„Europa leidet unter den ungelösten Problemen im Bankensektor“

Wie ist Ihre Einschätzung zu der weiteren Entwicklung der Aktienmärkte in Europa, Nordamerika und Asien?

Wir befinden uns derzeit in einem relativ ausgewogenen Marktumfeld, auch wenn dies rechts und links von Extremen begleitet wird. Diese Extreme sind auf die nunmehr seit Jahren andauernden Interventionen der wichtigsten Notenbanken zurückzuführen. Durch die massiv nach unten verzerrten Zinsen und Renditen am Anleihenmarkt haben die Aktienmärkte stattliche Bewertungsniveaus erreicht, wodurch die künftige Entwicklung ein Stück weit nach oben gedeckelt ist.

Gleichzeitig ist die relative Bewertung im Vergleich zu anderen Anlageklassen wie Anleihen und Immobilien weiterhin attraktiv und die wirtschaftliche Entwicklung kann zumindest als robust bezeichnet werden. In der Folge erwarten wir für die Aktienmärkte im Allgemeinen eine Fortsetzung der bereits in den vergangenen zwei Jahren zu beobachtenden Seitwärtsbewegung. Differenziert man geografisch, so zeigen sich dennoch Unterschiede.

Europa leidet unter seiner politischen Instabilität und den ungelösten Problemen im Bankensektor, was sich in einer etwas niedrigeren Bewertung gegenüber den anderen Regionen widerspiegelt. Das Chance-Risiko-Verhältnis gleicht dadurch einer Turnaround-Story. Stabiler stellt sich die Situation in den USA dar, wodurch die Schwankungen der Aktienkurse dort im Vergleich zu Europa auch deutlich geringer ausfallen. In Asien verfolgen wir vor allem den japanischen Markt, der die Speerspitze der geldpolitischen Experimente darstellt und als Gesamtkonstrukt kaum berechenbar ist.

Welche Branchen bevorzugen Sie derzeit und nach welchen Aspekten wählen Sie die Einzeltitel aus?

Aktuell werden wir vor allem im Telekommunikations- und Technologiebereich fündig. In diesen Branchen finden wir Geschäftsmodelle mit strukturellem Rückenwind und attraktiven Chance-Risiko-Eigenschaften. Zudem rückt der Versicherungssektor gerade wieder stärker in unsere Aufmerksamkeit, wo sich einige Belastungsfaktoren sukzessive reduzieren. Im Rahmen des Selektionsprozesses steht die Bewertung der Aktie im Vordergrund, sie ist die wichtigste Einzelkomponente im langfristigen Ertrag von Aktieninvestments.

Zudem ist die Vermeidung von Verlusten elementarer Bestandteil unserer Unternehmensphilosophie. Entsprechend berücksichtigen wir die Risiken von Investments schon auf Einzeltitelebene, um bereits dort die Basis für eine möglichst stetige Wertentwicklung mit limitiertem Risiko zu legen. Neben der Bewertung und den Wachstumsaussichten der ausgewählten Unternehmen legen wir hohen Wert auf die bilanzielle Substanz und finanzielle Stärke. Ebenfalls relevant für die Investmententscheidung sind die Beurteilung der Stabilität und Qualität des Geschäftsmodells und des Managements sowie eine angemessene Beteiligung der Aktionäre am Geschäftserfolg.

In der Praxis steht zu Beginn des Aktienprozesses ein quantitatives Screening, um das Anlageuniversum auf eine überschaubare Anzahl potenziell attraktiver Einzelwerte zu reduzieren. Anschließend wird eine tiefergehende Analyse durchgeführt, die durch intensive Gespräche mit Unternehmensvertretern und externen Analysten vervollständigt wird.

Interview: Tim Rademacher

Foto: Ethenea

Lesen Sie das vollständige Interview im aktuellen Cash.-Magazin 11/2016.

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