Roundtable EXTRA Betriebliche Vorsorge: „Der Mittelstand ist der spannende Bereich“ 

Foto: Florian Sonntag
Die Diskussionsteilnehmer von links: Frank Lamsfuß, Barmenia Versicherungen, Vorstand Vertrieb, Marketing, IT-Services; Alexandra Markovic-Sobau, Hallesche Krankenversicherung, Zentralbereichsleiterin Vertrieb; Eric Bussert, HanseMerkur, Vorstand Vertrieb und Marketing; Karsten Rehfeldt, BBVS Beratungsgesellschaft für betriebliche Vorsorgesysteme, Geschäftsführer

Die bKV gehörte 2022 zu den Wachstumsfeldern in der betrieblichen Vorsorge. Cash. diskutierte mit Frank Lamsfuß, Alexandra Markovic-Sobau, Eric Bussert und Karsten Rehfeldt über Budgets, Bausteine, Bremsklötze und Vertriebschancen sowie die Rolle eines guten Social-Media-Auftritts.

Die betriebliche Krankenversicherung hatte im vergangenen Jahr teils Zuwachsraten im zweistelligen Prozentbereich. Wie haben sich der Ukraine-Krieg und die Verwerfungen, die er verursacht hat, bei Ihnen niedergeschlagen? 

Markovic-Sobau: Natürlich hat die Krise Auswirkungen auf die Unternehmen. Aber in dem Kontext haben wir kaum etwas verspürt. Warum? Weil der Markt groß ist und die Nachfrage ebenso. Zudem haben wir vertriebsseitig Unternehmen im Fokus, die trotz Krise wachsen. Die bKV ist noch so jung und noch nicht im Markt durchgedrungen. Da ist es ein Leichtes, genug Firmen zu akquirieren, die Bedarf haben.

Lamsfuß: Ich glaube, das ist der Punkt. Wir sehen hier einen Markt, der sich gerade bildet. Deswegen glaube ich, dass es ausreichend viele Unternehmen gibt, die Interesse an einer bKV haben und das Instrument einsetzen. Für uns als Versicherer ist es wichtig, vorn mit dabei zu sein und einen Anteil an dieser Entwicklung zu haben. Und es ist wichtig, diese Entwicklung voranzutreiben, damit sich das in den Folgejahren auch entsprechend weiterentwickeln kann. 2022 war im Bezug auf die bKV schon das erfolgreichste Jahr für uns, wenn man einen gewissen Sondereffekt jetzt mal unberücksichtigt lässt, weil wir ja mit CareFlex 2021 ein Einmalereignis hatten. Die reine betriebliche Krankenversicherung war ein Rekordgeschäft.

Bussert: Die betriebliche Krankenversicherung entwickelt sich auch bei uns sehr gut, wir sehen eine erhebliche Nachfrage. Ich glaube, die Krisen, die wir derzeit erleben, haben natürlich erhebliche Auswirkungen, auch wirtschaftlich. Aber es gibt ja nicht nur Verlierer, sondern auch viele Gewinner. Letztendlich kämpfen alle Unternehmen um die knappe Ressource, die hochqualifizierten Mitarbeiter. Und da ist natürlich die bKV genauso wie die betriebliche Altersvorsorge und die betriebliche Pflege ein echtes Add-on, das mich im Markt der Recruiter unterscheidet. Das ist ein sehr relevantes Thema. 

„Natürlich hat die Krise Auswirkungen. Aber in dem Kontext haben wir kaum etwas verspürt.“ Foto: Florian Sonntag

Herr Rehfeldt, was erleben Sie als Experte für betriebliche Vorsorgelösungen vor Ort?

Rehfeldt: Das Thema bKV gibt es bereits seit mehr als zehn Jahren. Es gibt aber eine Reihe von Faktoren, die dafür gesorgt haben, dass die bKV ausgerechnet 2021 und 2022 so geboomt hat. Das hat einerseits steuerliche Gründe. So hat der Gesetzgeber klargestellt, dass die betriebliche Krankenversicherung ein Sachbezug ist. Das hat es in der Praxis einfacher gemacht hat, mit dem Arbeitgeber darüber zu sprechen. Hinzu kommt, dass die bAV durch die vielen Gesetzesänderungen immer komplexer geworden ist. Eine bKV ist dagegen ein einfaches Thema. Hinzu kommt: Die Pandemie hat den Fachkräftemangel noch einmal verstärkt. Die Firmen suchen händeringend nach Mitteln, um Mitarbeiter zu binden und neue zu finden.

