Überholtes Mantra beim Immobilienkauf

Lage, Lage, Lage“ lässt sich zwar als Kriterium für den Immobilienkauf leicht merken, ist aber nur teilweise geeignet, um zukunftsträchtige Objekte zu finden. Worauf Investoren darüber hinaus achten sollten.

Schwetzingen, knapp 22.000 Einwohner, liegt nahe Mannheim und gilt als aufstrebender C-Standort.

Nichts ist beim Immobilienkauf wichtiger als die Lage. Das stimmt und ist gleichzeitig falsch, denn „die“ Lage gibt es gar nicht. Wer von der Lage spricht, meint meist eine Mischung aus Mikro- und Makrolage in Kombination mit der Nutzungsart der Immobilie. Während zum Beispiel eine Fläche fünf Kilometer außerhalb der nächsten Ortschaft und direkt an der Autobahnauffahrt perfekt für ein Logistikzentrum geeignet ist, wäre ein Wohnbauprojekt an derselben Stelle eine Fehlinvestition. Auch Anleger, die sich auf Wohnimmobilien beschränken, müssen auf die Kombination von Nutzung sowie Makro- und Mikrolage achten. Obwohl fast jedes Wohnimmobiliensegment in zukunftsträchtigen Makrolagen funktioniert, können Investoren immer noch an der Mikrolage scheitern. Ein Beispiel: Natürlich benötigen Städte wie Dresden, Potsdam und Heidelberg Wohnraum für Senioren, beispielsweise in Wohnprojekten, aber nicht unbedingt außerhalb auf der grünen Wiese oder direkt neben Universitätsgebäuden. Dort sind Mikrowohnungen oder Wohngemeinschaften für Studenten die bessere Investition.

Erstes Analysekriterium ist meist die Makrolage

Um einzugrenzen, welche Standorte sich für die Investition in Wohnimmobilien eignen, filtern die meisten Immobilieninvestoren zunächst nach der Makrolage. Damit sind Landkreise, Städte oder Regionen gemeint, der Übergang zur Mikrolage, der direkten Umgebung der Immobilie, verläuft dann oft fließend. Unabhängig von der Nutzungsart des Investitionsobjekts gibt es Merkmale, die Standorte attraktiver als andere machen. Dazu zählen eine positive demografische Entwicklung – interessant sind wachsende Städte, in denen die Bevölkerung jünger wird oder unterdurchschnittlich schnell altert –, die Wirtschaftskraft – die sich zum Beispiel durch die Arbeitslosenquote messen lässt –, das Bruttoeinkommen der Einwohner, die Kaufkraft sowie die Anzahl, Vielfalt und Zukunftsfähigkeit der Arbeitgeber und Branchen in der Region. Hinzu kommt der Ausbau der Verkehrsanbindungen, sowohl im Hinblick auf den öffentlichen als auch den individuellen Verkehr. Weitere Merkmale sind die politische Situation und die Qualität der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur, die sich unter anderem an der Zahl und Güte der Dienstleister, Geschäfte, Bildungseinrichtungen und Behörden zeigt. Interessant sind beispielsweise Universitätsstandorte, weil sie junge Menschen anziehen und viele Absolventen anschließend auch dort Arbeit suchen. Das wiederum erhöht die Nachfrage nach Wohnraum.

Auch die Zahl der Anwohner gilt als Kriterium. Sie ist aber zunehmend weniger geeignet, weil sie wenig über die Perspektive eines Standorts aussagt. Gute Investitionsstandorte finden sich ebenso in Ortschaften mit nur 20.000 Bewohnern, etwa im Umkreis von Metropolen wie München, Frankfurt am Main oder Hamburg; besonders dann, wenn S- oder U-Bahnen innerhalb von 30 Minuten das Zentrum der nächsten Großstadt erreichen.
Auf der Ebene der Makrolage schrecken die meisten Investoren vor C- und D-Standorten zurück. Nach dem Motto: A ist immer gut, B geht auch noch, C ist aber eher uninteressant. Dafür gibt es jedoch wenig Gründe, sofern sich dort die Bevölkerung verdichtet, die ökonomischen Faktoren stimmen und sie gut an A- und B-Standorte angebunden sind. Ein Beispiel ist Schwetzingen, wo nur knapp 22.000 Menschen wohnen. Die Stadt liegt im Rhein-Neckar-Gebiet zwischen Mannheim und dem SAP-Standort Walldorf. In etwa 20 Minuten erreicht man von Schwetzingen mit Bus und S-Bahn Heidelberg, Mannheim oder Walldorf.

Mehr als drei Viertel aller deutschen Landkreise weisen eine steigende oder nachhaltige Werthaltigkeit auf und erfüllen somit einige Kriterien empfehlenswerter Makrostandorte. Doch reicht es nicht, wenn Investoren ihre Lageanalyse an diesem Punkt beenden. Städte wie Jena und Stuttgart beispielsweise sind bei Studenten und Uni-Absolventen beliebt, wodurch dort die Nachfrage nach Wohnraum wächst. Dennoch müssen Investoren auf die Mikrolage achten. Während Studenten oder Berufsanfänger die Nähe zu Bahnschienen, Krankenhaus, Feuerwache und Autobahnzubringer vielleicht schon aus Kostengründen akzeptieren, ändern sich die Präferenzen spätestens mit dem ersten Kind.

