Berlin: Die Wohnungsnachfrage ist nicht zu deckeln

Auch wenn der Mietendeckel voraussichtlich nicht vor Februar 2020 in Kraft tritt, wirft das Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung bereits heute seine Schatten voraus. Wohnungseigentümer, Investoren und Bestandshalter müssen erhebliche Vermögensverluste befürchten und suchen diese nach Möglichkeit zu minimieren. Ein Gastbeitrag von Einar Skjerven, Skjerven Group

Einar Skjerven, Skjerven Group

Der Immobiliendienstleister McMakler meldete bereits Anfang November, dass die Verkaufsanfragen in den höherpreisigen Berliner Stadtteilen Mitte, Prenzlauer Berg und Kreuzberg um fast 50 Prozent gestiegen seien. Vor allem die Eigentümer größerer hochwertiger Altbauwohnungen würden jetzt über einen Verkauf nachdenken, weil die zu erwartenden Mieteinbußen bei diesen Wohnungen am größten seien. Ähnlich ist es mit Mietshäusern, die demnächst wohl wieder in größer Zahl aufgeteilt und Wohnung für Wohnung an spätere Selbstnutzer verkauft werden.

Mehr Wohnungen für Selbstnutzer

Die meisten privaten Eigentümer werden allerdings wahrscheinlich erst einmal abwarten, was das Gesetz wirklich für sie bedeutet und ob es nicht ohnehin demnächst vom Bundesverfassungsgericht kassiert wird. Zudem würden sie im Falle eines Verkaufs überwiegend vermieteten Wohnraum veräußern, so dass die Herausforderung geringerer Erträge nur übertragen – aber nicht gelöst ist. Etwas anderes sind die bezugsfertigen Angebote professioneller Akteure, die anfangs für den Mietmarkt beziehungsweise für den Einzelverkauf an Kapitalanleger bestimmt waren. Vor allem sanierte Wohnungen aber auch für die Vermietung vorgesehener Neubau werden in den kommenden Monaten für den ETW-Erstverkauf neu positioniert, also eventuell aufgeteilt und den Ansprüchen der jeweiligen Zielgruppen entsprechend gestaltet.

Dies könnte in einzelnen Teilmärkten zu Preisnachlässen führen. Denn durch den Wegfall der Kapitalanleger hat sich die Interessentengruppe teilweise stark verkleinert. Das heißt: Anbieter, die in einem überschaubaren Zeitraum verkaufen wollen, müssen früher oder später über die Preisgestaltung ihrer Angebote nachdenken. Absehbare Rabatte auf Ein- beziehungsweise Zwei-Zimmer-Apartments dürften sich dann auch bei größeren Wohnungen bemerkbar machen. Denn bei deutlichen Preisvorteilen werden einige Interessenten ihre Flächenbedürfnisse überprüfen und sich gegebenenfalls für eine kleinereWohnung entscheiden.

Privater Mietwohnungsbau kommt zum Erliegen

Parallel wird sich – entgegen der Intentionen des Gesetzgebers – das Angebot an Mietwohnungen in Berlin weiter verringern, weil weniger Kapitalanleger ihre Wohnungen zur Miete anbieten und neue Wohnungen von privaten Bauträgern zukünftig vor allem als Eigentumswohnungen realisiert werden. Einige Marktteilnehmer gehen sogar davon aus, dass der frei finanzierte Mietwohnungsbau durch den Mietendeckel komplett zum Erliegen kommen wird. Denn der Neubau von Mietwohnungen durch private Bauträger setzt in der Regel einen späteren Käufer voraus. Viele der dafür infrage kommenden privaten wie institutionellen Investoren werden jedoch aufgrund der erwiesenen Rechtsunsicherheit in Berlin demnächst einen weiten Bogen um die Stadt machen. Und es wird sehr schwer sein, dass in den vergangenen Monaten verlorengegangene Vertrauen von Pensionskassen und Versorgungswerken wieder zurückzuerlangen.

