Klimaschutz: Aufgeben ist keine Option

Foto: Klaus Hermann
Dreimal kamen Klaus Hermann und seine Begleiter durch Dörfer der Embera.

Was eine Wanderung durch den gefährlichsten Dschungel der Welt mit dem Kapitalmarkt der näheren Zukunft zu tun hat. Gastbeitrag von Klaus Hermann

Zwischen Februar und März hielt ich mich knapp drei Wochen in Panama auf. Mein Ziel: 100 Kilometer durch den Darien Gap laufen. Das Dschungelgebiet zwischen Panama und Kolumbien gilt wegen seiner Undurchdringlichkeit, versprengten Einheiten der kolumbianischen FARC-Rebellen, bewaffneten Schmugglern und Banden als der gefährlichste Regenwald der Welt.

Nach achtmonatiger Vorbereitung, sehr intensivem Training und der Wahl einer Route, auf der wir den möglichen Gefahren mit hoher Wahrscheinlichkeit aus dem Weg gehen wollten, ging es am 24. Februar los. In meinen Tagen im Darien Gap erlebte ich das größte Abenteuer meines bisher nicht ereignisarmen Lebens und ganz nebenbei entdeckte ich hier die Parallelen zwischen dem Überleben in der Wildnis und dem Kapitelmarkt der Zukunft.

Mit insgesamt neun Teilnehmern, zwei Begleitern der indigenen Embera, in deren Gebiet wir uns aufhielten, dem panamaischen Dschungelexperten Rick Morales, ausreichend Vorräten und einer professionellen Ausrüstung starteten wir im Dorf El Bacao am Rande des Darien Gaps unsere Wanderung. Wir waren auf verschiedenste Situationen vorbereitet. Für den Notfall hatten wir ein Satellitentelefon dabei, mit dem ein Helikopter gerufen werden konnte. Auch eine Adrenalinspritze befand sich im Gepäck, deren Handhabung wir vor dem Start besprachen. Die Gefahren von Schlangenbissen, Skorpionstichen und Ameisenattacken waren uns bekannt. Allerdings hatten wir nicht geplant, dass einer unserer Teilnehmer von einem Hund gebissen wird, der sich durch unser Auftauchen im Dorf bedroht fühlte. Zum Glück entzündete sich die Bisswunde in der Wade von Kyrill nicht, den dieses Schicksal ereilt hatte.

Wir liefen täglich von Sonnenaufgang bis in den späten Nachmittag, legten zwischen 10 und 15 Kilometer zurück, schlugen uns durch das Dickicht und suchten die Nähe zu einem Fluss für unser Nachtlager, um uns dort mit frischem Trinkwasser zu versorgen. Wir übernachteten in Hängematten und ich war überrascht, wie dunkel und laut der Dschungel in der Nacht ist. Kein Licht dringt durch das dichte Baumenkronendach, so dass man sich ab circa 20 Uhr nur noch mit der Taschenlampe durch den Wald bewegen konnte. Das war jedoch nur selten ein echtes Verlangen, da man nach den Strapazen des Tages nur noch den Wunsch verspürte, in der Hängematte zu ruhen. Außerdem kommen mit Einbruch der Dunkelheit die kleinen und großen Jäger des Regenwaldes aus ihren Verstecken. Man findet reichlich Spinnen, Skorpione und auch Schlangen, wenn man sich nachts auf die Suche macht.

Schon nach zwei Tagen traten erste, schwerere Probleme auf. Ein Teilnehmer war Covid-19 positiv mit Symptomen. Ein weiterer Teilnehmer war maximal erschöpft und hatte festgestellt, dass er den Strapazen und Anstrengungen mit 25 Kilogramm Gepäck auf dem Rücken, bis zu 900 Höhenmetern mit steilen An- und Abstiegen und tropischer Hitze nicht gewachsen war. Die zwei wurden am dritten Tag evakuiert. Wir fanden eine Möglichkeit, dass sie in einer zweitägigen Fahrt mit einem Kanu der Embera wieder in die Zivilisation zurückfinden konnten. Am selben Tag erkrankten drei unserer Mitläufer und hatten schwere Magen-Darm Symptome. Wir mussten einen Tag Pause einlegen, um mit Hilfe von Antibiotikum, dass jeder für sich im Gepäck hatte, für eine schnelle Genesung zu sorgen. Zum Glück schlugen die Medikamente an und alle konnten weitermachen.

