Brüssel und Berlin stärken die Position der Vermittler

Dagegen stehen Stimmen, die im Ergebnis weiterhin die Bestands- und Verwaltungsprovisionen zum Zwecke der Berechnungen des Ausgleichsanspruches für irrelevant halten. Die neue Rechtslage habe sich nur auf die dogmatische Begründung ausgewirkt. Dass dies vorerst ein spannendes Problem bleibt, zeigt zum Beispiel ein Hinweisbeschluss des OLG Hamm vom 11. Februar 2010 in einem aktuellen Rechtsstreit. Dort bekräftigte das OLG Hamm zunächst, dass ein Versicherungsvertreter seinen Ausgleichsanspruch auch weiterhin nach den entgangenen Provisionen berechnen kann, da er die verbleibenden Unternehmervorteile im Regelfall selbst nicht beziffern könne.

Zugleich wies der Senat aber darauf hin, dass die Unterscheidung der Provisionsanteile für Vermittlungs- und sonstige Leistungen nicht völlig entfallen könne. Denn speziell beim Versicherungsvertreter sei der Anknüpfungspunkt für den Ausgleichsanspruch die noch nicht (vollständig) ausgezahlten Provisionen aus bestehenden von ihm vermittelten Versicherungsverträgen. Vieles deutet darauf hin, dass Bestandspflege – und ähnliche Verwaltungsprovisionen zukünftig auch zugunsten des Handelsvertreters beim Ausgleichsanspruch berücksichtigt werden müssen, wenn auch nicht im gleichen Maße wie die eigentlichen Abschlussprovisionen.

Die bestehende Restunsicherheit mag dazu (ver-)führen, durch vertragliche Abreden den Ausgleichsanspruch zulasten des Vermittlers ganz oder bezogen auf die neuen Aspekte auszuschließen. Dem steht jedoch wiederum der EuGH entgegen, der schon früher ausdrücklich judiziert hat, dass vertragliche Absprachen in keinem Fall zum Nachteil des Handelsvertreters von Artikel 17 der genannten Richtlinie abweichen dürfen. Ob dies der Fall sei oder nicht, sei ex ante für den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu beurteilen.

Wenn eine nachteilige Wirkung nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden könne, dürfe eine solche nicht getroffen werden. Diese starken Worte zeigen, dass vertragliche Abreden hier zugunsten des Unternehmers nichts helfen beziehungsweise den Handelsvertreter nicht beeinträchtigen können.

Geht man von einer zwingenden Änderung der Gesetzeslage aus, sind im Übrigen auch entsprechende Klauseln in Altverträgen jedenfalls dann unwirksam, soweit sie den Zeitraum ab 2010 betreffen. Auch an anderer Stelle kommt der EuGH dem Handelsvertreter im Übrigen beim Erhalt seines Ausgleichsanspruchs entgegen. Nach Paragraf 89b Abs. 2 Nr. 2 HGB entfällt der Handelsvertreterausgleichsanspruch dann, wenn der Unternehmer das Vertragsverhältnis gekündigt hat und der Handelsvertreter hierfür einen schuldhaft verursachten wichtigen Grund gegeben hat.

Der Sinn dieser Rückausnahme ist unmittelbar einzusehen. In einem nun vom BGH entschiedenen Fall (Urteil vom 16. Februar 2011) lag ein Sachverhalt im Vertrieb von Pkw zugrunde, bei dem zunächst eine ordentliche Kündigung ausgesprochen worden war. Wie in der Praxis – manchmal beiderseits – nicht selten, kam es nach dem Ausspruch zur Kündigung, aber noch vor Ende der vertraglichen Bindung zu durchaus schwerwiegenden Vertragsverstößen auf Seiten des Vertriebes. Das Unternehmen verweigerte daraufhin gegenüber dem Vertrieb den Handelsvertreterausgleichsanspruch. Auf entsprechende Vorlage hin hatte der

EuGH in seinem Urteil vom 28. Oktober 2010 in der Sache Volvo Car Germany GmbH/Autohaus W. GmbH entschieden, dass grundsätzlich ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Kündigung und dem vertragswidrigen Verhalten bestehen muss. Werde dieses vertragswidrige Verhalten erst anlässlich der Vertragsbeendigung offenbar, ohne dass es dem kündigenden Unternehmer vorher bekannt war und dementsprechend den Grund für die Vertragsbeendigung hätte liefern können, sei der nach dem Gesetz erforderliche unmittelbare Ursachenzusammenhang nicht gegeben. Außerdem sei die entsprechende Bestimmung in der EWG-Richtlinie ohnehin eng auszulegen.

Seite 4: Ausgleichsanspruch unberührt

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