Wechsel an der EZB-Spitze: Was mit den Zinsen passiert

Thomas Meier, Fondsmanager bei MainFirst Asset Management, geht anlässlich der heutigen symbolischen Amtsübergabe des Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) Mario Draghi an seine Nachfolgerin Christine Lagarde nicht von einer baldigen geldpolitischen Wende aus – im Gegenteil. Investoren müssten auch künftig mit niedrigen Zinsen rechnen – und das für mindestens eine Dekade.

Christine Lagarde, neue EZB-Chefin

„Wir müssen uns in Europa auf japanische Verhältnisse einstellen“, kommentiert Meier. Als die japanische Notenbank den Leitzins in den 1990er-Jahren schrittweise gesenkt habe, seien viele Marktbeobachter von einer vorübergehenden Maßnahme ausgegangen. Da die hohe Schuldenlast Japans die Wirtschaftsentwicklung und die Inflation langfristig dämpfe, belasse die Bank of Japan den Leitzins inzwischen allerdings seit mehr als 20 Jahren bei nahe null. „Eine solche Entwicklung ist auch in Europa ein realistisches Szenario. Wir erleben gerade eine Japanisierung Europas“, betont Meier. 

Kein Wechsel der Zinspolitik unter Christine Lagarde zu erwarten

Der Fondsmanager geht davon aus, dass sich die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank unter der neuen Präsidentin Christin Lagarde nicht wesentlich ändern wird. „Zum einen hat Christine Lagarde bereits deutlich gemacht, dass sie eine lockere Geldpolitik auf absehbare Zeit für nötig hält. Zudem hat Mario Draghi, in dessen achtjähriger Amtszeit die EZB die Zinsen kein einziges Mal angehoben hat, seiner Nachfolgerin ein besonderes Geschenk hinterlassen: In Draghis letzter Zinssitzung hat die EZB bekräftigt, ab November ihre Anleihenkäufe wieder aufzunehmen“, so Meier. 

Zinsen dürften bis mindestens 2030 niedrig bleiben

Aktienexperte Meier nennt drei wesentliche Gründe für eine anhaltend expansive Geldpolitik der EZB: die demographische Entwicklung in Europa mit einer tendenziell schrumpfenden und älter werdenden Gesellschaft, die strukturell hohe Verschuldung in einigen EU-Staaten wie Griechenland, Italien und Portugal sowie die Verlangsamung des weltweiten Wirtschaftswachstums. „An diesen Rahmenbedingungen wird sich so schnell nichts ändern. Ich rechne deshalb auch für die kommende Dekade mit strukturell niedrigen Zinsen“, sagt Meier.

Deutsche Anleger sind nicht auf anhaltende Niedrigzinsphase eingestellt

Umso überraschender ist laut Meier, dass die Deutschen ihre Vermögensallokation noch nicht der neuen Anlagewelt angepasst hätten. „Die Risikoneigung der Deutschen ist weiterhin zu gering. 40 Prozent des Geldvermögens deutscher Haushalte besteht aus Bargeld und Einlagen – das sind 6,17 Billionen Euro. Aber nur 15 Prozent des Vermögens sind direkt in Aktien oder über Investmentfonds in Aktien investiert. Dabei führt in der anhaltenden Niedrigzinsphase kein Weg an Aktien vorbei, um langfristig Vermögen aufzubauen oder zu erhalten. Deutsche Anleger mit einer traditionellen Vermögensallokation riskieren, dass ihre Rendite künftig inflationsbereinigt negativ sein wird.“

Dividenden sind die besseren Zinsen

Was also tun? Meier hält in der anhaltenden Niedrigzinsphase Dividendenfonds für eine sinnvolle Option. Diese bieten die Chance auf interessante Renditen bei einer vergleichsweise defensiven Ausrichtung. „Allerdings ist die Dividendenrendite nicht alleine der entscheidende Faktor. Anleger sollten darauf achten, dass der Dividendenansatz des Fonds nicht nur kurzfristig, sondern langfristig Erfolg verspricht. Um dies zu erreichen, achten wir bei unserer Dividendenstrategie insbesondere auf die folgenden vier Aspekte: Wir konzentrieren uns erstens auf die Nachhaltigkeit der Dividenden und die Qualität der Aktien. Wir diversifizieren zweitens nach Sektoren und Subsektoren, achten auf eine geografische Streuung und stellen den Fonds auch im Hinblick auf die Marktkapitalisierungsgrößen breit auf. Wir fokussieren uns drittens auf Geschäftsmodelle mit hohen Eintrittsbarrieren. Und wir legen viertens Wert auf eine strukturelle Beimischung von Small & Mid Caps, insbesondere familiengeführte Unternehmen“, erklärt Meier.

Fazit

„In der Amtszeit von Christine Lagarde, die am 1. November 2019 beginnt, wird sich an der Situation strukturell niedriger Zinsen vermutlich nichts ändern. Anleger sind deshalb gut beraten, ihre Vermögensallokation an die neue Anlagewelt anzupassen und den Aktien-Anteil in ihrem Portfolio zu erhöhen. Mit Dividendenaktien und speziell Dividendenfonds können sie einen Ausweg aus dem Zinstal finden“, so Meier.  

Foto: Shutterstock

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