US-Wahl: Die Szenarien und wie man sich vorbereitet

Foto: Team Uwe Nölke
Michael Jensen, Moventum

Am 20. Januar 2021 soll der neue US-Präsident ins Amt eingeführt werden. Es spricht viel dafür, dass es wirklich ein neuer Präsident sein wird – aber auch der Verbleib von Donald Trump im Amt ist möglich. Als Asset-Manager heißt das: Szenarien analysieren und auf alles vorbereitet sein. Auch darauf, dass es möglicherweise zwei Präsidenten geben wird. Ein Kommentar von Michael Jensen, Managing Director, Moventum Asset Management S.A.

Am 20. Januar 2021 soll der neue US-Präsident ins Amt eingeführt werden. Es spricht viel dafür, dass es wirklich ein neuer Präsident sein wird – aber auch der Verbleib von Donald Trump im Amt ist möglich. Als Asset-Manager heißt das: Szenarien analysieren und auf alles vorbereitet sein. Auch darauf, dass es möglicherweise zwei Präsidenten geben wird. Ein Kommentar von Michael Jensen, Managing Director, Moventum Asset Management S.A.

Der 3. November 2020 ist der Tag, an dem weltweit auf die USA geschaut wird: der Tag der Abstimmung. Schon vorab werden viele Wähler ihre Stimme per Briefwahl abgegeben haben. Diese werden in manchen Staaten erst später ausgezählt – bei knappen Ergebnissen also ein Risikofaktor. Warum Risiko? Weil das größte Risiko dieser US-Wahlen darin besteht, dass es keinen klaren Sieger und eine lange Phase der Unsicherheit gibt.

Märkte lieben klare Ansagen

Das wäre äußerst negativ für Märkte, die gerne klare Ansagen haben – und für Investoren, die sich ebenfalls Klarheit wünschen. Zumal viele Portfoliomanager weltweit die USA deutlich übergewichtet haben. Was in den vergangenen Monaten und Jahren für eine gute Performance gesorgt hat, wird dann zur Risikoposition. Es gilt also nüchtern abzuwägen, was auf die USA und auf US-Investments zukommen wird. Dabei sind vier Szenarien denkbar.

Demokratische Wahlsieger bewegen Börsen kaum

Grundsätzlich gilt: Wahlsiege demokratischer Kandidaten haben die Börse weit positiver bewegt als Wahlsiege der Republikaner. Eine Wahl Bidens wäre insofern also grundsätzlich ein gutes Zeichen für die Kapitalmärkte. Andererseits hat der gegenwärtige Präsident die Börse mit seinen Steuergeschenken und Geldfluten glücklich gemacht, manch einer wünscht sich die einfache Fortsetzung. Die ist aber unwahrscheinlich, die Wahl wird die Machtverhältnisse ändern, da neben dem Präsidenten auch das Repräsentantenhaus und ein Drittel der Senatssitze neu gewählt werden. Daraus ergeben sich drei Szenarien:

1. Joe Biden gewinnt die Wahl zum Präsidenten, seine Demokraten die Mehrheit in beiden Häusern, Biden kann durchregieren. Kurzfristig würde die krachende Abwahl eines Präsidenten die Aktienkurse drücken. Dies wären aber eher Kaufgelegenheiten, denn langfristig würde Biden ein umfangreiches Infrastrukturpaket auf den Weg bringen, das die Börsen beflügelt. Während Aktien gewännen, würden höhere Staatsausgaben, finanziert womöglich durch Steuererhöhungen beziehungsweise durch die Rücknahme der Steuergeschenke für Unternehmen, möglicherweise Inflation auslösen. Das wäre negativ für den Dollar und auch für US-Anleihen.

2. Joe Biden wird Präsident, sonst ändert sich nichts: Das Repräsentantenhaus bleibt demokratisch, der Senat republikanisch. Biden könnte dann zumindest ein kleines Infrastrukturpaket durchbringen, letztlich aber wäre Stillstand eine mögliche Folge dieses Wahlausgangs. Aktien würden nach der Wahl möglicherweise kurz haussieren, dann aber angesichts fehlender Perspektiven seitwärts dümpeln. In beiden Fällen, in denen Biden Präsident wird, käme es jedenfalls zu einem deutlich moderateren Ton auf dem internationalen Parkett, eine verbale Entspannungspolitik, die auch die Märkte positiv stimmt.

3. Es bleibt alles, wie es ist: Trump bleibt Präsident, das Repräsentantenhaus demokratisch, der Senat republikanisch. Dieser Wahlausgang würde eine Phase des wirtschaftlichen Stillstands, aber auch der internationalen Eskalation einläuten. Die Börsen würden sich kurz freuen, dann aber in eine Abwärtsbewegung rutschen, wenn Trump Handels- und Technologie-Kriege mit China anzettelt. Es käme wohl auch zu weiterer Deregulierung im Finanz- wie im Energiesektor, die Spaltung der US-Gesellschaft würde sich verschärfen. In jedem Fall wäre national wie international der Krisenmodus aktiv: Gift für die Börsen.

Szenario 4: Zwei Präsidenten

Nun gibt es noch ein viertes Szenario. Denn auch beim Papst dachte man, es könne nur einen geben. Aber was für den Papst gilt, kann auch für US-Präsidenten gelten: Es gibt ihrer zwei. Der eine, der vom Volk gewählt wird, Joe Biden. Der andere, der im Weißen Haus sitzt und sich weigert, es zu verlassen: Donald Trump. Eine merkwürdige Vorstellung, ein Horrorszenario für die Märkte. Aber in einem solchen Fall ginge es nicht mehr um Märkte, es ginge um die Legitimation des Westens, das Fortbestehen der Idee von Macht auf Zeit und Demokratie. Wenn am 3. November 2020 die Zahlen nicht eindeutig ausfallen, wenn eine oder gar beide Seiten Unregelmäßigkeiten beim Wahlablauf sehen, wenn die Briefwahlstimmen erst später dazugezählt werden, dann ist ein solches Szenario möglich.

Stichtag 8. Dezember 2020

Der 8. Dezember 2020 wird hier erste Anhaltspunkte geben, denn bis zu diesem Termin müssen Streitigkeiten über Wahlergebnisse und Nachzählungen abgeschlossen sein. Vom 21. November bis zum 8. Dezember aber würde Chaos herrschen im mächtigsten Land der Welt, die wichtigste Börse der Welt wüsste nicht wohin und die wichtigste Währung der Welt wäre nur ein Spielball. Zwei Präsidenten würden darauf bestehen, der rechtmäßige Herrscher zu sein – und die Welt müsste dem Schauspiel untätig zusehen. Ein erschreckendes Bild, aber in der Analyse der Wahrscheinlichkeiten der vier Szenarien erhält es immer noch fünf Prozent.

Szenario 1 liegt deutlich vorne

Szenario 1 liegt mit 45 Prozent deutlich vorne, Szenario 3 mit 30 Prozent auf Platz drei und Szenario 2 mit 20 Prozent Wahrscheinlichkeit auf Platz drei. Für Anleger bedeutet das: Wahrscheinlich können sie mit steigenden Kursen ab 2021 rechnen. Seitwärts oder abwärts geht es mit 30 und 20 Prozent Wahrscheinlichkeit – hier wäre eine Absicherung notwendig. Und wer auf Szenario 4 setzt, sollte Leerverkäufe tätigen und sich dann mit viel Gold in die Berge zurückziehen.

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