Wie schwierig ist es vor dem Hintergrund des Krieges und der hohen Energiepreise derzeit, auf Unternehmen zuzugehen? 

Bussert: Die bKV ist ein sehr langfristiges Geschäftsmodell und mit dem Privatkundengeschäft nicht vergleichbar. Sie haben eine lange Beratungs- und Akquisitionsphase, bis zum Abschluss sind oft viele Gremien beteiligt. Es macht schon einen Unterschied, ob Sie über das Management hineinkommen, über den Betriebsrat oder die Gewerkschaft. Und da hängt es dann doch sehr stark davon ab, was für die Unternehmen relevant ist. Wir haben 2022 festgestellt, dass aufgrund der hohen Inflation bei vielen Unternehmen das Thema bKV nach hinten getreten ist. Es ging weniger um die gesundheitliche Absicherung, sondern eher darum, mit Lohnsteigerungen der Inflation auch Rechnung zu tragen. Und das dürfte sich 2023 vermutlich fortsetzen. 

Markovic-Sobau: Die Energiekrise ist eine indirekte Folgedes Ukraine-Krieges. Und er ist die Ursache, warum viele Unternehmen eine neue Kostensituation haben. Unter dem Aspekt kommen fast alle mitarbeiterorientierten Instrumente auf den Prüfstand. Ich glaube, wir werden im kommenden Jahr Unternehmen sehen, die Kostenprogramme fahren und dort werden auch Entlassungen ins Haus stehen.

Lamsfuß: Ich glaube, dass andere Tendenzen für die Unternehmen eine nicht minder wichtige Rolle spielen dürften. Wie gehe ich mit der neuen Art von Arbeit um? Wie finde ich die richtigen Mitarbeiter für das eigene Haus? Wie schaffe ich eine Heimat für diese Mitarbeitenden und vermeide am Ende auch Kündigungen seitens der Beschäftigten? Und da ist die bKV ein ganz wichtiges Instrument. Weil sie eben kein Tankgutschein ist, sondern auf Gesundheit einzahlt. Es gibt viele Unternehmen und Branchen, wo diese Entwicklung vorherrscht und die inflationären Entwicklungen und die Kostenfrage eher in den Hintergrund rücken. Kosten wirken kurzfristig. Wenn ich im Unternehmen die Kosten drücke, bin ich vielleicht für den kommenden Aufschwung nicht gut genug aufgestellt. Ich glaube, wir werden beides sehen. Firmen, die Hilfe brauchen in der bestehenden Versorgung der Mitarbeiter. Aber es wird genauso die Unternehmen geben, die sagen: „Ich tue gerade jetzt etwas Gutes für meine Mitarbeiter.“ Und dann sollten wir als Branche da sein.

Die Nachfrage nach der betrieblichen Krankenversicherung ist 2022 weiter gestiegen. Allerdings ist die bKV noch nicht in die breite Masse des Mittelstandes vorgedrungen. Wo hakt es?

Bussert: Das betriebliche Geschäft ist immer noch eines, das mehr und andere Kompetenzen erfordert. Wir erleben das häufiger und auch nicht nur bei Maklern, sondern auch bei AO-Vermittlern. Natürlich ist es ein langfristiges Geschäft, das Zeit benötigt, bis Ertrag generiert wird. Aber ich habe schon viele Vermittler, die sich in dem Geschäftsmodell spezialisiert haben, „verhungern“ sehen. Die auf den großen Abschluss gehofft hatten und lange im Gespräch mit der Unternehmensleitung waren und die dann sagt: Wir machen das jetzt gar nicht und würden gerne in zwei Jahren wieder darüber sprechen.“ Und auf einmal ist der Umsatz eines Jahres weg. Vertrieblich ist es nicht so trivial. Gerade für den einzelnen Vermittler.  

