„Die Stimmung ist schlechter als die Lage“

Trotz der weiterhin guten Fundamentaldaten ist die Stimmung an den Finanzmärkten getrübt. Investoren müssen sich auf die veränderte Lage einstellen, sollten aber auch nicht schwarzsehen. Joachim Häger und Kai Franke von Oddo BHF haben am Donnerstag einen Ausblick auf die Entwicklung in der zweiten Jahreshälfte gegeben.

Joachim Häger, Mitglied des Vorstands der Oddo BHF AG
Joachim Häger: „Die Volatilität, die der Fluss von Nachrichten impliziert, spiegelt sich in den fundamentalen Daten noch  nicht wieder“

„Die Stimmung ist schlechter als die Lage“, fasste Joachim Häger, Mitglied des Vorstands der Oddo BHF AG die aktuelle Lage an den Finanzmärkten zusammen. Am Donnerstag gab er gemeinsam mit Kai Franke ein Update zum Kapitalmarktszenario. Franke ist Geschäftsführer von Oddo BHF Trust und CIO des Private Wealth Management von Oddo BHF.

„Die Volatilität, die der Fluss von Nachrichten impliziert, spiegelt sich in den fundamentalen Daten noch  nicht wieder“, so Häger. Franke ergänzt:“Durch die negativen Nachrichten hat man das Gefühl, man ist schon in einer Rezession.“ Doch 2018 werde die Eurozone mindestens um zwei Prozent wachsen, die US-Wirtschaft um drei Prozent oder mehr.

Schlechte Stimmung dank Trumps Twitter-Account

Grund für die schlechte Stimmung sei vor allem die Handelspolitik Donald Trumps. Den Handelsstreit habe er vor allem wegen der anstehenden Wahlen im November begonnen. „Das Ziel Trumps ist ein Deal, noch vor der Wahl, den er als Erfolg verkaufen kann. 180-Grad-Wendungen sind bei dieser Regierung durchaus möglich“, so Franke.

Er wies daraufhin, dass trotz der täglichen Tweets und Ankündigungen Trumps bisher jedoch nur zwei Entscheidungen durchgesetzt worden: Höhere Zölle auf Stahl und Aluminium und gegenseitige Einfuhrzölle auf chinesische Waren im Wert von 50 Milliarden US-Dollar.

Die Geldpolitik der großen Notenbanken stütze die Aktienmärkte weiterhin. Einzig die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) habe die Zinsen bisher erhöht, aber auch das sei noch keine restriktive Geldpolitik, bei weiterhin negativen Realzinsen am Geldmarkt. Die Fed nutze lediglich das Fenster der guten Konjunktur.

Geldpolitik hat Zepter abgegeben

Von der Europäischen Zentralbank (EZB) werde es frühestens im Sommer 2019 einen Zinsentscheid geben, schon allein, weil Italien auf niedrige Zinsen angewiesen ist, um seine Schulden bedienen zu können. „Man sitzt de facto am Regierungstisch, wenn man ein so hohes Staatsanleihen-Exposure hat wie die EZB“, sagte Franke.

Die Geldpolitik bleibe also weiterhin akkommodierend, habe aber nicht mehr „das Zepter in der Hand, um neue Impulse zu setzen“. Die Zinsen würden die Märkte nicht abwürgen, jedoch auch nicht mehr treiben.

Risiken für Aktieninvestoren sei der Handelskonflikt, mangelnde Reformbereitschaft in Italien und ein harter Brexit. Die Krise in der Türkei werde sich hingegen kaum auswirken, die Ansteckungsgefahr sei allein aufgrund der geringen wirtschaftlichen Größe des Landes gering. Dieses Risiko sei ein politisches, kein Wirtschaftliches, sagte Franke.

Portfolio stabilisieren

Ein Handelskrieg würde vor allem exportorientierte Volkswirtschaften wie Deutschland, Japan und China treffen. Unter dem Brexit würden vor allem britische Binnenwerte leiden, internationale Unternehmen, die ihren Sitz in Großbritannien hätten, könnten zumindest nominal durch die Schwäche des Pfunds gewinnen.

Um das Portfolio zu stabilisieren, sollte ein hohes Exposure zum Banken-, Automobil- und Telekommunikationssektor sowie zu Italien, Großbritannien, Japan, China und Deutschland gemieden werden. Bei der Aktienselektion seien vor allem nachhaltig erfolgreiche Geschäftsmodelle wichtig und die Vorbereitung auf die Digitalisierung. (kl)

Foto: Oddo BHF

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