Klaus Hermann im Darien Gap (Foto: Klaus Hermann)

Der zweite Teil des Trekkings verlangte uns dann alles ab. Zu den enormen topografischen Herausforderungen kam völlig unerwartet ein fünftägiger Regen, mitten in der Trockenzeit. Eine eindeutige Auswirkung des Klimawandels. Wolkenbruchartig ergossen sich die Wassermassen über uns und den Regenwald. Der Boden wurde matschig, jeder Schritt war doppelt schwer. Wenn es bergauf ging, machten wir zwei Schritte nach vorn und rutschten einen wieder zurück. Bergab kam es immer wieder zu Stürzen und Verletzungen, die dann versorgt werden mussten. Wir beendeten die Nacht um 4 Uhr, damit uns genug Zeit blieb, die geplanten Distanzen unter den erschwerten Bedingungen zu absolvieren. Trotz der enormen körperlichen Anstrengungen und permanenter Nässe aller Kleidungsstücke und der Ausrüstung hielten wir als Truppe zusammen und halfen uns gegenseitig immer, wenn es nötig war. Es kam zu einem Skorpionstich, der glimpflich verlief, zwei Begegnungen mit Bewaffneten, die zu unserer großen Erleichterung außer einem kurzen Gruß kein weiteres Interesse an uns hatten und zahllosen Insektenbissen und -stichen. Und dennoch waren wir alle beinahe durchgehend glücklich und zufrieden.

Insgesamt dreimal kamen wir durch Dörfer der Embera, die uns freundlich gesonnen waren und für einmalige Momente sorgten. Für kurze Zeit und eine Übernachtung an ihrem Dorfleben ohne Luxus, Fernsehen und Playstation teilhaben zu dürfen, war eine sehr nachwirkende Erfahrung. Diese Menschen sind mit dem Wenigen, das sie besitzen, sehr zufrieden. Sie leben in und mit der Natur und bedienen sich behutsam an ihren Ressourcen.

Auch ich war mit dem Inhalt meines Rucksacks in den zwölf Tagen der Tour durch den Darien Gap bestens zufrieden und habe nichts vermisst. Ganz im Gegenteil. Es war eine Wohltat, nicht erreichbar zu sein und zu erfahren, mit wie wenig man sehr glücklich sein kann. Der Dschungel hat mich Demut gelehrt.

Unser Ziel war der pazifische Ozean und ich werde an dieser Stelle nicht versuchen, meine Gefühle zu beschreiben, als sich nach fast zwei Wochen das Grün des Regenwaldes öffnete und wir an einem verlassenen Strand herauskamen. Wir aßen frische Kokosnüsse, die wir von den Palmen holten, machten ein großes Lagerfeuer und ein einfaches Buffet aus den restlichen Vorräten, die im Wesentlichen aus Reis, Nudeln, Porridge, Dosengemüse, Nüssen und Trockenfrüchten bestanden.

Und was hat diese Reise nun mit dem Kapitalmarkt zu tun? Sehr viel. Wir stehen vor enormen Herausforderungen: die nicht absehbaren Entwicklungen eines Krieges in Europa, ein besorgniserregendes Inflationsszenario, der demografische Wandel und seine massiven Auswirkungen für die Versorgungssysteme unserer Zivilgesellschaft, eine fortschreitende Digitalisierung, die Corona Pandemie und der Klimawandel als größte Challenge der kommenden Jahre und Jahrzehnte. Wenn wir das wirtschaftlich und als Spezies überleben wollen, brauchen wir sehr gute Guides, die uns auf die richtigen Wege bringen.

Wir haben in der Pandemie gelernt, auf Experten zu hören. Das muss als Blaupause dienen, damit die Politik die Rahmenbedingungen schaffen kann, diese Herausforderungen zu meistern. Wir müssen endlich unsere Demut vor der Natur zurückgewinnen und verstehen, dass die Ressourcen des Planeten endlich sind. Wir brauchen innovativen Mut, um eine Kreislaufwirtschaft und die Unternehmen zu unterstützen, die an ein ökologisches Wirtschaftswunder glauben. Wir werden auf diesem Weg mit Rückschlägen, Hindernissen und größtmöglichen Anstrengungen konfrontiert werden. Es werden auch nicht alle das Ziel erreichen, doch aufgeben ist keine Option. Investieren wir in Unternehmen und Ideen, die es wirklich ernst meinen und sich nicht nur grün anstreichen, um auf der Welle der Nachhaltigkeitsbewegung zu surfen. Am Ende schaffen wir auch diese Tour nur gemeinsam.

Klaus Hermann ist Versicherungskaufmann und Entertainer.

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