Rehfeldt: Wir als Apella haben vielleicht zehn Prozent der Vermittler, die im Firmenkundengeschäft in der bAV unterwegs sind. Seit 2002 gibt es den Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung. Jetzt im Jahr 2023, also 21 Jahre später liegen wir bei 50 Prozent Durchdringung am Markt. Wenn wir dies in zehn Jahren in der bKV erreichen würden, wäre das eine großartige Sache. Das liegt auch an der Vermittlerschaft. Andererseits ist das Thema arbeitsrechtlich anspruchsvoll. Wir reden bei der bKV über eine arbeitsrechtliche Zusage, die ordentlich abgebildet werden muss. Die Unternehmen, Arbeitgeber, Personaler und Mitarbeiter müssen wissen, was da passiert. Und auch im Steuerrecht gibt es den einen oder anderen Stolperstein.

„Es ist nicht so trivial, wie man vermutet. Das ist sicher ein Hemmnis für den einen oder anderen Vermittler.“ Foto: Florian Sonntag

Welche wären das?

Rehfeldt: Sie haben vier unterschiedliche Arten der Besteuerung in der bKV. Und wenn ich sage, es ist ein Sachbezug, dann muss ich natürlich im Unternehmen schon schauen: Gibt es Sachbezüge? Und dann kann ich auch eine bKV nicht auf 49 Euro ausreizen. Denn dann kommt ein Prüfer und sagt: „Kostenlose Getränke setzen wir mit zwei Euro an“, dann sind bei der nächsten Prüfung vier Jahre Steuer- und Sozialversicherungsbeiträge nachzuzahlen. Also es ist nicht so trivial, wie man vermutet. Und sicher ist das ein Hemmnis für den einen oder anderen Vermittler.

Stichwort Pflege. Berechnungen zeigen, dass die Zahl der Pflegebedürftigen bereits Ende des Jahrzehnts deutlich höher sein wird, als erwartet. Die Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung reichen bei weitem nicht aus. Bräuchten wir nicht eine betriebliche Pflegeversicherung?

Rehfeldt: Eine obligatorische, tatsächlich. Zudem muss der Beitrag vor allem sozialversicherungsfrei sein.

Markovic-Sobau: Ja. Und wir müssen zurückkehren zu der Selbstverantwortung, der Eigenverantwortung, also dem Subsidiaritätsprinzip.

Bussert: Aber dafür müssen Anreize geschaffen werden. Denn von allein passiert leider nichts.

Lamsfuß: Ich glaube schon, dass wir gerade beim Thema Pflege ein mehrstufiges Verfahren brauchen. Ich bin ein Mensch, der Freiheit liebt und der immer auf die Eigenverantwortung von Menschen setzt.  Ich glaube es wäre falsch, wenn man der Bevölkerung hier die Eigenverantwortung entzieht. Trotzdem können auch wir als Versicherungswirtschaft nicht negieren, dass es einen bestimmten Problembereich gibt, den Sie einzelvertraglich mit heutigen Mechanismen nicht lösen können. Die Pflege ist nicht nur ein Problem, was die Zukunft der heutigen Jugend betrifft. Die Pflege ist ein Problem, das jetzt schon vor der Tür steht. Da gibt es Alterskohorten, für die wir realistisch heute keine privatwirtschaftliche Lösung ohne besondere Kollektive oder ein besonderes Rahmenwerk anbieten können, auch nicht in der erforderlichen Durchdringung. Deswegen bin ich schon ein Freund davon, zu überlegen, ob wir nicht Best Practices aus anderen Bereichen haben wie in der bAV und sie dorthin übertragen. 

„Wir werden mit unserem Tarif Krebs Scan wachsen. In der betrieblichen Umsetzung rennen wir damit offene Türen ein.“ Foto: Florian Sonntag

Wir sehen, dass immer mehr Budgettarife in den Markt gebracht werden. Wir sehen aber auch Anbieter mit Bausteintarifen. Welche sind die Favoriten? 

