Facebooks Libra macht Kryptowährungen massentauglich – auch ohne Banken

„Facebook kann vielen Menschen erstmals Zugang zu einem stabilen Zahlungssystem inklusive einer stabilen Währung verschaffen. Gerade für diese Nutzer spielt auch der Transfer von Geld aus dem Ausland, wohin sie des Verdienstes wegen auswandern, zu ihren Familien eine große Rolle“, sagt Hartmut Giesen. Der Libra könne den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr daher in großem Maßstab drastisch vereinfachen und verbilligen.

Hürden: Aufsichtsrecht, staatlicher Widerstand, Datennutzung

Mit Blick auf die Umsetzung gilt es jedoch noch einige Hürden zu überwinden. Dazu zählen insbesondere Fragen des Aufsichtsrechts: Wie müssen Nutzer identifiziert werden, welche Anti-Geldwäsche-Pflichten müssen eingehalten werden, welche Steuervorschriften gelten, ist der Token als Zahlungsinstrument oder als Security Token anzusehen, was wiederum unterschiedliche Regulierungsvorschriften nach sich zieht.

Zudem könnte es in einigen Staaten starken gesetzlichen Widerstand geben, um eine breite Kapitalflucht in den Libra zu verhindern: „Gerade die Staaten, für deren Bürger der Libra am interessantesten sein könnte – etwa in der inflationsgeplagten Türkei –, dürften am wenigsten Interesse daran haben, dass eine leicht zugängliche Parallelwährung entsteht, die sich durch die staatliche Geldpolitik nicht beeinflussen lässt“, erklärt Hartmut Giesen.

Eine der größten Hürden ist Facebook selbst

Eine der größten Hürden für den Libra-Erfolg dürfte nach Meinung von Hartmut Giesen Facebook selbst sein: „Es gibt wenig Zweifel daran, dass Facebook technisch das Libra-System aufbauen kann. Doch gerade beim Thema Datennutzung schlägt Facebook schon heute ein großes Maß an Misstrauen entgegen.“

Die Verbindung der bereits auf den Plattformen kursierenden Daten mit den dann verfügbaren weltweiten Zahlungsdaten sorgt für große Befürchtungen, was Facebook mit dem Wissen, das aus der Vernetzung der Daten entsteht, wohl anstellen werde – auch wenn im Whitepaper ausdrücklich betont wird, dass Finanz- und Personendaten getrennt voneinander gehalten werden.

Nicht zuletzt widerspreche das Facebook-Konzept dem, was die Krypto-Community mit der Erfindung des Bitcoin eigentlich erreichen wollte: ein offenes dezentrales Zahlungssystem. „Mit Libra wird man nun ein multizentrales Währungsnetzwerk in der Hand eines Konsortiums kommerzieller Privatunternehmen haben“, sagt Hartmut Giesen.

Fazit: Die Umrisse der Blockchain-Revolution werden sichtbar

Nach Meinung von Hartmut Giesen wird es im Zuge der Libra-Lancierung eine Reihe von Nebeneffekten geben, ganz gleich, ob Libra ein Erfolg werde oder nicht. „Mittelfristig werden Milliarden Menschen zum ersten Mal mit Kryptowährungen in Berührung kommen und sehen, dass es sich nicht um geheimnisvolle, risikoreiche Zahlungsmethoden aus den dunklen Untiefen des Internets handelt“, sagt Giesen.

Deshalb sei damit zu rechnen, dass nach einer angemessenen Lernkurven-Zeit viele Menschen auch auf das „Original“, den Bitcoin, zugreifen könnten. Zudem könnte Libra als Blaupause für die Entwicklung einer Vielzahl weiterer Stablecoins auch für andere Anwendungsfälle fungieren. Auch die generelle Regulierung von Kryptowährungen sollte vom Facebook-Projekt profitieren, da Staaten allein aufgrund der hohen Verbreitung des Libra-Tokens schnell aufsichtsrechtlich Klarheit schaffen müssten.

Insgesamt lasse Facebooks Libra die Umrisse der bisher nur prophezeiten Blockchain-Revolution des Bankings erkennen: „Erstmals erscheint die reale Möglichkeit, dass ein Banken- und Staaten- unabhängiges Zahlungssystem entsteht, auch wenn es nicht wirklich dezentral und unabhängig ist“, erklärt Hartmut Giesen.

Foto: Sutor Bank

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