Tierversicherungen: „Die neue Gebührenordnung für Ärzte war ein Katalysator“

Foto: Gothaer
Dr. Christian Prachar: "Wir sehen eine große Dynamik im Markt."

Mit der neuen Gebührenordnung für Tierärzte Ende November 2022 ging es bei der Nachfrage nach Tierkrankenversicherungen deutlich nach oben. Auch die Versicherer reagieren. So hatte kürzlich erst die Gothaer ihr Portfolio für Vierbeiner um eine Krankenversicherung für Katzen erweitert. Cash. sprach mit Produktmanager Dr. Christian Prachar über die aktuellen Entwicklungen in dem Wachstumsmarkt.

Sie hatten Anfang April 2023 eine Krankenversicherung für Katzen auf den Markt gebracht. Können Sie bereits erste Zahlen nennen und wie sehen die Reaktionen des Vertriebs auf das neue Produkt aus?

Prachar: Eine konkrete Zahl kann ich noch nicht nennen. Das Feedback ist generell äußerst positiv und die Abschlüsse liegen im Rahmen unserer Erwartungen.

Sie bieten den Tarif in drei Leistungsstufen an. Warum?

Prachar: In der Tarifstruktur sind wir ganz eng an dem geblieben beziehungsweise haben uns an dem orientiert, was wir schon von den Hunde-Tarifen kennen. Generell sind wir bei der Gothaer bei den Tarifen in einer dreigeteilten Struktur: Basis, Plus, Premium. Und dann hat der Kunde sowohl bei Hunden als auch bei der Katze die Möglichkeit, zwischen einem reinen OP-Kostenschutz, einem OP-Kostenschutz mit Zusatzbaustein Heilbehandlung zu wählen. Streng genommen handelt es sich also um sechs Optionen, aus denen er wählen kann. Und eines der Hauptmerkmale in der Unterscheidung bei Katze wie auch Hund ist die Absicherung des maximalen Gebührenordnungssatzes. Dort sind wir in der Staffelung maximal zweifach, dreifach, vierfach über Basis, Plus und Premium. Und dann gibt es noch in den einzelnen Tariflinien diverse Zuschüsse und Leistungen wie Physiotherapie. Streng genommen sind Staffelung und Struktur sehr ähnlich zu dem, was man von den Hunde-Tarifen bereits kennt. Natürlich ist man mit einen zwei- oder dreifachen GOT-Satz hierzulande gut aufgestellt, weil die meisten Praxen im Alltag nicht darüber abrechnen. Aber der vierfache GOT-Satz ermöglicht auch, dass eine Rechnung im Notdienst dann eben auch erstattungsfähig ist. Und das macht in der Gänze die Leistungsunterschiede erkennbar. Aber auch mit dem Basistarif ist man im Alltag in der Regel bei planbaren Behandlungen oder Operationen gut aufgehoben.

Kann ich die Rechnungen auch per App einreichen?

Prachar: Leider noch nicht. Wir werden besser und die Digitalisierung schreitet voran. Momentan ist es aber noch so, dass der direkteste und einfachste Weg tatsächlich per E-Mail ist.

In den Tarif ist ja eine OP-Kostenversicherung integriert. Kann ich als Kunde nur diesen Baustein wählen? Und wie schlägt sich das preislich nieder?

Prachar: Der OP-Kostenschutz stellt den Grundbaustein all unserer Tier-KV-Tarife dar. Sie können entweder den OP-Kostenschutz allein wählen oder als Zusatz den Baustein „Heilbehandlungen“. Letzteren gibt es nicht ohne den OP-Kostenschutz. Preismäßig lässt es sich schwer in Zahlen fassen. Aber aufgrund des deutlich höheren Leistungsumfangs kostet ein Krankenvollschutz, also OPs und Heilbehandlungen, ungefähr doppelt so viel wie der reine OP-Kostenschutz. Dabei gibt es immer eine gewissen Varianz.

Welche Rassen versichern sie nicht? 