Lamsfuß: Es sind die Budgettarife. Und es ist Zahnzusatzversicherung. Leider werden sie zu selten mit echten Leistungen wie zum Beispiel stationären Bausteinen kombiniert. Das würden wir uns wünschen, dass das in der Beratung mehr Raum erhält. Die Budget-tarife sind schon wichtig, weil sie die Bedürfnisse der Mitarbeiter adressieren und sehr flexibel sind. Die anderen Bausteine konkurrieren eventuell mit schon bestehenden Versorgungsverträgen und man erreicht auch nicht die komplette Belegschaft. Das ist der große Vorteil der Budgettarife.

Markovic-Sobau: Ich kann das nur bestätigen. Wir versuchen Innovation in das Produkt hineinzubringen. So haben wir in unseren Feelfree Up einen Aspekt integriert, der der Versichererlogik eigentlich widerspricht. Wir belohnen die Inanspruchnahme. Derjenige, der sein Budget ausgeschöpft hat, kann sicher gehen, dass sich sein Budget nächstes Jahr erhöht. Das dient auch der Unterstützung der innerbetrieblichen Kommunikation. Dass der Nutzer sagt: „Doch, das ist nützlich. Ich habe das Budget aufgebraucht“, wenn jemand anders sagt: „Was soll ich denn damit machen?“ Persönlich plädiere ich klar für die Budgettarife: Egal ob jung oder alt, frisch abgeschlossen oder lang dabei, männlich oder weiblich – ein Budgettarif ist eine sehr gute Lösung für fast alle Zielgruppen. Weil sie sich an Leistungen heraussuchen können, was ihnen gefällt. 

Bussert: Wir beraten sehr stark auch im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements und kommen über die Vorsorge und Prävention. Insofern sind wir mit Bausteinen unterwegs, die diese Themen entsprechend abdecken. Deswegen passt das Thema Budgettarif gar nicht so sehr in unsere Vorgehensweise. Ich will nicht ausschließen, dass Budgettarife für uns ein Thema werden könnten. Aber ich glaube, wir fahren mit den Bausteintarifen sehr gut. Unser Ansatz ist: Was sind die Themen, die wir besonders gut beherrschen? Wo haben wir echte Wettbewerbsvorteile? Wo kann ich mich auch mit einem großen Kundennutzen positionieren und das auch noch in einem vernünftigen Preis-Leistungs-Verhältnis darstellen? 

Rehfeldt: Ich bin 100-prozentig bei Ihnen und polarisiere jetzt ganz bewusst: Für mich ist ein Budgettarif keine betriebliche Krankenversicherung. Das ist etwas, was leider mit dem 50-Euro-Tankgutschein wetteifert. Für mich ist eine bKV ein Tarif, der dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer nützt. Da ist das Zweibettzimmer, der Chefarzt-Tarif. Weil der Arbeitnehmer sich das Krankenhaus aussuchen kann und das Knie bei dem operieren lässt, der es täglich macht und nicht einmal im Jahr. Und es sind die Vorsorgetarife. Trotz alledem finde ich die Budgettarife klasse. Denn sie sind ein super Einstieg in das Beratungsgespräch. Für für mich ist ein guter Tarif in der bKV der Tarif, der dem Arbeitgeber nützt. Nehmen wir den Feelcare der Halleschen. Dort wird dem Arbeitnehmer geholfen, wenn er pflegebedürftige Angehörige hat. Das ist ein ganz anderer Ansatz, als ein Pflegetagegeld für den Arbeitnehmer zahlen. Denn die meisten Arbeitnehmer werden dann pflegebedürftig, wenn sie nicht mehr Arbeitnehmer sind. Oder der CareFlex der Barmenia. Hier geht es um die Aufstockung für Angehörige über einen Gruppentarif. Das ist eigentlich das Interessante. Hier müsste viel mehr von anderen Gesellschaften kommen. Weil wir damit letztendlich eine Entlastung der gesetzlichen Krankenversicherung schaffen.

Leider setzen sich bislang zu wenige und vor allem nur spezialisierte Vermittler mit der bKV auseinander. Braucht es hier neue Ansätze?

