Senior Living im Wandel: Warum neue Wohnkonzepte jetzt dringend gebraucht werden

Foto: Real Blue / Tom Maurer Fotographie
Michael Eisenmann, Real Blue: "Beginn einer grundlegenden Neudefinition des Wohnens im Alter".

Der Markt für seniorengerechtes Wohnen steht unter erheblichem Druck. Während die Zahl älterer Menschen steigt, bleibt das Angebot an passenden Wohn- und Betreuungsformen deutlich zurück. Gleichzeitig verändert eine neue Seniorengeneration den Markt mit klaren Erwartungen an Autonomie, digitale Unterstützung und Gemeinschaft.

Der deutsche Senior-Living-Markt befindet sich in einer Phase tiefgreifender Veränderungen. Auf einer Online-Pressekonferenz von Real Blue, Immotiss und Humanika zeigen Branchenvertreter, wie stark der Druck auf das Segment steigt. Rund fünfzehn Millionen Menschen sind demnach täglich mit dem Thema Pflege befasst, sei es durch eigene Pflegebedürftigkeit, Angehörigenpflege oder berufliche Tätigkeit. Die Zahl der Pflegebedürftigen wächst kontinuierlich und erhöht den Bedarf an zeitgemäßen Wohnformen.


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Gleichzeitig verändern sich die Erwartungen kommender Seniorengenerationen deutlich. Sie sind digital versierter, länger selbstständig und wünschen sich Angebote, die Autonomie, Sicherheit und soziale Teilhabe verbinden. „Wir stehen am Beginn einer grundlegenden Neudefinition des Wohnens im Alter“, sagt Michael Eisenmann, Geschäftsführer der Real Blue. „Das ist eine große gesellschaftliche Aufgabe – aber auch eine große Chance für das Investitionssegment.“

Ein wesentliches Hindernis bleibt die strukturelle Versorgungslücke. Jochen Zeeh, Geschäftsführer von Immotiss, betont: „In Deutschland besteht aktuell nur für rund acht Prozent der Einwohner mit 65 Jahren oder mehr ein adäquates Wohn- und Betreuungsangebot, was Pflegeplätze miteinschließt. Eine ausreichende Versorgung liegt jedoch erst ab zehn Prozent vor. Das entspricht einem Fehlbestand von etwa 400.000 Einheiten im Seniorenwohnen inklusive Pflegeplätze.“

Nachfrage steigt – Servicewohnen im Fokus

Besonders im Servicewohnen und im Betreuten Wohnen steigt der Bedarf schneller als das Angebot. Lange Wartelisten gehören vielerorts zum Alltag. Die Boomer-Generation treibt diese Entwicklung voran. Sie erwartet flexible Modelle, digitale Unterstützung und Dienstleistungen, die sich an den eigenen Lebensstil anpassen. „Die ältere Generation von morgen lässt sich nicht mehr mit den klassischen Pflegeangeboten abholen“, erklärt Svetoslav Markov, Geschäftsführer der Humanika-Gruppe. „Sie erwartet flexible Wohnmodelle, digitale Unterstützungssysteme und Serviceleistungen, die sich präzise an den eigenen Lebensstil anpassen lassen.“

Auch Investoren beobachten die Marktveränderung aufmerksam. In der Asset Allokation gewinnen serviceorientierte Wohnformen an Bedeutung. Eisenmann betont, dass Senior-Living-Immobilien aufgrund des demografischen Wandels, ihrer Systemrelevanz und ihrer stabilen Nachfrage zunehmend in Investitionsstrategien rücken. „Dabei sehen wir eine klare Tendenz hin zu Konzepten, die Selbstständigkeit ermöglichen und dabei professionell gemanagt werden. Entscheidend ist dabei die Qualität des Betriebskonzeptes und die Erfahrung der Betreiber.“

Prof. Dr. Henric Hahr, Bereichsleiter Portfoliomanagement bei Real Blue, ergänzt, dass Senior-Living-Immobilien künftig stärker in Reallokations- und Transformationsstrategien eingebunden werden. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, historisch gewachsene Überhänge in traditionellen Nutzungsarten wie Büro oder Einzelhandel abzubauen.

Digitalisierung als Treiber des Marktwandels

Ein weiterer Impuls kommt aus der Technologie. Moderne Assistenzsysteme, Sensorik und digitale Plattformen sollen Sicherheit und Komfort erhöhen und zugleich Betriebskosten reduzieren. Markov hebt hervor: „Digitale Systeme können Verhaltensmuster erkennen, Gefahrensituationen frühzeitig melden und Betriebskosten senken.“ Der technologische Fortschritt zahlt damit sowohl auf die Sicherheit der Bewohner als auch auf die Wirtschaftlichkeit der Betreiber ein.

Damit die notwendige Zahl neuer Angebote entstehen kann, fordern die Experten jedoch bessere politische Rahmenbedingungen. Als zentrale Hebel gelten schnellere und klarere Genehmigungsprozesse, eine stärkere Förderung bezahlbaren Wohnraums über Programme wie jene der KfW sowie eine präzisere rechtliche Einordnung neuer Wohnformen. Zudem müsse Prävention eine größere Rolle spielen, um Pflegebedürftigkeit möglichst lange hinauszuzögern.

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