EZP statt EZB: Auf dem Weg zu einem Europäischen Zentrum für Politik

Die Europäische Zentralbank (EZB) wurde nach dem Vorbild einer unabhängigen Zentralbank geschaffen. Entscheidungen, die hier getroffen werden, sollen der Durchsetzung der wirtschaftlichen anstatt der politischen Disziplin dienen.

In letzter Zeit scheinen sich jedoch die Rolle und auch das Mandat der EZB zu verändern.

Die Entwicklung der EZB hin zu einem verlängerten Arm des Staates wird durch die Äußerungen des Bundesbank-Präsidenten Jens Weidmann verdeutlicht. Er vergleicht die Ankündigung der EZB, Anleihen von Krisenstaaten anzukaufen, mit der massiven Staatsfinanzierung über die Notenpresse, die man von nicht unabhängigen Zentralbanken kennt.

Nun hat die EZB diese Entwicklung nicht nur akzeptiert, sie will sich möglicherweise sogar selbst zum Staat aufschwingen. Ihr Programm zum Ankauf von Anleihen wird davon abhängig gemacht, ob ein souveräner Staat bestimmte Bedingungen erfüllt. Somit setzt die EZB dazu an, sowohl die Fiskal- als auch auch die Ausgabenseite zu kontrollieren und damit staatliche Befugnisse auszuüben.

Das heißt: Sie hätte die Zuständigkeit sowohl für die Notenpresse als auch für die Ausgaben. Demnach wäre sie zwangsläufig auch mit der schwierigen politischen Aufgabe konfrontiert, bei Nichterfüllung der Bedingungen durch den jeweiligen Mitgliedsstaat die Notenpresse wieder zu stoppen. Kein Wunder, dass Herr Weidmann dagegen ist!

Dies ist nicht das einzige Beispiel für die stärkere politische Ausrichtung der Zentralbank in der letzten Zeit. Durch das ausdrückliche Ziel der Eurorettung um jeden Preis hat sie eigentlich bereits eine politische Entscheidung getroffen.

Eine Währungsunion ist per Definition ein politisches Konstrukt. Daher ist die jüngste Übernahme eines Doppelmandats aus Inflationssteuerung und Eurorettung durch die EZB ein Schritt in Richtung einer stärker politisch orientierten Zentralbank.

Problematisch für die EZB in ihrer Rolle als politischer Akteur ist unter anderem ihre Organisation, denn diese ist nicht gerade effizient oder demokratisch gestaltet. Da jedes Land nur eine Stimme hat und damit keine proportionalen Verhältnisse vorliegen, müssen die größeren Mitglieder gegebenenfalls Entscheidungen widerwillig mittragen, mit denen sie nicht einverstanden sind und auch die Kosten dafür übernehmen – wie zum Beispiel Deutschland.

Zweitens werden die Ratsmitglieder nicht nach demokratischen Grundsätzen ernannt. Und drittens sind die Ratsmitglieder in ihrer Eigenschaft als Präsidenten der nationalen Zentralbanken naturgemäß eher Ökonomen.

Eine Zentralbank und der Staat, in dessen unabhängigem Interesse sie theoretisch agiert, sind nie völlig entkoppelt. Die EZB wird allerdings immer mehr zum EZP – einem Europäischen Zentrum für Politik. Und das wirft neue Fragen auf: Werden die europäischen Regierungen ihr die entsprechenden Kompetenzen übertragen? Und wird die EZB in der Lage sein, mit diesen Kompetenzen richtig umzugehen?

Autor: Richard Woolnough, Fondsmanager Anleihen bei M&G Investments

Foto: Shutterstock

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