Markovic-Sobau: Ich würde nicht ganz zustimmen. Aus der Erfahrung bei der Hallesche weiß ich, dass das Spektrum breiter ist. Aber ist es flächendeckend im Vertrieb? Das auf keinen Fall. Ein wichtiger Aspekt ist, dass die bKV ein Longterm-Geschäft ist, ein Vertriebsmarathon, bei dem viel Zeit investiert werden muss. Hinzu kommt: Die Makler müssen bereit sein, sich das Wissen anzueignen und zu beherrschen. Oft gab es Hemmnisse. Aber wenn das Eis gebrochen ist, wird die betriebliche Vorsorge zum Selbstläufer. Wir haben Partner, die in der Lage sind, ein paar Hundert Verträge im Jahr zu schreiben und dies auch tun. Das gibt es, ist aber selten.

Lamsfuß: Es ist ein langwieriges Geschäft. Ich glaube, dass viele immer nur auf die Eisberge schauen: Ein DAX-Unternehmen mit 5.000 Mitarbeitern und zehn Zweigstellen. Da sitzen wir mit einer Menge Stakeholdern am Tisch. Ich habe konkurrierende Situationen, die dazu führen, dass der Deal platzt. Wir haben aber auch bKV-Abschlüsse, die in einer Woche über die Bühne gehen. Das sind dann kleinere mittelständische Unternehmen in Familienhand, wo der Inhaber die Entscheidung trifft. Hier sind Ansprache und Zielgruppe eine andere. Ich habe ein B2B-Geschäft, was ich an das „C“ verkaufe, also am Ende ein B2B2C. Ich kann aber nicht über eine normale Krankenergänzungsstory verkaufen, sondern muss den Arbeitgeber anders ansprechen. Weil er einen anderen Benefit erwartet, als die reine Gesundheitsleistung, die der Arbeitnehmer sich davon verspricht. Das müssen Vermittler noch verstehen. Es ist ein bisschen vergleichbar mit einer Gewerbeversicherung. Dort haben wir die Industrie auf der einen Seite. Und auf der anderen Seite Gewerbeversicherungen, die so komplex sind wie eine Hausratversicherung. Und die werden mittlerweile auch komplett dunkel abgeschlossen. Und so ähnlich ist das in der bKV auch. Ich habe Betriebe mit 20 oder 25 Beschäftigen, die ich relativ schlank beraten kann. Und ich habe Großbetriebe mit Gewerkschaften, mit Betriebsvereinbarungen, mit Controlling- und HR-Abteilung am Tisch. In der bKV erleben wir im Moment eine spannende Reise, die Potenziale zu erkennen und punktgenau zu unterstützen. Ich glaube felsenfest dran, dass wir in drei Jahren ganz anders auf den Markt schauen als heute.

Bussert: Was Frank Lamsfuß sagt ist grundsätzlich richtig. Der B2B-Ansatz ist natürlich nicht B2B unique. Sondern das „B“ ist sehr unterschiedlich ausgeprägt. Ich glaube, das ist aber auch sehr stark dem geschuldet, dass bei den betrieblichen Lösungen viele immer an Großkunden, größere Mittelständler oder Dax-Unternehmen denken, bei denen, wenn die bKV dort installiert wird, man auf einmal ganz andere Größenordnungen hat. Dann spricht man nicht mehr über 100 oder 1.000, sondern über 10.000 oder 100.000 oder 250.000 neu zu Versichernde. Das ist eine andere Liga. Wir haben zum Beispiel jetzt mit dem Krebs-Scan allein in der letzten Woche drei Unternehmenskunden gewonnen. Jeweils innerhalb von zwei Gesprächen. Das waren kleinere Unternehmen mit 30 bis 50 Mitarbeitern.  