Prachar: Wir haben uns dagegen entschieden, einzelne Rassen auszuschließen. Wenn die medizinische Annahmeprüfung passt, das Tier also gesund ist und keine Vorerkrankungen hat, die in eine Versicherung unmöglich machen, ist der einzig limitierende Faktor das Alter. Die Rasse hat auch keine Auswirkungen auf die Beitragshöhe. Somit kostet eine Perserkatze genauso viel wie eine Maine-Coon oder eine Siamkatze. Nur das Alter macht den Unterschied.

Ab welchem Alter versichern sie? Und wo liegt das Höchstalter?

Prachar: Auch da sind wir, wo wir bei den Hunden waren und bleiben. Die Katze kann mit dem Eintritt der neunten Lebenswoche versichert werden. Zu diesem Zeitpunkt ist sie dann mindestens einmal grundgeimpft und war beim Tierarzt. Dann ist absehbar, ob sie generell gesund ist oder ob es Probleme gibt. Die Höchstannahmegrenze ist der achte Geburtstag. Bis dahin kann ein Vertrag neu abgeschlossen werden. Ist das Tier erst einmal versichert, bleibt der Schutz natürlich bis zum Lebensende bestehen.

Benötigen Sie Herkunftsnachweise vom Züchter?

Prachar: Herkunftsnachweise sind nicht nötig. Uns geht es darum, dass bei Antragsstellung die zwei Fragen nach erfolgter OP oder nach einer Behandlung aufgrund einer schweren Erkrankung wahrheitsgemäß beantwortet werden. Wenn beide Fragen mit nein beantwortet wurden, kann das Tier ohne genauere Prüfung versichert werden. Ein Zuchtbuch benötigen wir nicht. 

Gibt es Leistungsausschlüsse?

Prachar: Wie in den meisten Versicherungssparten gibt es auch in der Tierkrankenversicherung Leistungen, die nicht vom Versicherungsschutz gedeckt sind. Das sind im medizinischen Bereich wenige Diagnosen wie die Hüftgelenksdysplasie. Dafür übernehmen wir keine Leistungen. Und wie beim Hund erstatten wir keine Heilmethoden, die medizinisch nicht anerkannt sind, sowie die Kosten für Pflege- oder Nahrungsmittelergänzungen. Die Liste der medizinischen Ausschlüsse oder Diagnosen, die nicht versichert sind, ist vergleichsweise kurz.

Warum ist die Hüftgelenksdysplasie nicht im Versicherungsschutz eingeschlossen?

Prachar: Es ist eine Diagnose, die wir mit in die Ausschlüsse aufgenommen haben, weil einfach gerade bei bestimmten Rassen die Gefahr, dass so etwa auftreten kann plus die medizinischen Kosten, die das nach sich ziehen kann, für uns ein kalkulatorisches Risiko sind, das wir jetzt zum Start des Produkts nicht tragen wollen.

Es gibt aktuell im Markt rund 50 Anbieter, die miteinander konkurrieren. Wo reihen Sie sich ein? Wollen Sie ein Leader werden oder reicht ein Platz in den Top Ten?

Prachar: Generell ist unser Anspruch einer der Top Fünf Anbieter im Markt zu sein. Nicht nur aufgrund des Images der Gothaer. Unsere Hundekrankenversicherung wird im Markt sehr gut angenommen, unsere Erwartung ist, dass das Produkt für Katzen sogar noch besser laufen wird. Durch die steigende, aber auch schwankende Zahl an Anbietern, muss es schon so sein, dass man sich vom Preis-Leistungsniveau in der Spitzengruppe positioniert. Wir werden den Markt nie durch niedrige Beiträge anführen. Das wollen wir auch nicht. Auf der anderen Seite darf der Tarif auch nicht mit Leistungen derart überfrachtet sein, dass er nicht mehr bezahlbar ist. Da sind wir sowohl bei den Hunden in der Rückschau als auch bei den Katzen, die jetzt   neu dazugekommen sind, sehr gut unterwegs.

Und wo lagen die Herausforderungen in der Entwicklung und Kalkulation des Tarifs?

Prachar: Die größte Herausforderung für das Produktmanagement liegt in der Kalkulation. Auf der einen Seite müssen die Risiken, die wir absichern, finanziert sein. Zum anderen muss der Tarif für den Kunden bezahlbar sein und der Vermittler sollte ebenfalls davon noch leben können. Mit den neuen Katzenversicherungen ist uns das sehr gut gelungen.