Die Zahl der Bewohner einer Stadt sagt immer weniger über die tatsächlichen Perspektiven eines Standorts aus

Der nächste Schritt ist daher, in diesen aussichtsreichen Makrolagen die optimale Mikrolage zu finden. Damit ist die fußläufige Umgebung beziehungsweise das Wohnviertel gemeint. Hierbei sind die Kriterien meist weicher als bei der Beurteilung der Makrolage. Im Vordergrund steht die Lebensqualität. Wie attraktiv ist der Blick aus dem Fenster? Ist die Umgebung sicher? Wie viele Lebensmittelläden und andere Geschäfte des täglichen Bedarfs befinden sich im Umkreis von zwei Kilometern? Wie hoch ist die Ärztedichte? Ist es wahrscheinlich, dass Eltern ihre Kinder zu Fuß in Kindergarten und Grundschule bringen können? Wie lange brauchen Anwohner, um zur nächsten Haltestelle zu laufen? Wie gut angebunden sind sie an Stadtzentrum und Arbeitsplatz? Ist es leise genug, um bei geöffnetem Fenster zu schlafen? In attraktiven Vierteln ist meist auch der Freizeitwert hoch, also die Dichte an Bars, Restaurants, Grünflächen und Spielplätzen.

Einige dieser Ziele widersprechen sich jedoch. Je belebter das Viertel und je besser es an den öffentlichen Nahverkehr angebunden ist, desto lauter ist es auch. Zudem ist es wahrscheinlich, dass die Zahl der Nahversorger, Ärzte und Bildungseinrichtungen mit der Bevölkerungsdichte zunimmt. Welche Kriterien Anleger stärker gewichten sollten, hängt deshalb davon ab, wie die Immobilie genutzt wird. Noch deutlicher wird dieser Punkt, wenn man bedenkt, dass zur Mikrolage die Lage der Wohnung im Gebäude beziehungsweise das Gebäude selbst gehört. Während die Mieten im Erdgeschoss in der Regel günstiger sind, kann diese Lage von Vorteil sein, wenn die Wohnung dadurch barrierefrei oder altersgerecht ist. Auch sind Wohnungen mit Balkon oder Gartenzugang beliebter und teurer; weniger wichtig ist das bei Mikrowohnungen, die meist nur auf Zeit vermietet werden.

Welche Kriterien und Faktoren Anleger stärker gewichten sollten, hängt ganz wesentlich von der Nutzung der Immobilie ab

Erst im Zusammenspiel von Makro- und Mikrolage sowie Nutzung zeigt sich also, wie Investoren einzelne Kriterien und Faktoren gewichten und bewerten müssen. Zudem kann die optimale Mikrolage die Makrolage aufwerten und umgekehrt. Die Gefahr ist jedoch, dass eine ungeeignete Kombination von Mikro- und Makrolage auch Vorteile entwertet, insbesondere wenn das Objekt unpassend genutzt wird. Entscheidend ist zudem, ob Ausstattung, Größe und Grundriss der Wohnung zu Lage und Zielgruppe passen. In der Premiumlage ist z. B. Echtholzparkett angebracht, in einer günstigeren Lage eher Laminat.

Ein weiteres Kriterium ist der Zustand des Gebäudes. Diesen Analyseschritt müssen Investoren nicht allein bewältigen, sie können einen Gutachter hinzuziehen. Dafür sollten sie allerdings im Vorfeld wissen, welche Art von Gutachten sie brauchen und welche Informationen ihnen wichtig sind. Wertvoll sind Gutachten, die in die Tiefe gehen, weniger interessant sind reine Bestandsaufnahmen oder Baubeschreibungen. Auch sagen Wertgutachten sehr wenig über den Zustand der Technik aus. Entscheiden sich Anleger dazu, einen Gutachter zu beauftragen, muss dieser Zugang zum kompletten Gebäude erhalten, um Wert und Zustand der Immobilie vollständig und verlässlich einschätzen zu können. Er sollte in mindestens zwei bis drei Wohnungen kommen, die Hauswirtschaftsräume, den Keller und auf den Dachboden bzw. bei Flachdächern auf das Dach kommen. Nur wenn Auftraggeber darauf achten, ist das Gutachten aussagekräftig.

Sollte das Objekt renovierungsbedürftig sein, kann das durch einen günstigen Kaufpreis ausgeglichen werden. Für die Kaufentscheidung wichtiger ist der Standort, denn dieser lässt sich nicht nachträglich ändern. Entscheidender als die aktuelle ist deswegen die perspektivische Qualität der Lage. Auf wechselnde Bedingungen können Anleger in Grenzen reagieren, indem sie das Objekt der veränderten Makro- und Mikrolage entsprechend neu nutzen. Auch wenn Lage, Lage, Lage eingängiger ist, für Investoren gilt: Makrolage-Mikrolage, Nutzung, Zustand.

Autor Jens R. Rautenberg ist Gründer und Geschäftsführer des Immobiliendienstleisters Conversio.

Foto: Shutterstock

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