Lockdown belastet drei von vier Menschen psychisch

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Ein Drittel sucht sich nach einer überwundenen Depression eine neue Stelle.

Immer mehr Menschen leiden psychisch unter dem Lockdown, zeigt das „Deutschland-Barometer Depression“. Bedeutet das auch mehr Depressionserkrankungen?

Der zweite Lockdown schlägt deutlich mehr Menschen in Deutschland auf die Psyche als der erste vor einem Jahr. Das geht aus einer Sondererhebung des „Deutschland-Barometers Depression“ hervor, für das Mitte bis Ende Februar rund 5.100 Menschen zwischen 18 und 69 Jahren repräsentativ online befragt wurden.

Fast drei Viertel (71 Prozent) der Bundesbürger gaben dabei an, die Situation im zweiten Lockdown als bedrückend zu empfinden. Im Vergleich dazu waren es im Frühjahr 2020 weniger als zwei Drittel (59 Prozent) der Befragten, heißt es in der Erhebung, die von der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und der Deutsche Bahn Stiftung in Auftrag gegeben wurde. Der erste Lockdown begann am 22. März 2020 und wurde bereits von Ende April an nach und nach aufgehoben.

Fast die Hälfte (46 Prozent) der Bundesbürger erlebt seine Mitmenschen nach der Umfrage inzwischen auch als rücksichtsloser als im Frühjahr 2020 (40 Prozent).

Keine massenhafte Zunahme von psychischen Erkrankungen

Für Psychiater Ulrich Hegerl, Vorstandschef der Stiftung Deutsche Depressionshilfe, sind diese Ergebnisse Ausdruck einer allgemeinen Demoralisierung der Bevölkerung. „Die Menschen bewegen sich nicht mehr, sie nehmen zu, liegen länger im Bett und schlafen dann nachts schlecht“, sagt er. „Sie sitzen noch länger vor Bildschirmen. Das ist alles nichts, was einen aufbaut. Dazu kommen ganz normale psychische Reaktionen wie berufliche Sorgen, Ängste und häusliche Konflikte.“

Hegerl geht aber nicht davon aus, dass sich die Zahl der Depressiven durch den langen Lockdown massenhaft erhöht. „Allein die Wahrnehmung, dass das Leben gerade bitter ist, führt noch nicht zu einer Depression“, betont er. „Darauf reagieren Menschen mit Angst, Sorge und Verzweiflung. Dies sind zwar leidvolle, aber nicht krankhafte menschliche Reaktionen.“ Habe ein Mensch jedoch eine Veranlagung zu einer Depression, könne durch die Maßnahmen gegen Corona eine depressive Krankheitsphase getriggert werden.

Die Umfrage wirft auch ein Schlaglicht darauf, wie sich die Versorgung depressiver Menschen in der Pandemie verschlechtert hat. Manche bekamen keine Behandlungstermine, andere wagten sich aus Angst vor Ansteckung nicht in Praxen und Kliniken.

Eine Reihe von Behandlungen fiel aus, und Selbsthilfegruppen konnten sich nicht mehr treffen. Viele Betroffene haben die Maßnahmen der Pandemie nicht nur deutlich mehr verunsichert und bedrückt als die Gesamtbevölkerung. Sie gaben auch an, dass sich ihre Depression im vergangenen halben Jahr verschlimmerte – zum Beispiel durch Rückfälle oder Suizidgedanken.

Das „Deutschland-Barometer Depression“ erhebt seit 2017 repräsentative Daten zur psychischen Gesundheit in der Bevölkerung. (dpa-AFX)

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