Grüne Anleihen: Gewinner im Kampf gegen Klimawandel?

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Zur Eindämmung der Klimaerwärmung muss mehr getan werden, und zwar möglichst schnell. Welche Rolle grüne Anleihen dabei spielen können, haben Steven Williams, Head Portfolio Manager und Thomas Archer, Product Specialist aus dem Global Fixed Income Team von Nikko Asset Management analysiert.

Um die Emissionsziele zu erreichen, die notwendig sind, um die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels abzuwehren, müssen neue Technologien entwickelt und bestehende verbessert werden. Wie kann das Kapital dafür am besten bereitgestellt werden?

Vielfalt bei Technologie und Finanzierung

Vielfältig wie die benötigte Technologie muss auch die Finanzierung sein. Wir brauchen einen mehrgleisigen Ansatz aus Risikokapital, Aktien und festverzinslichen Wertpapieren. Risikokapital eignet sich beispielsweise am besten für die riskante und potenziell lukrative Finanzierung neuartiger Technologien. Es würde in innovative und unternehmerische Neugründungen fließen, von denen viele scheitern, einige Ausreißer aber schließlich Erfolg haben werden.

Das globale Ausmaß des Klimawandels bedeutet, dass von supranationalen Organisationen und Regierungen bis hin zu einzelnen Unternehmen alle in die Bemühungen einbezogen werden müssen. Staaten können die Energiewende in großem Stil vorantreiben und die notwendigen Infrastrukturausgaben stemmen.

Anleihen für infrastrukturbasierte Lösungen mit unmittelbarer Wirkung

Anleihen können, auch wenn sie oft als sicherere langfristige Anlage gelten, bei der Finanzierung von Infrastrukturlösungen die größte unmittelbare Wirkung entfalten – besser als grüne Risikofonds, bei denen sich große Erfolge erst in zehn Jahren einstellen.

Der Grund: Länder müssen mit bestehenden Technologien schon heute etwas bewirken, auch wenn diese Maßnahmen noch Jahre andauern, zum Beispiel bei groß angelegten Infrastrukturprojekten wie energieeffizienten Gebäuden und Stromnetzen für den Transport erneuerbarer Energie. Der Umfang solcher Projekte erfordert die Beteiligung von Regierungen und supranationalen Einrichtungen wie Entwicklungsbanken. Und deren bevorzugte Finanzierungsmethode sind Anleihen.

Einsatz grüner Anleihen zur Erreichung des Netto-Null-Ziels

Die Internationale Energieagentur IEA schätzt, dass die Welt in den nächsten 30 Jahren Investitionen von über 4 Billionen US-Dollar pro Jahr benötigt, um die Netto-Null-Emissionsziele bis 2050 zu erreichen. Die Investitionen in erneuerbare Energien haben zwar zugenommen, aber es sind immer noch Lücken zu schließen.

Grüne Anleihen, die ausdrücklich zur Finanzierung nachhaltiger Projekte ausgegeben werden, sind ein entscheidender Mechanismus, um diese Lücke zu schließen. Sie stellen ein schnell wachsendes Segment im globalen Markt für festverzinsliche Wertpapiere dar. In der ersten Jahreshälfte 2021 wurden weltweit insgesamt 575 Mrd. US-Dollar an grünen Anleihen emittiert, bereits 100 Mrd. US-Dollar mehr als im gesamten Jahr 2020. Die Gesamtemissionen in diesem Jahr dürften die Marke von 1 Billion US-Dollar erreichen.

Dies ist zwar noch weit entfernt von den 4 Billionen US-Dollar pro Jahr, aber grüne Anleihen sind ja auch nur ein Teil einer umfassenderen Lösung. Das weltweite ESG-Vermögen wird innerhalb von fünf Jahren schätzungsweise 53 Billionen US-Dollar erreichen. Darüber hinaus sind wir angesichts des derzeitigen Wachstumstempos optimistisch, dass grüne Anleihen bald zu einer der wichtigsten Finanzierungsquellen für Klimaschutzmaßnahmen werden. Dieses Wachstum wird durch mehrere Trends unterstützt – von der Einstellung der Anleger über nationale Prioritäten bis hin zur Marktnachfrage. Aus diesem Grund wird konservativ geschätzt, dass die weltweiten ESG-Kredite, einschließlich grüner Anleihen, bis 2025 ein Volumen von 11 Billionen US-Dollar erreichen werden. 