Seit dem 22. November 2022 ist die neue Gebührenordnung für Tierärzte ist in Kraft. Spüren Sie die Änderungen? Heißt: Hat sich das Interesse bzw. die Nachfrage nach Tierkrankenversicherungen verändert?

Prachar: Das ist immer schwierig zu sagen, ob die steigende Abschlusszahlen aus einem Leistungsupdate eines Tarifs bei uns, einer Beitragsanpassung eines Mitbewerbers oder Veränderungen bei den Gebühren herrührt. Insgesamt merken wir aber schon, dass seit dem Jahreswechsel die Nachfrage beziehungsweise die generellen Abschlusszahlen bei uns steigen. Ich gehe schon davon aus, dass das zu einem großen Teil auf die neue Gebührenordnung zurückzuführen ist. Denn ich kann mir schon vorstellen, dass sich der ein oder andere, der vielleicht vorher gezögert hatte und nun zum Tierarzt musste, für eine Tierkrankenversicherung entschieden hat.

Von welchen Preiserhöhungen sprechen wir bei der neuen GOT?

Prachar: Bei einzelnen Posten aus der Gebührenordnung sehen wir Steigerungen von 60, 100 oder 120 Prozent. Das sind in der Regel Einzelposten wie Injektionen oder Blutentnahmen, die sich im niedrigen Eurobereich bewegen. Da sprechen wir nicht von Leistungen, die im einfachen Satz vorher bereits 300 Euro gekostet haben. Wenn man durch die komplette GOT geht, sehen wir eine Anhebung der Gebühren von 20 bis 30 Prozent. Was bei den Kleintieren wie Hund und Katze entscheidend ist: Die Behandlungen von Hunden sind ungefähr 15 bis 20 Prozent teurer geworden. Gleichzeitig haben sich die Katzen dem Hundeniveau angenähert. In der alten GOT waren Katzen immer deutlich günstiger. Das war historisch gewachsen, weil man früher immer argumentiert hatte, dass das Tier kleiner sei und nicht so viel koste. Dabei hatten die Tierärzte schon vor 30 Jahren gesagt, dass das nicht mehr zeitgemäß sei. Insofern ist der Sprung bei der Katzenbehandlung deutlich höher, als es bei den Hunden der Fall ist.

Wir haben die deutlichen Gebührenerhöhungen auf der medizinischen Seite. Anderseits sehen wir deutliche Preissteigerungen, bei Energie, Medikamenten etc. Hat dies Folgen für die Kalkulation in der Hundekrankenversicherung?

Prachar: Glücklicherweise nicht. Wir werden keine außerordentliche Beitragsanpassung vornehmen. Das kann nicht jeder Marktteilnehmer von sich behaupten. Letztlich ist das unserer generell konservativen Kalkulation zu verdanken. Denn es hilft niemandem, wenn man mit Kampfpreisen an den Markt geht und nach einem Jahr dann die Beiträge für einen Tarif um 40 Prozent anheben muss. Wir sehen, dass Kunden wegen Änderungskündigungen oder Beitragsanpassungen von anderen Anbietern zu uns wechseln. Da hatten wir in diesem Jahr schon einige Anfragen.

Wie dynamisch ist aktuell der Tierkrankenversicherungsmarkt. Welche Entwicklungen sehen wir?

Prachar: Eine Entwicklung ist, dass die Zahl der Mitbewerber in den vergangenen Jahren gestiegen ist und auch nach wie vor schwankt. Oft sind es Direktversicherer und es ist spannend, zu schauen, welcher Risikoträger dahinter steht. Insgesamt sehen wir derzeit eine große Dynamik im Markt. Das mag der Tatsache geschuldet sein, dass einzelne, auch große Anbieter Beitragsanpassungen vorgenommen haben. Aber auch die Ansprüche der Tierbesitzer sind gestiegen. Der medizinische Fortschritt schreitet immer weiter fort und entsprechende Behandlungen werden auch nachgefragt. Das hat Auswirkungen auf das Leistungsniveau. Beispielsweise werden Leistungen wie Physiotherapie oder Telemedizin in den Leistungskatalog aufgenommen, die früher keine Rolle gespielt haben. Auch darüber kann man sich vom Wettbewerb abheben

Stichwort Telemedizin. Bieten Sie das an? Denn es gibt ja bereits Anbieter wie die Barmenia, die diese Leistung im Katalog haben.