Lamsfuß: Was man den Maklern zurufen muss: Du bist Unternehmer, und dieses Einhorn ist immer schön, aber laufe dem nicht hinterher. Wir bekommen Anfragen zu großen Unternehmen mit fünfstelliger Anzahl von Mitarbeitern. Erstaunlicherweise kommt die Anfrage dreimal aus verschiedensten Kanälen von verschiedensten Maklern. Und jeder steht gerade vor dem Abschluss. Ich glaube, wenn man sich seriös damit beschäftigt, sind die kleinen Abschlüsse viel spannender für die Makler. Die großen Unternehmen machen Ausschreibungen. Und haben große Industriemakler dabei. Die mittelständischen Unternehmen gehen andere Wege. Mein Appell: Lasst uns in der Branche nicht den Fehler der bAV wiederholen. Warum gibt es die Kritik an der bAV, den Vorwurf, sie sei gescheitert? Weil die kleinen Unternehmen sie nicht umsetzen. Die großen Unternehmen haben doch alle eine bAV-Lösung. Vertrieblich sind die Unternehmen total uninteressant, weil sie ihre Partner haben. Aber der gesamte Mittelstand, das ist doch der spannende Bereich. Und da haben wir in der bKV eine echte Chance. 

„Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass wir Ende 2023 wieder mehr Neugeschäft gemacht haben werden als 2022.“ Foto: Florian Sontnag

Welche Bedeutung spielen die sozialen Medien in der betrieblichen Krankenversicherung? 

Markovic-Sobau: Ich würde jedem Vertriebspartner, der eine bKV oder bAV berät, unbedingt einen professionellen Eigenauftritt in den sozialen Medien empfehlen. Wir treffen immer häufiger auf Personalchefs oder Geschäftsführer, die sind um die 30 Jahre alt. Diese Klientel googelt oder schaut sich Profile und Referenzen im Netz an. Schaut, wer zur Community gehört. Ich finde das sehr wichtig. Ich spreche jetzt weniger als Versicherer, sondern eher als jemand, der die Maklerschaft oder die Beraterschaft anspricht. Meine Botschaft an Vermittlerinnen und Vermittler: Dieser Auftritt in den sozialen Medien ist die heutige Visitenkarte und auch eine Referenz.

Rehfeldt: Die Leute, die in der bKV erfolgreich sind, haben einen ordentlichen Auftritt und sie bewerben das Thema. Sie stellen die bKV in den sozialen Medien in den Vordergrund. Ich mache seit über 30 Jahren bAV. Irgendwann habe ich festgestellt, dass die Geschäftsführer alle jünger sind als ich. An den sozialen Medien führt also kein Weg vorbei. Trotzdem ist es erklärungsbedürftig. Wir haben eine große Unwissenheit bei den Arbeitgebern. Ich habe noch keinen Arbeitgeber gefunden, der, wenn ich mit einem Makler zum Gespräch komme, und frage, ob er von der betrieblichen Krankenversicherung gehört hat, ja sagt. In 99 Prozent der Fälle bekomme ich die Rückfrage, ob ich eine zusätzliche Betriebskrankenkasse verkaufen möchte. Wenn ich dann erkläre, worum es in der bKV geht, ist die Gesprächsbereitschaft sofort da. Man hat sofort ein Kaufsignal. Deswegen ist es wichtig, in den sozialen Medien unterwegs zu sein. Mit YouTube-Videos ist es einfacher zu erklären. In der Tat würde ich es jedem Makler empfehlen. Doch nur zwei Prozent haben ihn.

Lamsfuß: Wir bespielen natürlich die Social-Media-Kanäle. Aber ich würde es jetzt nicht als Thema der bKV betiteln. Es gehört einfach in einen modernen Marketingmix. Jeder Vermittler, jede Maklerin, jeder Makler sollte in den Social Media-Kanälen vernünftig aufgestellt sein. Und ich glaube, dass es vielleicht im Firmenkundengeschäft Nuancen wichtiger sein könnte, weil die Anbieterauswahl ja auch auf der Kundenseite stattfindet. Das heißt, das ist ja in der Regel eine dokumentierte Anbieterauswahl. Und wo recherchiere ich Informationen über den bKV-Anbieter? Das mache ich online, und das mache ich auch in den Social-Media-Kanälen. Und wenn da der Auftritt des Vermittlers sehr professionell wirkt, dann wird das das Vertrauen noch mal untermauern.