Regierungen erkennen Dringlichkeit

Einer der wichtigsten Wachstumstreiber des Marktes für grüne Anleihen sind nationale Prioritäten, insbesondere die Priorisierung von Netto-Null-Zielen. 137 Länder haben sich zur CO2-Neutralität verpflichtet, darunter die weltweit größten Verschmutzer USA, China und die EU19. Indien will seinen CO2-Fußabdruck bis 2030 um etwa 35 % gegenüber dem Stand von 2005 reduzieren. Die indische Regierung hat sich außerdem zum Ziel gesetzt, bis 2050 ihre Kapazität an erneuerbaren Energien zu verfünffachen.

Grüne Anleihen sind ein wichtiges Finanzierungsinstrument, um diese Ziele zu erreichen. So ist die People’s Bank of China dabei, ihr Rahmenwerk für grüne Anleihen an das europäische anzugleichen, um ausländische Investitionen zu fördern. Das Land wird einen erheblichen Anteil seiner 21,5 Billionen USD umweltfreundliche Investitionen in den kommenden 40 Jahren über Anleihen finanzieren. China ist bereits einer der größten Emittenten grüner Anleihen weltweit und der größte unter den Schwellenländern, gefolgt von Indien. Vom bevorstehende Klimagipfel werden noch strengere Verpflichtungen zur Reduzierung der CO2-Emissionen erwartet.

Neue Einstellungen der Anleger schaffen Marktnachfrage

Dem steigenden Angebot an grünen Anleihen entspricht eine wachsende Nachfrage seitens institutioneller und privater Anleger – diese erkennen, wie wichtig es ist, mit ihrem Kapital zur Bekämpfung des Klimawandels beizutragen.

Für die jüngeren Generationen ist der Klimawandel eines der wichtigsten Anliegen. In dem Maße, wie die Generation Z Investitionskraft entwickelt, wird sich dieser Trend verstärken. Fondshäuser ziehen mit – als Reaktion auf die Nachfrage und als Anerkennung der eigenen Verantwortung. Derzeit gibt es fast 4.000 Unterzeichner (verwaltetes Vermögen: 121,3 Billionen USD) der UN-Grundsätze für verantwortungsbewusstes Investieren. Eine kürzlich durchgeführte Umfrage ergab, dass 73 % der asiatischen institutionellen Anleger und 49 % der westlichen Anleger den Klimawandel in ihren Portfolios berücksichtigen sollten. 

Auf dem Weg zu einem transparenteren und anlegerfreundlicheren Markt für grüne Anleihen

Häufig äußern Anleger den Vorbehalt, dass grüne Anleihen teurer sind und geringere Renditen bieten, da das Angebot im Vergleich zur Nachfrage knapp ist. Das wachsende Angebot an Green Bonds hat dies weitgehend widerlegt. Es gibt keinen offensichtlichen systematischen Preisunterschied zwischen grünen und herkömmlichen Anleihen. Berücksichtigt man die steuerlichen Anreize, die bestimmten Anlegern zur Verfügung stehen, erscheinen grüne Anleihen noch attraktiver.

Eine weitere häufige Befürchtung betrifft die Transparenz. Die Anleger befürchten möglicherweise „Greenwashing“, d.h. dass das „grüne“ Etikett mehr Hype als Substanz ist. Eine berechtigte Sorge, die jedoch in Zukunft immer weniger ein Thema sein wird, insbesondere wenn strengere Vorschriften und solidere Richtlinien erlassen werden. So hat die Europäische Kommission im April 2021 eine umfassende Taxonomie verabschiedet, die einen wissenschaftlich fundierten Standard schafft, die Investoren bei Investitionen in nachhaltige Projekte nutzen können. China möchte mit der EU zusammenarbeiten, um gemeinsam anerkannte Taxonomien für grüne Investitionen zu erstellen. All dies ist ein bedeutender Schritt auf dem Weg zur Beseitigung des Greenwashings.

Die Zukunft ist vielversprechend, aber es besteht unmittelbarer Handlungsbedarf

Grüne Anleihen werden immer mehr zu einer etablierten Anlageklasse innerhalb der festverzinslichen Wertpapiere. In dem Maße, wie der Markt wächst, werden sich traditionelle Anleihefonds in grüne Anleihefonds verwandeln – bei einem kleineren Markt war das nicht möglich.

Die Zukunft des Marktes für grüne Anleihen ist vielversprechend. Gleichzeitig ist sofortiges Handeln gegen den Klimawandel unabdingbar. Die Finanzierung von Investitionen, die eine direkte Wirkung haben, wie z. B. große Infrastrukturprojekte, sind ein idealer Weg für Anleger, sich unmittelbar am Klimaschutz zu beteiligen.

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