Urteil: Erlaubnispflicht ist berufliche Kardinalpflicht des Beraters

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Oliver Renner

Werden Kapitalanlagen ohne die erforderliche Erlaubnis beraten und/oder vermittelt, drohen nicht nur Schadensersatzansprüche seitens der Anleger. Ein Beitrag von Rechtsanwalt Oliver Renner

Das Oberlandesgericht Frankfurt hat mit Urteil vom 6. Juli 2022 (Aktenzeichen: 7 U 147/20) wie folgt entschieden: Aus dem Fehlen der nach Paragraf 34f Absatz 1 Satz 2 Gewerbeordnung erforderlichen Vermittlererlaubnis kann auf eine wissentliche Pflichtverletzung geschlossen werden, die zum bedingungsgemäßen Leistungsausschluss in der D&O-Versicherung führt. Bei der Erlaubnispflicht handelt es sich um eine berufliche Kardinalpflicht des Anlageberaters.

Sachverhalt

Ein Honoraranlageberater, der zugleich Geschäftsführer der X GmbH war, unterhielt eine Vermögensschadenshaftpflichtversicherung. Der Honoraranlagenberater wurde von einem Anleger in Höhe von rund 148.000 Euro auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Er habe eine Kapitalanlage ohne erforderliche Erlaubnis nach dem Kreditwesengesetz (KWG) vermittelt, was auch unstreitig war.

Über das Vermögen des Honoraranlageberaters wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Anleger machte sodann Direktansprüche gegen die Vermögensschadenshaftpflichtversicherung geltend.

Diese zahlte nicht, sondern berief sich auf deren Allgemeine Versicherungsbedingungen. Nach Paragraf 4 Nr. 5 AVB besteht demnach kein Versicherungsschutz wegen vorsätzlicher Schadensverursachung oder wegen Schäden durch wissentliches Abweichen von Gesetz, Vorschrift, Anweisung oder Bedingung des Machtgebers (Berechtigten) oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzungen.

Das Urteil

Das Oberlandesgericht Frankfurt hat die Direktklage des Anlegers gegen die Versicherung abgewiesen. Eine wissentliche Pflichtverletzung des Beraters wurde bejaht:

Verwirklicht ist der Ausschluss der wissentlichen Pflichtverletzung dann, wenn ein Versicherter eine Pflichtverletzung in dem Bewusstsein der Pflicht und dem Bewusstsein, sich nicht pflichtgemäß zu verhalten, begangen hat. Bei Verletzung elementarer beruflicher Pflichten, deren Kenntnis nach der Lebenserfahrung bei jedem Berufsangehörigen vorausgesetzt werden können, ist von einer wissentlichen Pflichtverletzung auszugehen.

Unstreitig war, dass weder der Berater noch die X GmbH über die nach Paragraf 32 KWG erforderliche Erlaubnis verfügten und dennoch ihre Geschäftstätigkeit aufgenommen haben. Sich darüber zu vergewissern, dass der beabsichtigte Geschäftsbetrieb über die erforderlichen Erlaubnisse und Genehmigungen verfügt, stellt aber eine elementare Berufspflicht dar. Es handelt sich um eine Kardinalpflicht, sich vor Aufnahme einer Tätigkeit wie der Anlagevermittlung und Anlageberatung über den rechtlichen Rahmen und insbesondere etwaige Erlaubnispflichten zu erkundigen. Denn grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass dem Vermittler die Vorschriften, die speziell seine berufliche Tätigkeit betreffen, geläufig sind.

Fazit

Werden Kapitalanlagen ohne die erforderliche Erlaubnis beraten und/oder vermittelt, drohen nicht nur Schadensersatzansprüche seitens der Anleger. Die Haftpflichtversicherung kann sich auch auf einen Leistungsausschluss berufen, so dass dies verheerende – existenzbedrohende – Folgen haben kann.

Was im einzelnen zu den Kardinalpflichten gezählt wird ist streitig. Eine Geschäftstätigkeit ohne die erforderliche Erlaubnis aufzunehmen bzw. fortzuführen ist eine Kardinalpflichtverletzung. Ob es sich auch bei der Nichtbeantragung einer Erlaubnis für einzelne im Rahmen der regulären Geschäftstätigkeit vorgenommene Tätigkeiten um eine solche Kardinalpflicht handelt, ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.

Die vorherige Prüfung der Notwendigkeit einer gegebenenfalls erforderlichen Erlaubnis und deren Umfang vor Beginn der jeglicher Tätigkeit schützt in jedem Fall die Existenz.

Oliver Renner ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht in der Stuttgarter Kanzlei Wüterich Breucker.

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