Weniger Regulierung, mehr Wohnungsneubau

Alle zwei Jahre veröffentlicht die Bundesregierung einen Wohngeld- und Mietenbericht, der Aufschluss über die aktuelle Situation auf dem Wohnungsmarkt geben soll. Der Bericht, den die Große Koalition vor wenigen Tagen vorgestellt hat, enthält zwar viele positive Schlagworte und so manches Eigenlob. Doch schaut man genauer hin, entpuppt er sich als Alarmsignal. Ein Kommentar von Jürgen Michael Schick, Präsident des Immobilienverbands Deutschland IVD.

Als Alarmsignal wirkt insbesondere die Bestandsaufnahme, dass Geringverdiener im Schnitt fast die Hälfte ihres Einkommens allein für die Warmmiete aufwenden müssen, während Haushalte mit mehr als 4.500 Euro Monatseinkommen lediglich 17 Prozent davon für das Wohnen verbrauchen.

Es geht um die, die ohnehin schon wenig haben

Der akute Wohnraummangel in Deutschland belastet vor allem Geringverdiener überdurchschnittlich und führt zu einer Situation, die mit Fug und Recht als sozial ungerecht bezeichnet werden kann.

Die politische Frage muss deshalb lauten, wie sich diese Situation verbessern lässt. Die politische Antwort darauf waren in den vergangenen Jahren vor allem verstärkte Eingriffe ins Mietrecht wie beispielsweise die Mietpreisbremse.

Auch derzeit konzentriert sich die wohnungspolitische Debatte in erster Linie auf Mietpreisbremse und neuerdings auch den Mietendeckel.

Anspannung nach wie vor vorhanden

Doch der aktuelle Wohngeld- und Mietenbericht der Bundesregierung kommt ziemlich deutlich zu dem Ergebnis, dass diese regulatorischen Eingriffe nicht die Ursache des angespannten Mietwohnungsmarktes bekämpfen können.

So heißt es im Bericht: „Gleichwohl blieb die Wohnungsmarktsituation in den wirtschaftsstarken Regionen im Berichtszeitraum deutlich angespannt. Ursache hierfür ist ein hoher Nachfrageüberhang, der auf Bestandsmärkten wie dem Wohnungsmarkt nur mit spürbarer Zeitverzögerung abgebaut werden kann.“

Das bedeutet erstens, dass die Anspannung trotz der zahlreichen Eingriffe der vergangenen Jahre noch immer vorhanden ist. Und es bedeutet zweitens, dass die Anspannung insbesondere aus der hohen Diskrepanz zwischen großer Nachfrage und zu geringem Angebot resultiert.

Die einzige Lösung, um den Wohnungsmarkt zu entspannen, kann daher nur ein verstärkter Wohnungsbau sein.

Große Koalition möchte viel tun – aber erst später

Das heißt, dass mehr, schneller und günstiger gebaut werden muss. Wir brauchen mehr Neubau in allen Preiskategorien, vor allem auch beim bezahlbaren Wohnen. Die Politik kann und muss dabei unterstützen, indem Genehmigungsverfahren beschleunigt, Bauvorschriften und -normen entschlackt, Nachverdichtung erleichtert und mehr Bauland mobilisiert werden.

Die Große Koalition listet im aktuellen Wohngeld- und Mietenbericht zwar zahlreiche entsprechende Vorhaben auf. Doch sind viele dieser Vorhaben noch nicht über die Ankündigungsphase hinausgegangen. Die Situation ist aber so akut, dass deutlich schneller gehandelt werden muss.

Das gilt auch für die deutsche Eigentumspolitik, die bei Mietenpolitik eigentlich immer mitgedacht werden müsste. Durch die geringe Wohneigentumsquote von 45 Prozent – damit gehört Deutschland zu den Schlusslichtern in Europa – werden Probleme auf dem Mietwohnungsmarkt schließlich umso gravierender.

Baukindergeld ist erst der Anfang

Die Zinsen befinden sich weiter auf einem historischen Tief, jetzt wäre also die große Chance, mehr Deutsche ins Eigenheim zu bringen. Dafür muss die Eigentumsförderung ausgebaut werden.

Die Große Koalition hat mit dem Baukindergeld bereits einen guten Anfang gemacht, doch was ist beispielsweise mit der im Koalitionsvertrag angekündigten, aber noch immer nicht umgesetzten KfW-Bürgschaft, die die Eigenkapitalforderung der Banken und damit die zentrale Hürde bei der Eigentumsbildung deutlich absenken würde?

Und auch die Kommunen sind gefragt, wenn es um die Förderung von Wohneigentum geht. Es ist ein Irrweg, wenn Städte wie Berlin zunehmend die Umwandlung von Miet- zu Eigentumswohnungen verbieten: Der Zugang zu Wohneigentum muss einfacher werden, nicht noch schwieriger.

Wohngeld geht in die richtige Richtung

Eine positive Lehre des von der Bundesregierung vorgelegten Wohngeld- und Mietenberichts ist zumindest der erfolgreiche Ausbau des Wohngelds. 2016 wurde das Wohngeld reformiert, die Anzahl der potenziellen und realen Wohngeld-Bezieher stieg dadurch deutlich an. Im Mai 2019 hat das Bundeskabinett außerdem eine Erhöhung ab 2020 beschlossen.

Das Wohngeld ist eine sinnvolle Fördermaßnahme, da sie sehr gezielt diejenigen bezuschusst, die durch hohe Wohnkosten verhältnismäßig am stärksten belastet sind. Es kommt dadurch übrigens auch zu einem deutlich geringeren Streuverlust als bei Sozialwohnungen, in denen häufig Haushalte leben, die auf staatliche Förderung gar nicht angewiesen sind.

Eine Subjektförderung wie das Wohngeld ist also zweckmäßig, sollte aber natürlich trotzdem nur einen Baustein darstellen – im Idealfall ist sie gar nicht nötig. Um sich diesem Idealzustand zu nähern, wird sich die deutsche Wohnungspolitik jedoch ändern müssen.

 

Foto: Shutterstock

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