Warum die Mietbremse in der Praxis nicht funktionieren kann

In der vergangenen Woche haben Spitzenpolitiker der SPD Pläne zur Begrenzung von Mietsteigerungen im Rahmen eines Wohn- und Stadtpolitikkonzepts vorgestellt. Die vorgesehene Mietpreisbremse ist allerdings nicht praktikabel. Die Kiefer-Kolumne. 

Michael Kiefer, Immobilienscout24
Michael Kiefer, Immobilienscout24

Die SPD hat eine neue Wählerklientel für sich entdeckt: den Mieter in Groß- und Mittelstädten. Um diesen vor massiven Mietpreissteigerungen zu schützen, wurde nun ein umfangreiches Strategiepapier entwickelt. Dieses enthält neben einem allgemeinen Bekenntnis zum genossenschaftlichen Wohnungsbau auch eine Verschärfung der Möglichkeiten, Bestandsmieten zu erhöhen sowie eine Deckelung der Neuvertragsmieten an die ortsübliche Vergleichsmiete.

Doch mit dem letzten Punkt hat sich die SPD selbst einen Stolperstein in den Weg gelegt. Denn es existiert keine bundesweit flächendeckende Vergleichsmiete. Mehr noch: In den meisten Regionen Deutschlands gibt es überhaupt keinen offiziellen Mietspiegel. Eine Vergleichsmiete müsste dann teuer durch einen Gutachter ermittelt werden. Hinzu kommt, dass die Qualitäten der jeweiligen regionalen Mietspiegel, soweit überhaupt vorhanden, sehr unterschiedlich sind. Oft spiegeln sie nicht die tatsächlich vorhandene Baustruktur und das Preisniveau vor Ort wider. Wer die Datenbasis des deutschen Immobilienmarktes und die damit verfügbaren Anpassungsfaktoren kennt, weiß, dass man mit Hilfe der vorhandenen Mietspiegel mitnichten eine faire Vergleichsmiete ermitteln kann. Eine Klagewelle ist also schon vorprogrammiert.

Fakt ist: In den deutschen Metropolen und vielen Mittelstädten sind die Mieten in den letzten Jahren massiv angestiegen. Denn die Menschen wollen in der Stadt, in der Nähe ihres Arbeitsplatzes leben. Hinzu kommt ein wachsender Anteil an Single-Haushalten und eine Zunahme der durchschnittlichen Pro-Kopf-Wohnfläche. Diese massive Nachfrage trifft auf ein sehr geringes städtisches Wohnungsangebot, das seit Jahren nahezu konstant geblieben ist.

Die Politik hat diesen Trend völlig verschlafen.  Sie hat sich parteiübergreifend aus dem Wohnungsbau zurückgezogen und stattdessen lieber eigene Immobilienbestände höchstbietend verkauft. Auch verfügbares Bauland wurden meist höchstbietend versilbert, um die Haushaltskassen zu sanieren. Auf diese Weise entstehen – wenn überhaupt – nur Luxuswohnungen.

Wer als politische Partei wirklich die Situation auf den Immobilienmärkten entschärfen möchte, muss für mehr Wohnungsbau sorgen, anstatt an den Symptomen herumzudoktern. Eine offenkundig nicht zu Ende gedachte Beschränkung der Neuvermietungen ist völlig ungeeignet und sorgt lediglich dafür, dass dringend benötigte Investoren abgeschreckt werden.

Der Vorstoß der SPD, die Neuvertragsmieten zu deckeln, hat deshalb bestenfalls das Potenzial, die Situation auf den angespannten Wohnungsmärkten weiter zu verschärfen und öffnet Tür und Tor für endlose Streitereien zwischen Vermieter und Mieter. Statt eines bundesweiten Markteingriffs benötigen diese Märkte Lösungen auf kommunaler Ebene. Denn in jeder Stadt sind die Ursachen für die Wohnungsnot sowie Möglichkeiten, diese zu beheben, verschieden. Ein Vorschlag: Über das Baurecht können Kommunen durch städtebauliche Verträge in Zusammenarbeit mit Investoren bezahlbaren Wohnraum entstehen lassen – das wäre für die meist klammen Kommunen sogar kostenlos. Der Berliner Liegenschaftfonds macht es mit einem Umdenken in der Vergabepolitik vor. Künftig sollen nicht mehr die Investoren den Zuschlag erhalten, die am meisten bezahlen, sondern diejenigen, die aus städtebaulicher Sicht das beste Konzept abliefern.

Autor Michael Kiefer ist Leiter Immobilienbewertung bei ImmobilienScout24. Er ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Immobilienbewertung und Mitglied der Royal Institution of Chartered Surveyors (Rics).

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