Vorsprung von May schrumpft

Hartwig Kos, SYZ Asset Management, erwartet einen Sieg von Theresa May bei den britischen Parlamentswahlen am 8. Juni. Viel entscheidender sei jedoch, wie groß der Vorsprung ausfällt.

Das Brexit-Referendum hat die Märkte in Bewegung gebracht. Fidelity hat die Auswirkungen untersucht.
Regierungssitz in London: Die neue Regierungschefin wird ab dem 8. Juni vermutlich die alte sein.

„Theresa May hat im Moment eine Mehrheit von fünf konservativen Sitzen im Parlament – ein sehr knapper Vorsprung“, findet Hartwig Kos, Vize-CIO und Co-Head Multi-Asset Team bei SYZ Asset Management. „Dies bedeutet, dass die britische Premierministerin die gesamte Konservative Partei hinter sich haben muss, um Gesetze verabschieden zu können. Hinzu kommt: Seit dem Referendum über Großbritanniens Mitgliedschaft in der Europäischen Union (EU) (und auch vorher) ist die Tory Party zwischen proeuropäischen Unterhausabgeordneten und sogenannten ‚Brexiteers‘ (pro-Brexit Parlamentsmitglieder) gespalten. Dieses Zerwürfnis innerhalb der regierenden Partei erschwert für Theresa May die Verhandlungen über die Bedingungen des Breit.“

Weniger abhängig von Forderungen der Brexiteers?

„Angesichts dieser Schwierigkeiten und aufgrund der großen Popularität von Theresa May sowie der führenden Position der Tories in den Umfragen hat sich May zu vorgezogenen Parlamentswahlen entschlossen. Zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung hätte die Konservative Partei laut Hochrechnungen eine Mehrheit von 100 Sitzen im Parlament gewinnen können. Würde sich diese Prognose bewahrheiten, könnte May viel flexibler in die Austrittsverhandlungen mit den europäischen Partnern treten, denn sie wäre nicht abhängig von den Forderungen der Brexiteers innerhalb der Tory-Partei“, so der in London ansässige Anlageexperte.

Taktische Fehler im Vorfeld der Wahlen

Tatsächlich schrumpfe die prognostizierte Mehrheit von 100 Parlamentssitzen: Einige taktische Fehler im Vorfeld der Wahlen haben Mays Beliebtheit verringert und die Wahrscheinlichkeit sei hoch, dass die Tories die Wahlen mit einer Mehrheit von lediglich 30 bis 50 Sitzen gewinnen. Dies werde Mays Flexibilität bei den Austrittsverhandlungen bedeutend einschränken. Noch wichtiger: „Die Märkte haben sich nun auf die Tatsache eingestellt, dass der Sieg Mays viel knapper ausfallen dürfte, als zunächst angenommen. Infolge dessen erlebte der Pfund – das Druckventil Großbritanniens – in den letzten Wochen eine ausgeprägte Schwäche. Britische Aktien hingegen schlugen sich gut und dürften, auch dank des schwachen Pfunds, im Vorfeld der Wahlen auch weiterhin erfreuen“, erklärt Kos.

„Geringerer Vorsprung wird die Märkte enttäuschen“

„Wir bleiben bei unserem Basisszenario, dass Theresa May die Wahlen gewinnen wird, allerdings mit einem geringeren Vorsprung als erwartet“, sagt der Experte von SYZ. „Dies wird die Markterwartungen enttäuschen. Unserer Ansicht nach besteht außerdem das Risiko von Kursdifferenzen in dem Fall eines „Hung Parliament“ – eines Parlaments in einer Pattsituation, weil keine der Parteien ausreichend Sitze hat, um eine bedeutende Mehrheit herzustellen und keine Entscheidungen zu treffen imstande ist. Dieses Risiko stufen wir allerdings als gering ein. Dennoch hätte ein solches Wahlergebnis ernsthafte Folgen für alle britischen Anlageklassen und den Pfund im Besonderen. Fernerhin würde es Theresa May mit größter Wahrscheinlichkeit zwingen, als Premierministerin zurückzutreten. Die größte Gefahr besteht allerdings darin, dass dann die Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EU im Wesentlichen ohne feste Absprache enden könnten.“ (fm)

Foto: Shutterstock

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