Teurer Anwaltsfehler? – BGH entscheidet gegen 235 Schiffsfondsanleger

Hammer, Waage der Gerechtigkeit und altes Buch
Foto: PantherMedia / yeti88
Das Ranking der Gründe für einen Rechtsstreit deckt sich in etwa mit dem der Vorjahre.

Noch immer streiten Anleger vor den Gerichten um Schadenersatz bei Schiffsfonds. Nun hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine Musterklage abgewiesen. 235 Anleger gehen wohl endgültig leer aus – vielleicht auch wegen eines dummen Fehlers ihrer Anwälte.

In dem Verfahren ging es um einen Schiffsfonds aus dem Jahr 2007, der aus vier gebrauchten Massengutfrachtern bestand, die später insolvent wurden – vermutlich wie so viele nach dem Absturz des Chartermarktes im Zuge der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2008/2009. Jedenfalls haben dem BGH-Beschluss zufolge ab 2012 zahlreiche Anleger Klage gegen die (ihrer Meinung nach) Verantwortlichen des Fonds erhoben, die dann in einem Musterverfahren zusammengefasst wurden. Das Ganze zieht sich also schon mehr als zehn Jahre hin.

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg hatte dem Musterkläger – und damit allen der insgesamt 235 klagenden Anleger und Anlegerinnen – im Ergebnis noch Recht gegeben, der BGH kassierte diese Entscheidung nun jedoch (XI ZB 30/20). Auch für die Anlegeranwälte ist das nicht unbedingt ein Ruhmesblatt.

Vor dem BGH ging es zum einen darum, dass zwei der Schiffe (wahrscheinlich mit hohem Gewinn) mittelbar von jener Reederei an den Fonds verkauft worden waren, deren Gesellschafter auch Anteilseigner und teilweise (mittelbar) Geschäftsführer eines der drei Gründungs-Unternehmen des Fonds waren, das auch als Vertragsreeder fungierte. Zum anderen war noch strittig, ob das Schiffsgutachten eines vereidigten Sachverständigen korrekt erstellt worden war und vor allem, ob all dies im Prospekt richtig dargestellt war und wer gegebenenfalls für Fehler verantwortlich zu machen ist.

Formal zwei verschiedene Unternehmen

Beklagt waren unter anderem als Gründungsgesellschafter des Fonds das Emissionshaus, die Treuhänderin und eben das weitere Gründungs-Unternehmen (eine GmbH & Co. KG, also eine „sie“). Nun wird es etwas kompliziert: Nach der (allgemeinen) BGH-Rechtsprechung müssen „Sondervorteile“ für Gründungsgesellschafter eines Fonds im Prospekt offen gelegt werden, also auch Gewinne aus der Veräußerung von Objekten an den Fonds.

In diesem Fall enthielt der Prospekt zwar die Information, dass die Verkäufergesellschaften der beiden Schiffe zu der Reederei gehörten, aber nicht, welcher Gewinn mit den Transaktionen verbunden war. Dies wäre aber notwendig gewesen, weil – kurz gefasst – die BGH-Grundsätze zu Gründungsgesellschaftern in diesem Fall analog anzuwenden seien, hatte das OLG entschieden.

Der BGH sieht das anders, jedenfalls in Bezug auf die zuvor für das Musterverfahren festgelegten „Feststellungsziele“, also die zu untersuchenden Vorwürfe und Umstände. Denn der vermutete Gewinn aus dem „Durchhandeln“ der Schiffe war nicht an die Gründungsgesellschafterin geflossen, sondern (mittelbar) an die Reederei. Obwohl beide die gleichen Gesellschafter und teilweise auch Geschäftsführer hatten, handelte es sich formal um zwei verschiedene Unternehmen. Eine direkte kapitalmäßige Verflechtung bestand trotz der Personen-Identität nicht, auch nicht zwischen den Verkäufergesellschaften der Schiffe und der Gründungsgesellschafterin. Das ist der entscheidende Punkt.

BGH watscht Vorinstanz ab

Die Feststellung des OLG beruhe auf dessen Ansicht, dass die BGH-Rechtsprechung zu Sondervorteilen auch auf Fälle anzuwenden sei, in denen diese an eine mit einer Gründungsgesellschafterin personell verflochtene Gesellschaft fließen, erläutert der BGH in seinem Beschluss. Das OLG habe dabei jedoch „übersehen“, dass das betreffende Feststellungsziel des Musterverfahrens nur auf Sondervorteile an die Gründungsgesellschafterin abstelle und somit die vom OLG angenommene Fallkonstellation nicht abdecke.

„Es ist auch nicht Aufgabe des Oberlandesgerichts, einem unbegründeten Feststellungsziel durch eine inhaltliche Abänderung zum Erfolg zu verhelfen, die – wie hier – im Verfahrensrecht keine Stütze findet“, watscht der BGH die Vorinstanz ab. Es ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass das Feststellungsziel „sich entgegen seinem ausdrücklichen Wortlaut“ auch auf die Reederei beziehen sollte, so der BGH.

In einem Musterverfahren werden die Feststellungsziele zwar vom Gericht festgelegt, sie basieren aber auf den Anträgen der Kläger beziehungsweise ihrer Anwälte. Prospektfehler in Bezug auf etwaige Sondervorteile der Reederei hätten demnach nur dann vom OLG geprüft und gegebenenfalls festgestellt werden dürfen, „wenn ein Beteiligter ein entsprechendes (weiteres) Feststellungsziel formuliert und das OLG es (…) zum Gegenstand des Musterverfahrens gemacht hätte“, so der BGH.

12,5 Millionen Euro geltend gemachte Ansprüche

Möglicherweise hätte die Musterklage also Erfolg haben können, wenn die Anlegeranwälte die beantragten Feststellungsziele nur etwas anders formuliert und die Reederei dort einbezogen hätten. Schließlich dürften kaum Zweifel bestehen, dass die Reederei und die Gründungsgesellschafterin im echten Leben wirtschaftlich und organisatorisch eine Einheit bildeten und es ist kein Grund ersichtlich, warum der BGH diese Konstellation bei einem entsprechenden Feststellungsziel grundsätzlich hätte anders beurteilen sollen als in seiner sonstigen Rechtsprechung zu Gründungsgesellschaftern.

Der BGH lässt die Frage, wie er bei einem präziser formulierten Feststellungsziel entschieden hätte, zwar (erwartungsgemäß) offen, aber so sieht er in Bezug auf das angestrengte Feststellungsziel jedenfalls keinen Prospektfehler. Bezüglich des Schiffsgutachtens und der weiteren Feststellungsziele entlastet der BGH die Beklagten ebenfalls. Auch die Punkte zur Verantwortung sind damit gegenstandslos, „weil die vorausgegangene Prüfung nicht zur Feststellung von Prospektfehlern geführt hat und somit die Fragen zur Haftung keine Rolle mehr spielen“, so der BGH.

In den Ausgangsverfahren, die für das Musterverfahren ausgesetzt wurden, geht es insgesamt um knapp 12,5 Millionen Euro geltend gemachte Ansprüche. Sie entsprechen wahrscheinlich etwa den Zeichnungssummen der klagenden Anleger (abzüglich etwaige Auszahlungen, plus Zinsen). Unter Umständen handelt es sich also um eine verdammt teure Nachlässigkeit der Anlegervertreter.

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