Euro-Politik oder wissen sie noch, was sie tun?

Die Halver-Kolumne: Bei der Lösungsfindung – zum Beispiel Zypern – macht die Politik wieder das, was sie am besten kann: Rumwurschteln.

Robert Halver, Baader Bank

Wenn man auf die Schnapsidee kommt, grundsätzlich die kleinen, an der Krise unschuldigen Sparer mit in Zwangshaftung für die Banken- und Staatssanierung zu nehmen, braucht man sich über Volkes Zorn nicht zu wundern. Warum spielt man den Sparern nicht gleich einen früheren Schlagerhit Chris Howlands vor: „Und dann hau ich mit dem Hämmerchen Dein Sparschwein kaputt“.

Aus Vertrauen wird schnell Misstrauen

Ein „umgekehrter Banküberfall“ kann niemals als Blaupause für Krisenlösungen für Euro-Länder dienen. Politiker der Eurozone, die teilweise nicht über mehr Feingefühl als Keulen tragende Neandertaler verfügen, sollten bedenken, dass Menschen keine willfährigen Maschinen sind, sondern mitunter irrational handeln und psychologischen Massenphänomenen unterliegen. Unser Finanzsystem fußt eigentlich nur auf dem Vertrauen, dass Bankeinlagen sicher sind. Und wenn die heilige Kuh der euroländischen Einlagensicherung von 100.000 Euro auch nur im Entferntesten mit dem Geruch von Schlachthof in Berührung kommt, gilt die einfache Formel: Je weniger Vertrauen, desto schneller der Abzug von Bankeneinlagen.

Überhaupt haben sich in der Vergangenheit Euro-Politiker in der Disziplin „Vertrauen“ nicht wirklich mit Ruhm bekleckert. Vor der Kamera spricht man von Stabilität, dahinter wurde sie zertrümmert wie Meißner Porzellan beim Ehestreit. U.a. erinnere ich mich an den ehemaligen Eurogruppen-Chef Juncker, der heute längst zum finanzpolitischen Standard gehörende Hilfsleistungen zwischen Ländern der Eurozone einst als so absurd wie eine Hungersnot in Bayern bezeichnete. Ich kann mich regelmäßig davon überzeugen, dass die Bayern nach wie vor ganz gut im Futter liegen. Und wenn jetzt offensichtlich die Sparerenteignung als enttabuisiertes Instrument im Werkzeugkasten der Krisenlösung bereit liegt, kann man irritierten Sparern in Italien und Spanien frevelhafte Gedanken wohl kaum verdenken.

Solidarität ist keine Einbahnstraße

Bei jeder Lösung für angeschlagene Euro-Länder darf die Euro-Politik nicht klein beigeben und muss für ihre Hilfsleistung an Länder selbstverständlich Gegenleistungen einfordern. Ansonsten könnten andere Sorgen-Länder diese „Hab dich lieb-Lösung“ als Blaupause für eigene Belange missbrauchen und damit euroländische Sparauflagen als „Es kreiste der Berg und gebar eine Maus-Politik“ völlig unglaubwürdig brandmarken.

Grundsätzlich muss die Freigrenze der Einlagensicherung von 100 Tausend Euro unantastbar bleiben, damit kleine Sparer nicht die Zeche für die Banken- und Staatssanierung zahlen müssen. Sparerenteignung hat für mich etwas zu tun mit „Wir versaufen unser Oma ihr klein Häuschen“.

Draghi platzt endlich der Kragen

Für mich ist es eine Wohltat, dass die EZB – wie am Beispiel Zyperns bereits gezeigt – massiv Druck aufbaut, auf schnelle politische Lösungen pocht und ansonsten mit dem Ende der geldpolitischen Happy Hour droht. Damit zeigt sie zum einen deutlich, dass sie nicht wie selbstverständlich die Kastanien für untätige, auf Zeit spielende Politiker aus dem Feuer holt. Und zum anderen beendet die EZB mit geldpolitisch erzwungenen Lösungen die Verunsicherung an den Märkten, die früher oder später auch die gesamt-euroländische real- und finanzwirtschaftliche Stimmung heimsuchen würde. So nimmt sie im Guten wie im Schlechten die Mutterrolle für die Eurozone ein.

Und hier bin ich wieder bei einem weiteren Hit von Chris Howland: „Die Mutter ist immer dabei“.

 

Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. Mit Wertpapieranalyse und Anlagestrategien beschäftigt er sich seit Abschluss seines betriebswirtschaftlichen Studiums 1990. Halver verfügt über langjährige Erfahrung als Kapitalmarkt- und Börsenkommentator und ist durch regelmäßige Medienauftritte bei Fernseh- und Radiostationen, auf Fachveranstaltungen und Anlegermessen sowie durch Fachpublikationen präsent.

Foto: Baader Bank

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