Wie oft es wirklich zur Jahresendrallye kommt

Foto: Smarterpix/iqoncept
Kommt sie oder kommt sie nicht: die Jahresendrallye?

Kaum ein Börsenphänomen ist emotional so aufgeladen wie die Jahresendrallye. Jedes Jahr aufs Neue hoffen Anleger auf steigende Kurse zum Jahresende. Doch wie oft wurde diese Hoffnung tatsächlich erfüllt?

Ein Blick auf fast vier Jahrzehnte DAX-Geschichte zeigt: Die Rallye ist weder Mythos noch verlässliche Gesetzmäßigkeit – sondern vor allem eine Frage von Definitionen und Gefühlen.

Um herauszufinden, wie oft die Jahresendrallye stattgefunden hat, untersuchte Pascal Kielkopf, Kapitalmarktanalyst bei HQ Trust, die Performance des DAX in den Monaten November und Dezember – und das für jedes Jahr seit 1988. 

Die Analyse ist aus mehreren Gründen anspruchsvoll: Erstens existiert keine einheitliche Definition, ab welchem Zeitpunkt überhaupt von einer Jahresendrallye gesprochen werden kann. Zweitens fehlt ein klarer Maßstab, welcher Kursanstieg als „Rallye“ gilt. Und drittens ist der zugrundeliegende Index maßgeblich. Was für den DAX gilt, muss sich nicht auf andere Märkte wie den S&P 500 oder den MSCI World übertragen lassen. Aber genau diese Grauzonen machen den Befund spannend – und erklären, warum statistische Ergebnisse und das Anlegergefühl manchmal auseinanderliegen.

Im Durchschnitt legte der DAX in November und Dezember um rund 5 % zu. Über die 38 betrachteten Jahre ergibt sich damit im Mittel ein durchaus stattlicher Zuwachs in den letzten beiden Monaten. In 18 von 38 Jahren erzielte der DAX einen Anstieg von mehr als 5 %. In knapp der Hälfte der Fälle war die Jahresendrallye also deutlich ausgeprägt. Weitere elf Jahre brachten ein Plus zwischen 0 und 5 %. Das sind positive, aber eher verhaltene Zuwächse. Für viele Anleger wohl zu wenig, um von einer Rallye zu sprechen. In 9 von 38 Jahren schloss der DAX das Jahresende im Minus ab. In fast jedem vierten Jahr blieb die erhoffte Rallye also komplett aus.“

Investoren könnten die Renditen aber auch ganz anders einschätzen: Im Schnitt legte der DAX in den Jahren seit 1988 in zwei aufeinanderfolgenden Monaten um 1,7 % zu. Verglichen mit dieser durchschnittlichen Zweimonatsrendite liegt die November-plus-Dezember-Performance in rund zwei Dritteln der Jahre darüber. Rein statistisch könnte man also argumentieren: Die Jahresendrallye findet häufiger statt, als viele Anleger glauben.“

Was bedeutet das für Anlegerinnen und Anleger?

Die Jahresendrallye existiert – aber nicht zuverlässig und nicht jedes Jahr so, wie es die Börsenfolklore verspricht. Wer zu hohe Erwartungen an die letzten Wochen des Jahres knüpft, riskiert Enttäuschungen. Sinnvoller ist es, saisonale Muster als einen von vielen Faktoren zu betrachten – nicht als taktisches Muss. Für langfristig orientierte Anleger bleibt entscheidend, investiert zu bleiben und Disziplin zu wahren, statt auf den perfekten Zeitpunkt am Jahresende zu spekulieren.

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