EZB-Entscheidung: Das sagt der Markt

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Laufzeit ihrer billionenschweren Wertpapierkäufe verlängert und zugleich ein Ende der Käufe für Ende des Jahres angekündigt. Was der Markt von diesen Maßnahmen hält.

Die EZB stellt die nach Meinung vieler Marktteilnehmer überfälligen Wertpapierkäufe ein.

Dr. Andreas Martin Vorstandsmitglied im Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken: Die Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB), ihr Anleihenkaufprogramm zum Ende dieses Jahres auslaufen zu lassen, ist überfällig. Nun sollte die EZB auch die Zinswende möglichst bald im Jahr 2019 einleiten. Strafzinsen auf Bankeinlagen bei der EZB passen nicht zu einem Währungsraum, der sich im vierten Jahr des Aufschwungs befindet. Der EZB-Rat sollte zudem recht bald darlegen, wie die hohen Bestände an Staatsanleihen in den Büchern der Notenbank perspektivisch zurückgeführt werden sollen. Aktuell befindet sich jeder fünfte Euro der Staatsschulden der Eurostaaten in den Büchern der EZB.

Klaus Wiener, Mitglied der GDV-Geschäftsführung: „EZB darf sich nicht von kurzfristigen konjunkturellen Schwankungen leiten lassen.“

Klaus Wiener, Chefvolkswirt des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV): Leider konnte sich die EZB nicht dazu entscheiden, das Anleihekaufprogramm im September zu beenden. Dabei rechtfertigen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der Preisdruck eine so extreme geldpolitische Positionierung schon lange nicht mehr. Die EZB darf sich bei ihren Entscheidungen nicht von kurzfristigen konjunkturellen Schwankungen leiten lassen, zumal derzeit wenig für den Beginn einer stärkeren Wachstumsabschwächung spricht. Auch geopolitische Risiken, die neuerdings ja fast immer gegeben sind, sollten bei der jetzt erforderlichen geldpolitischen Normalisierung keine Rolle spielen. Das Mandat der EZB ist Preisstabilität. Und die ist derzeit nicht in Gefahr.

Helmut Schleweis, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV): Der Wendepunkt der Geldpolitik erscheint jetzt am Horizont. Die Sparer können nun langsam auf bessere Zeiten hoffen. Zwar gibt es mehr denn je große, globale politische Unsicherheiten. Die Wirtschaftslage im Euroraum ist jedoch robust. Das hat die Möglichkeit und auch die Notwendigkeit für die heutige Entscheidung geschaffen Auch die Inflationsentwicklung hat zuletzt wieder etwas mehr Dynamik gezeigt. Deshalb ist es gut, dass die EZB jetzt entschlossen gehandelt hat. Der jetzt fixierte Endpunkt der Bilanzausweitung des „Quantitative Easing“ ist der erste wichtige Schritt hin zu einer geldpolitischen Wende und zu einer Normalisierung der Geldpolitik. Im Jahre 2019 müssen dann, wenn Konjunktur und Preise dies weiter erlauben, die nächsten Schritte folgen. Vor allem ein Abbau des Negativzinses der EZB-Einlagefazilität als dem derzeit bestimmenden Leitzins wäre dann fällig. Hier ist es schade, dass die EZB dies für das erste Halbjahr 2019 schon ausgeschlossen hat.

Larry Hatheway, GAM: „Die ersten Marktreaktionen waren positiv für Anleihen und Aktien und negativ für den Euro.“

Larry Hatheway, Group Head GAM Investment Solutions und Chefökonom bei GAM Investments: Nach den Kommentaren von Peter Praet, Chefökonom der Europäischen Zentralbank (EZB), die vergangene Woche den Markt bewegten, rechneten die Anleger damit, dass die EZB ein Ende des Quantitative Easing-Programms für dieses Jahr ankündigen werde, mit Zinserhöhungen frühestens Mitte 2019. Zudem bestand die Erwartung, die EZB werde zukünftige Entscheidungen auf der Grundlage der aktuell verfügbaren Daten andeuten. Genau das hat die EZB heute geliefert. Nach einer Reihe schwächer als erwarteter Daten in diesem Jahr rechneten jedoch einige mit einer etwas nachgiebigeren Haltung der EZB. Folglich waren die ersten Marktreaktionen positiv für die Anleihen- und Aktienmärkte und negativ für den Euro. Angesichts der gestrigen etwas restriktiveren Fed-Haltung könnte der Euro gegenüber dem Dollar weiter geschwächt werden.

Dr. Jürgen Odenius, Economic Counsellor bei PGIM Fixed Income: Die Europäische Zentralbank hat heute ihr QE-Programm aufgekündigt und damit die Normalisierung der Geldpolitik eingeleitet. Die Zentralbank machte es hinreichend klar, dass ihre Netto-Anleihekäufe wohl zum Jahresende eingestellt werden, solange die Inflation sich weiterhin positiv entwickelt. Allerdings, um potenziell zu restriktiven Erwartungen entgegenzutreten, machte die Zentralbank klar, dass mit einer ersten Zinserhöhung frühestens zum Ende des nächsten Sommers zu rechnen sei. Die europäischen Finanzmärkte reagierten unmittelbar, so gaben beispielsweise die Renditen für Bundesanleihen nach und der Euro wertete marginal gegenüber dem Dollar ab.

Seite zwei: Zinsentscheidung überrascht

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