Bussert: Wir erleben das jetzt auch bei einem Teil unserer Produkte, die wir über Influencer ins Schaufenster stellen. Es gibt einige, die haben eine halbe Million oder eine Million Follower. Damit kommen sie unfassbar schnell und sehr zielgenau in die Zielgruppen hinein. Hinzu kommt, dass sie nicht die zeitlichen Vorläufe haben, wie im TV oder Radio. Das ist schon interessant. Und natürlich brauchen Sie ihren Auftritt in den sozialen Medien, um sich zu positionieren und zu zeigen, wer Sie sind und mit wem sie verbunden sind. Die Dynamik nimmt jedes Jahr weiter zu. Ich finde die Entwicklung gigantisch. Vor fünf Jahren habe ich Influencer und ihren Einfluss eher belächelt. Heute muss man sagen, dass es unter Marketing-Aspekten ein ganz wesentlicher Kanal ist. 

Abschließende Frage: Der Ukraine-Krieg dürfte höchwahrscheinlich in diesem Jahr noch nicht enden und die Inflation wahrscheinlich weiter hoch bleiben. Und auch beim Thema hoher Energiepreise dürfte es für die Unternehmen vorerst keine Entwarnung geben. Welche Folgen haben die Entwicklungen für das bKV-Geschäft? Was erwarten Sie von diesem Jahr? 

Markovic-Sobau: Wir wollen die Früchte ernten. Wir sind im achten Jahr des Vertriebs der bKV, und in der Tat ist es so, dass – ich spreche gerne von einem Trichter – wir einfach in dem Trichter eine ganze Menge Leads und  Interessenten finden. Anbahnungen hat man früher gesagt. Ja, und ich glaube, das ist das Motto dieses Jahres: Die Anbahnungen sorgfältig und sauber abarbeiten. Ich halte nichts davon, immer eine neue Sau durchs Dorf zu jagen, sondern tatsächlich das, was gut ist oder was Bestand hat, beizubehalten. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir wieder in dem prozentualen Bereich wie im Vorjahr einen Zuwachs generieren. Davon gehe ich aus, weil die Märkte breit genug sind. Und auch, wenn die Anzahl der Teilnehmer sich verdoppeln würde, sind sie immer noch breit genug. Es wird weiterhin blühende Landschaften für uns alle geben.

Lamsfuß: Wir wollen uns weiter etablieren und unser Hauptaugenmerk liegt auf den Prozessen und der Unterstützung. Ich bin felsenfest von überzeugt, dass wir Ende 2023 wieder mehr Neugeschäft gemacht haben werden als 2022.

Rehfeldt: 2023 wird bei uns das bKV-Jahr. Als einer der wenigen im Markt bietet Apella auch eine Ausbildung zum Berater Betriebliche Krankenversicherung IHK an. Wir werden dort investieren, um die Vermittlerinnen und Vermittler auszubilden. Und wir wollen ihnen  die Angst nehmen und sie begleiten. Zudem haben wir den Vorteil, dass wir zwischen den Anbietern wählen können. Bei der bKV stehen wir zwar erst am Anfang, aber die Zahlen sind schön. Und was die Courtagen betrifft, kann der Makler damit gutes Geld verdienen. Wichtig ist, dass es bei der betrieblichen Vorsorge um Konzepte geht und nicht um Produkte. Zu einem Konzept gehört eine bKV, eine bAV, eine Entgeltoptimierung, gehört eine betriebliche Berufsunfähigkeitsversicherung, zukünftig vielleicht auch eine betriebliche Pflegeversicherung. Wenn junge Menschen die Auswahl zwischen einer bKV und einer betrieblichen Pflege habe, entscheiden sie sich bislang eher für die bKV. Insofern wäre es ein Thema, hier Optionen anzubieten. 

Bussert: Der Markt ist ja bei Weitem nicht gesättigt und birgt unglaublich viele Potenziale. Und natürlich ist das auch unsere Zielsetzung, dieses Jahr weiterzuwachsen. Zusätzlich werden wir sehr stark mit unserem Tarif Krebs-Scan wachsen. Davon bin ich persönlich fest überzeugt. Die Gespräche, die wir führen, zeigen, dass wir damit in der betrieblichen Umsetzung offene Türen einrennen.  

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