Prachar: Es gibt einige Anbieter, die es im unterschiedlichen Umfang in ihre Tarife integriert haben. Wir haben einen anderen Weg gewählt und im Rahmen des Marktstarts für Katzen die Telemedizin in den Baustein Heilbehandlung integriert. Gedeckelt auf fünf Konsultationen pro Jahr, maximal 100 Euro. Wir haben eine Innovationsklausel in unseren Verträgen. Das heißt, dass jede Erweiterung der Leistungen in neuen Versicherungsbedingungen auch für alle Bestandsversträge gilt. Wenn die Telemedizin bei den Katzen gut angenommen wird, wollen wir diese Leistung perspektivisch auch in die Hundetarife integrieren. Im Unterschied zu anderen Anbietern gibt es bei uns eine freie Dienstleisterwahl. Uns ist es wichtig, dass der Versicherte auf den Tierarzt seines Vertrauens zugehen kann und nicht gezwungen wird, sich auf einen Anbieter festzulegen.

Drei Tage nach Inkrafttreten der neuen GOT schrieb eine Verbraucherzeitschrift: „So teuer sind Tierarztbehandlungen nicht, weshalb wir Dir keine Krankenversicherung für Hund oder Katze empfehlen. Zudem schließen die Versicherer oft Leistungen aus und das Risiko einer sehr teuren Behandlung ist vergleichsweise gering. Statt eine Tierkrankenversicherung abzuschließen, solltest Du den Versicherungsbeitrag regelmäßig selbst ansparen. 20 Euro monatlich für eine Katze, 40 Euro bei einem Hund. Über die Lebenszeit Deines Tieres gerechnet dürfte das meist günstiger sein.“ Was sagen Sie dazu diesem Tipp?

Prachar: Das ist zweischneidiges Schwert. Mit solchen Aussagen tut sich niemand einen Gefallen. Die Wahrheit liegt immer in der Mitte. Das ist auch stark vom individuellen Absicherungsbedürfnis der Kunden abhängig. Ich bin kein Fan davon, den oben genannten Betrag zur Seite zu legen.

Warum?

Prachar: Ich mache hier immer eine einfache Rechnung auf: Schließt man den Vertrag heute ab oder legt sich jeden Monat 30 Euro unter das Kopfkissen und nach drei Monaten läuft der Hund vor ein Auto und muss am Bein operiert werden, kostet das rund 2.000 Euro. Im Rahmen eines OP-Kostentarifes hätte ich bis dahin 90 Euro gezahlt und die 2.000 Euro wären voll erstattungsfähig. Im anderen Fall hätte ich 90 Euro zuhause liegen und müsste den Rest aus eigener Tasche zahlen. Bei solchen pauschalen Aussagen bin ich daher zwiegespalten. Doch weil die emotionale Bedeutung des Tieres wächst, auch als Familienmitglied, steigt auch die Bereitschaft, Geld für die Absicherung beiseitezulegen. Bei Hunden sind über 75 Prozent unserer Verträge ein OP-Kostenschutz. Denn wenn dort etwas passiert, ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis maximal.

Sie haben gerade die ersten Ergebnisse einer neuen Forsa-Studie zur Tierversicherung erstellt. Was sind zentralen Ergebnisse aus der Studie? Und gibt es Erkenntnisse, die Sie überrascht haben?

Prachar: Wir haben diese Studie in Auftrag gegeben, weil wir wissen wollten, welche Tierarztkosten anfallen, vor allem bei Katzen. Ich war schon überrascht, dass 75 Prozent der Katzenbesitzer jährlich bis zu 500 Euro für Behandlungen beim Tierarzt aufwenden. Das ist mehr als ich erwartet hätte. Bei fünf Prozent der Befragten lag der Betrag in der Spitze sogar über 1.000 Euro. Das sind vermutlich die Fälle, in denen eine Operation notwendig war. Was zudem überrascht,  ist wie häufig ein Tierarzt aufgesucht wird und dass es nur wenige Tierbesitzer gibt, die gar nicht mit ihrem Tier zum Tierarzt gehen.

