ESG-Abfragepflicht: Druck der Politik ist nicht zielführend

Foto: Valuniq
Jörg Kintzel

Seit dem 2. August müssen Bankberater ihre Kunden fragen, ob sie an nachhaltigen Finanzprodukten interessiert sind und ihnen dann auch passende Angebote machen. Die ESG-Richtlinie (Environment, Social, Governance Anlagekriterien) der EU dient dem Zweck, die Investitionsströme in “gute", grüne Anlageformen zu lenken. Das klingt erstmal vernünftig, aber auf den zweiten Blick kommen mir Bedenken. Gastbeitrag von Jörg Kintzel, Valuniq.

Natürlich ist es wichtig, die Menschen für Nachhaltigkeit zu sensibilisieren. Allerdings muss die Frage erlaubt sein, ob dafür die Rolle des Finanz- oder Unternehmensberaters geeignet ist. Ich bezweifle, dass eine ökologische oder allgemeine Nachhaltigkeitsnachfrage eines Beraters und die verbundene Dokumentation wirklich dazu beiträgt, dem Kunden tatsächlich ein besseres Produkt an die Hand zu geben. Denn dies ist immer noch die eigentliche Aufgabe eines Beraters. Ich habe vielmehr das Gefühl, dass der Kunde durch immer neue Regularien der Aufsichtsbehörden den Überblick verliert.

Generell gilt: Der Kunde kauft sich eine Dienstleistung ein, um sich allumfassend beraten zu lassen. Ob die von der EU vorgegebene Dokumentierung dabei förderlich ist, bezweifle ich. Vielmehr vermute ich, dass 98 Prozent der Kunden nicht wissen, wofür ESG steht oder kein Interesse daran haben, sich damit zu befassen. Natürlich kann man jetzt argumentieren, dass wir als Berater hier eingreifen und den Nachhaltigkeitsgedanken aus diesem Grund dem Kunden näherbringen müssen. Für mich stellt sich indes die Frage, wie weit die EU hier in unser Denken und Handeln eingreifen darf und soll. Die Entscheidung, ob ein Kunde nachhaltig investieren will, liegt immer noch bei ihm. Druck aus Richtung der Politik halte ich nicht für zielführend. Dennoch gilt es, sich den Tatsachen nun zu stellen und die Vorgaben umzusetzen. Der Kunde wird das gar nicht spüren und im Vertrauen auf seinen Berater unterschreiben. Das ist auch Teil der Wahrheit.

Sind wir als Berater befähigt, den Kunden in seinen Anschauungen zu erziehen? Ich sage: Nein. Unsere Aufgabe ist es, zu bewerten, ob die ausgewählten Unternehmen zu den jeweiligen Kunden passen. Eine Möglichkeit von EU-Seite wäre, diesen Aufwand nicht auf den Berater abzuwälzen, sondern die Unternehmen zu verpflichten. Und das deutlicher, als es aktuell der Fall ist. Die Themen Umwelt und soziale Unternehmensführung gehören in jedem Unternehmen verankert und sollten notfalls auch mit entsprechend Druck umgesetzt werden. Uns als Berater aber dafür in die Dokumentationspflicht zu nehmen und damit in die Haftung, ist nicht akzeptabel.

Autor Jörg Kintzel ist Vorstand der Valuniq AG.

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