Zinsbelastung geringer als Miete

Da sich also die Relationen von Angebot und Nachfrage mit dem Mietendeckel zugunsten von Kaufinteressenten verschieben werden und es Mietwohnungsbau für Berliner überwiegend im nahegelegenen Umland geben wird, ist der Wohnungskauf für Wohnungssuchende in Berlin oft der einzige und zugleich auch der wirtschaftlich sinnvollere Weg zu einem neuen Zuhause. Gestiegene Immobilienpreise sollten dabei nicht abschrecken. Zwar ist es durchaus so, dass in Lagen, in denen vor nicht einmal zehn Jahren 2.500 Euro je Quadratmeter gezahlt werden mussten, heute bis zu 5.000 Euro je Quadratmeter verlangt werden.

Doch hat sich die Finanzierbarkeit von Immobilieneigentum deshalb nicht verringert. Denn während sich die Kaufpreise verdoppelten, ist das Zinsniveau von drei auf teilweise unter ein Prozent gesunken, so dass die monatlichen Finanzierungsraten praktisch kaum verändert, die Zinskosten aktuell aber deutlich geringer sind. Selbst, wer 100 Prozent des Kaufpreises finanziert, zahlt heute kaum mehr als 1,5 Prozent effektiven Jahreszins p.a. Das bedeutet eine Nettozinsbelastung von 6,25 Euro je Quadratmeter und Monat. Selbst unter den Bedingungen des Mietpreisdeckels ist das ein langfristig attraktives Angebot. 

Hinzu kommt zwar die monatliche Tilgung, wobei diese nach Möglichkeit bei jährlich zwei Prozent oder darüber liegen sollte. Wer überdies aber auch noch sparsam und diszipliniert alle Gelegenheiten zur Sondertilgung eines Darlehens wahrnimmt, kann selbst eine Neubauwohnung nach 15 Jahren nahezu abgezahlt haben. Im Ergebnis funktioniert der Kauf einer Wohnung heute wie ein selbstauferlegter Zwangssparvertrag, durch den ein erhebliches Vermögen aufgebaut und die Mietfreiheit erlangt werden kann.

Nachhaltige Vermögensbildung durch Eigentum

Wer also beispielsweise fürs Alter vorsorgen und sich bezüglich seiner späteren Wohnkosten nicht auf die Fürsorge der Politik und beispielsweise die Rechtmäßigkeit des Mietendeckels verlassen möchte, sollte die Gelegenheit wahrnehmen und jetzt nach einer Wohnung zur Selbstnutzung suchen. Denn bekanntermaßen gibt es keinen besseren Schutz vor Altersarmut als ein Leben in den eigenen vier Wänden. Das hat unter anderem das Deutsche Institut für Altersvorsorge berechnet: Immobilieneigentümer vererben demnach im Schnitt ein Vermögen über 150.000 Euro zusätzlich zum Wert der Immobilie. Dagegen müssen Kinder, deren Eltern zur Miete gewohnt haben, Hoffnungen auf große Vermögenszuwächse oft begraben. Ein Viertel von ihnen geht völlig leer aus oder erbt sogar Schulden, weil ein großer Teil der Rente für Mietzahlungen verwandt werden musste.

Der Mietendeckel wird an dieser Situation nichts Grundlegendes ändern. Während Mieter bis an ihr Lebensende monatlich für ihre Wohnung zahlen, dürfen Eigentümer sich über stabile Vermögenszuwächse freuen. Sinkende Immobilienwerte sind in Berlin dagegen nicht zu befürchten. Der Zuzug ist zwar im Vergleich zum Vorjahr deutlich rückläufig. Doch das hat weniger mit der mangelnden Attraktivität der Stadt als mit fehlenden Wohnungen, dem zu geringen Neubau und dem Fachkräftemangel auf dem Bau zu tun. Aktuell werden in Berlin über 150 Bauleiter gesucht, davon etwa die Hälfte im Wohnungsbau. Angesichts solcher Zahlen liegen Bauboom und Bedarfsdeckung in weiter Ferne.  

Einar Skjerven ist Geschäftsführer der Skjerven Group.

Foto: Skjerven Group, Shutterstock

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