Aktuell gibt es rund 50 Wettbewerber im Markt? Zudem kommen Insurtechs oder Digitalversicherer als neue Wettbewerber auf den Markt. Wo sehen Sie für sich als Anbieter und Versicherer hier die kommenden Herausforderungen?

Prachar: Was die Direktversicherer angeht, muss man sehen, dass diese mit günstigen Tarifbeiträgen an den Start gehen und vieles nicht selbst verarbeiten. Oft wird die Schadenregulierung ausgelagert. Und auch der Vertrieb läuft nicht vermittlerbasiert, so dass keine Provisionen fließen. Das ist etwas, was Preisdruck ausübt. Ob das für den Direktversicherer kalkulatorisch aufgeht, ist die Frage. Denn wir sehen ja, was für Summen hier bei uns abgerufen werden. Losgelöst von der Anpassung der Gebührenordnung. Meine mittel- bis langfristige Prognose ist, dass die Direktversicherer, die bislang noch sehr günstig sind, die Beiträge erhöhen müssen. Oder aber vom Markt verschwinden. Auf der anderen Seite werden die großen Anbieter, die konservativer kalkulieren – wozu ich auch die Gothaer zähle – nachhaltig im Tierkrankenversicherungsbereich am Markt bestehen können.

Stichwort Digitalisierung: Wie spiegelt sich die Digitalisierung in der Tierkrankenversicherung wider?

Prachar: Beim Thema Digitalisierung bieten die Direktversicherer sehr gute Online-Abschlussstrecken. Sie sind nah am Kunden, haben schnelle Reaktionszeiten. Doch auch wir entwickeln unsere digitalen Services stetig weiter: Wir haben gerade unserem Online-Tarifrechner ein neues Gesicht gegeben und die Bedienung vereinfacht. Digitalisierung ist ein wichtiges Thema. Servicelevel, kompetente Auskünfte und Reaktionsschnelligkeit spielen bei den Kunden eine ganz große Rolle.

Stichwort Künstliche Intelligenz und Large Language Modell. ChatGPT ist in aller Munde. Können Sie sich vorstellen, dass derartige Anwendungen auch in der Tierkrankenversicherung zur Hilfe mit herangezogen wird?

Prachar: Ich tue mich schwer damit. Wenn man solche Tools beim Thema Reaktionsgeschwindigkeit oder Standardisierung von Abläufen nutzen kann, dann ist das zu begrüßen. Ich sehe aber insgesamt von der Beratung beim Vertragsabschluss über die Betreuung bis hin zur Schadenregulierung eine relativ hohe Gefahr, weil es doch ein recht komplexes und beratungsintensives Produkt ist. Gerade in der Schadenregulierung wird bei Rückfragen oder gewünschten Erklärungen ganz selten auf Standardbausteine zurückgegriffen. Sie müssen dort sehr individuell agieren. Mir fehlt derzeit noch die Fantasie, wie und wo solche Tools dort helfen können. Aber vom Großen ins Kleine gedacht: Wenn es um standardisierte Kundenkorrespondenz geht und als Teil der generellen Digitalisierung im Konzern, dann ist es ein Trend, dem man sich öffnen muss. Für diese Sparte und dieses Produkt würde ich es – aktuell – noch mit Fragezeichen sehen.

Wieviel Mensch braucht es in der Beratung beim Thema Tierkrankenversicherungen? Welche Expertise benötigen Vermittler für dieses Segment?

