Wer nicht prüft, der haftet

2. Handeln in fremdem Namen – Offenkundigkeitsprinzip

Als weitere Voraussetzung für eine vertragliche Haftung ist nach § 164 Abs. 2 BGB – neben der Vollmacht – das Handeln des Handelsvertreters nach Außen im Namen des Finanzdienstleistungsunternehmens (Offenkundigkeitsprinzip). Dabei finden im Rahmen des § 164 Abs. 2 BGB die Grundsätze des unternehmensbezogenen Geschäfts Anwendung, wenn der erforderliche Unternehmensbezug gegeben ist.

Nur wenn ernsthafte Zweifel an der Unternehmensbezogenheit des Geschäfts bestehen, greift aus Gründen der Verkehrssicherheit der gesetzliche Auslegungsgrundsatz des Handelns im eigenen Namen ein (vgl. dazu: BGH NJW 1995, 43; OLG Koblenz, NJW-RR 2002, 845). Eine solche Unternehmensbezogenheit ist dann zu verneinen, wenn bspw. Gelder nicht an das Finanzdienstleistungsunternehmen zur gewinnbringenden Anlage weitergegeben werden, sondern der Handelsvertreter des Finanzdienstleistungsunternehmens – etwa auf Grund eines geschlossenen Darlehensvertrages – persönlich für die Rückzahlung haftet (OLG Stuttgart, Urteil vom 10. Februar 2004 – 6 U 160/03 -) oder ein unmittelbarer „Leihgabevertrag“ zwischen Anleger und Vermittler geschlossen worden ist (OLG Celle, OLGR 2001, 269).

Wenn also Transaktionen von Beginn an völlig ohne Hinweis auf das Finanzdienstleistungsunternehmen getätigt werden muss der Anleger damit rechnen, dass der Handelsvertreter insoweit im eigenen Namen tätig geworden ist (OLG Stuttgart, Urteil vom 30. Oktober 2002 – 9 U 112/02 -; OLG Stuttgart, Urteil vom 10. Februar 2004 – 6 U 160/03 -).

3. Zurechnung, § 278 BGB

Wenn nach dem oben genannten Kriterium davon auszugehen ist, dass unmittelbar zwischen Anleger und Finanzdienstleistungsunternehmen eine (vor-)vertragliche Beziehung zustande gekommen ist, ist weitere Voraussetzung für eine Haftung des Finanzdienstleistungsunternehmens, dass die Fehlberatung des Handelsvertreters dem Finanzdienstleistungsunternehmen zuzurechnen ist. Eine Zurechnung ist dann anzunehmen, wenn der Handelsvertreter als Erfüllungsgehilfe des Finanzdienstleistungsunternehmens gemäß § 278 BGB zu qualifizieren ist.

Die Vorschrift des § 278 BGB trägt hierbei der Arbeitsteilung bei der Erfüllung von vertraglichen Pflichten Rechnung, indem sie das Verhalten des Handelsvertreters als Erfüllungsgehilfe so behandelt, als sei das Finanzdienstleistungsunternehmen selbst gegenüber dem Anleger tätig geworden. Für die Bestimmung des Sorgfaltsmaßstabes kommt es hierbei nicht auf den Handelsvertreter als Erfüllungsgehilfen, sondern auf das Finanzdienstleistungsunternehmen selbst an.

Erfüllungsgehilfe ist, wer mit dem Willen des Finanzdienstleistungsunternehmens in dessen Pflichtenkreis als Hilfsperson tätig wird. Anders als bei der Haftung nach § 831 BGB kommt es dabei weder auf die soziale Abhängigkeit noch auf die Weisungsgebundenheit des Erfüllungsgehilfen an. Unerheblich ist auch, ob das Finanzdienstleistungsunternehmen auf die Durchführung der Tätigkeit des Handelsvertreters – bspw. in Form einer Kontrolle oder Überwachung – Einfluss nehmen kann.

