleibt das Thema hinter etablierten Nachhaltigkeitsfeldern zurück. Deutlich höher priorisiert ist dagegen die Sicherstellung von Energieeffizienz und geringen operativen Emissionen, auch wenn die Zustimmung nicht einhellig ist.
Die RICS formuliert sechs politische Empfehlungen, darunter nationale Dekarbonisierungspfade, verpflichtende Lebenszyklusmessungen und verbindliche Emissionsgrenzen. Zudem sollen Finanzierungsmechanismen erweitert und internationale Standards gestärkt werden. Ziel ist es, den strukturellen Wandel in allen Regionen zu beschleunigen.
„Der Druck bleibt unverändert hoch“
Susanne Eickermann-Riepe, Vorsitzende des RICS European World Regional Board (EWRB), erklärt: „Trotz des weltweit steigenden Bewusstseins für Klimarisiken, dem steigenden regulatorischen Druck und der ungebremsten Nachfrage für nachhaltige Gebäude fällt der RICS Sustainable Building Index deutlich. Ursachen liegen in wirtschaftlichen und politischen Unsicherheiten, aber auch fehlenden Anreizen und Steuerungsmechanismen. CO2-Emissionen zu messen, ist nur bei rund der Hälfte der Befragten ein Thema und Biodiversität und Resilienz scheinen in Europa auf Ablehnung zu stoßen. Während Zertifizierungen weiterhin einen hohen Stellenwert haben bleibt Energieeffizienz der wesentliche Maßstab. Trotzdem verliert Europa an Dynamik. Eine Aufgabe für die politische Willensbildung und entsprechende Maßnahmen zur Unterstützung des Transformationswillens der Branche.“
Jens Böhnlein, Vorstandsvorsitzender der RICS Deutschland, ergänzt: „Das derzeitige Marktumfeld lässt den Fokus von ESG zwar abrücken, doch hat sich das regulatorische Umfeld – insbesondere aus Bankenperspektive – nur graduell verändert. Der Druck bleibt unverändert hoch. Die Erhebung zeigt zudem, dass die Perspektiven der verschiedenen Marktteilnehmer zum Teil deutlich auseinandergehen. Eine stärkere Ausdifferenzierung und klare Priorisierung ESG-bezogener Maßnahmen wird daher immer wichtiger. Gleichzeitig rücken die ´Total Cost of Ownership´ wieder stärker in den Vordergrund: Anstelle einer isolierten ESG-Betrachtung gewinnt der ganzheitliche Blick auf Wirtschaftlichkeit, Lebenszykluskosten und Nachhaltigkeit an Bedeutung.“