Prachar: Vom Produkt her sind wir eine Sachversicherung. Vertrags- und versicherungsrechtlich ist das korrekt. Von der Erwartung des Kunden und vom Namen her wird es aber eher mit einer klassischen privaten Krankenversicherung assoziiert. Wir haben in der Vermittlerschaft eine breite Akzeptanz des Produktes. Und wenn sich ein Vermittler oder eine Vermittlerin intensiver mit dem Produkt auseinandergesetzt hat und die Hemmschwelle überwunden hat, verkaufen es viele mittlerweile aktiv, gehen also auf ihre Kundinnen und Kunden zu. Das geht aber nur, wenn ich gewisses Basiswissen über die Tarifstruktur habe. Ich muss wissen, welche Ausschlüsse es gibt und mit Fachbegriffen umgehen können.

Als Produktmanager habe ich engen Kontakt zu Vermittlern und merke schon, dass die persönliche Beratung bei solch einem Produkt enorm hilft. Es ist  ein Produkt und eine Sparte, mit der man sich schon intensiver auseinandersetzen und in die Tarifstruktur und das Bedingungswerk eintauchen muss. Im Vorbeigehen ein solches Produkt zu verkaufen, dürfte dazu führen, dass spätestens im Leistungsfall offene Fragen aufgeworfen werden.

Wieviel Prozent des Vertriebs sind denn eigentlich affin für das Tier-KV-Geschäft?

Prachar: Wir sehen eine breite Streuung. Ungefähr zehn Prozent sind sehr aktiv. Dann haben wir eine breite Masse, die sich durch die Vertriebskommunikation dem Produkt öffnen. Es gibt aber auch eine Handvoll Vermittler, die überhaupt keinen Bezug dazu haben. Wir sehen aber, dass es in der Breite deutlich zunimmt. Und auch in der Spitzengruppe, in der bisher nur einzelne Vermittler aktiv waren, sind im letzten Jahr eine ganze Reihe hinzugekommen, die es aktiv vermarkten. Mich freut das sehr und wir unterstützen hier auch regelmäßig. Die Nachfrage nach neuen Marketingmaterialen und nach neuen Schulungsangeboten ist auf jeden Fall da.

Was muss eine gute Tierkrankenversicherung können?

Prachar: In meinen Augen muss das Preis-Leistungsverhältnis stimmen. Wenn eine Behandlung notwendig wird, dann möchte ich, dass der Großteil der Leistungen auch vom Versicherungsschutz abgedeckt werden. Das ist wichtig. Aus Kundensicht ist zudem die Schnelligkeit in der Reaktion wichtig. Egal ob bei einer Rückfrage beim Abschluss oder zum Versicherungsschutz oder in der Schadenregulierung. Zudem ist Transparenz beim Produkt ganz wichtig. Was bei der Tierkrankenversicherung zudem noch eine wichtige Rolle spielt: Man muss über alle Ebenen – vom Vertrieb bis hin zur Schadenregulierung – ein hohes Maß an Empathie und Verständnis für die Kundinnen und Kunden mitbringen. Wir sprechen hier ja nicht über ein beschädigtes Auto, sondern um ein Lebewesen, das vielfach auch als Familienmitglied gesehen ist. Wenn sie Anfragen haben, ist das Tier in der Regel krank, es steht eine Behandlung an. Für viele Kunden ist das ein emotionaler Ausnahmezustand. Das müssen wir auf allen Ebenen berücksichtigen. Insofern sind wir nicht nur der Versicherungsberater oder Schadensachbearbeiter. Wir müssen auch aus emotionaler Sicht sehr nah am Kunden sein. Das spielt – losgelöst von Beitragshöhe und Leistungsumfang – die Hauptrolle. Für ein gutes Gefühl sind viele Kunden auch bereit ein paar Euro mehr zu zahlen.

Von welchen Produkten sollte ich denn dann die Finger lassen?

Prachar: Vorsichtig wäre ich, nur nach dem Preis zu gehen. Ein bedarfsgerechtes Leistungsniveau kann es für vier Euro im Monat nicht geben. Das ist die größte Gefahr, die ich sehe. Sowohl aus Sicht des Kunden als auch aus Sicht des Anbieters. Zudem ist Transparenz wichtig. Ausschlüsse oder Einschränkungen müssen klar erkennbar sein. Andernfalls droht vermeidbarer Ärger.

Das Interview führte Cash. Redakteur und Ressortleiter Versicherungen, Jörg Droste

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