Die Fehlberatung des Handelsvertreters muss hierbei nach § 278 BGB bei der Erfüllung der Verbindlichkeit des Finanzdienstleistungsunternehmens und nicht nur „gelegentlich“ stattgefunden haben. Die herrschende Meinung fordert dabei einen „inneren Zusammenhang“ zwischen der schadensstiftenden Handlung des Gehilfen und den ihm vom Finanzdienstleistungsunternehmen übertragenen Aufgaben. Ein bloßer äußerlicher oder gar nur zeitlicher Zusammenhang genügt nicht (BGH, NJW-RR 1998, 1342; OLG Hamm, VersR 2000, 213).

Ein solcher Sachzusammenhang ist in der Regel dann anzunehmen, wenn der Handelsvertreter ein bestimmtes Anlagemodell als von dem Finanzdienstleistungsunternehmen geprüftes und vertriebenes Produkt gegenüber dem Anlageinteressenten darstellt, weil der Handelsvertreter als Erfüllungsgehilfe in dem ihm allgemein zugewiesenen Aufgabenbereich handelt.

Inhalt und Umfang der Beratungspflicht sind von einer Reihe von Faktoren abhängig, die sich einerseits auf die Person des Kunden, andererseits auf das Anlageobjekt beziehen (BGH, Urteil vom 06. Juli 1993 – XI ZR 12/93 – BGHZ 123, 126 [128]). Die Pflichten aus dem Beratungsvertrag sind auf sämtliche Personen oder Unternehmen anzuwenden, die sich mit dem Vertrieb und der Vermittlung von Kapitalanlagen befassen (BGH, Urteil vom 22. März 1979 – VII ZR 259/77 – BGHZ 74, 103 [106]).

Bedient sich ein Unternehmen der Hilfe eines selbständigen Maklers, muss es sich dessen Verhalten ungeachtet dieser Selbständigkeit zurechnen lassen, da er als Erfüllungsgehilfe mit Wissen und Wollen der Vertragspartei Aufgaben wahrnimmt, die typischerweise ihr obliegen, so dass er in ihrem Pflichtenkreis tätig wird und somit als Hilfsperson zu betrachten ist (BGH, Urteil vom 05. März 1998 – III ZR 183/96 – NJW 1998, 1854 [1856]; BGH, Urteil vom 24. September 1996 – XI ZR 318/95 – ZIP 1996, 1950 [1951]).

Das Finanzdienstleistungsunternehmen haftet unter diesen Voraussetzungen sogar dann, wenn der Handelsvertreter den Weisungen oder Interessen zuwider gehandelt oder sich strafbar gemacht hat (BGH, NJW-RR 1998, 1342, OLG Hamm, VersR 2000, 213, BGH NJW 2001, 358).

Eine Zurechnung nach § 278 BGB scheidet nur dann aus, wenn nach außen hin offenkundig der Handelsvertreter nicht im Pflichtenkreis des Finanzdienstleistungsunternehmens gehandelt hat und sich sein Verhalten gegenüber dem Anleger außerhalb des durch den Handelsvertretervertrag mit dem Finanzdienstleistungsunternehmen definierten Aufgabenbereich abspielt (OLG Stuttgart, Urteil vom 10. Februar 2004 – 6 U 160/03 -).

Der BGH hat in seinem aktuellen Urteil vom 14. März 2013 – III ZR 296/11 – die vorvertraglichen Pflichten konkretisiert. Gerade die Anlageberatung- und vermittlung weist im Hinblick auf das Vermögen von Kunden ein erhöhtes Gefahrenpotential auf. Es besteht daher eine besondere Vertrauensempfindlichkeit der Anlageberatung, weil Kunden Vertrauen und deren Vermögen in die Hände des Beraters lege und seiner Empfehlung folgen. Neben Sachkunde ist mithin Zuverlässigkeit und Integrität der betrauten Person erforderlich.

Ergeben sich aus dem polizeilichen Führungszeugnis einschlägige Vorstrafen – wie etwa Betrug – darf ein Berater grundsätzlich nicht mit der Anlageberatung- und/oder – vermittlung betraut werden.

Die Pflicht, ein Führungszeugnis einzuholen, besteht aber zeitlich nicht unbegrenzt. Sie endet mit Ablauf der Tilgungsfristen nach §§ 45 ff. BZRG.

Seite drei: Finanzdienstleistungsunternehmen für Schaden verantwortlich

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