Ökoworld: Vor-Ort-Research in Stockholm

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Stockholm: die schwedische Hauptstadt war das Ziel der Ökoworld-Analysten.

Ein wichtiger Bestandteil der Research-Arbeit von Investmentgesellschaften ist es, die Menschen hinter den Unternehmen kennenzulernen, um deren Visionen, Ambitionen und Strategien nachvollziehen zu können. Hierfür sind Unternehmensbesuche unverzichtbar. Diesmal zog es die Analysten von Ökoworld in den hohen Norden und in die schwedische Hauptstadt Stockholm. Ein Bericht von Lars von Danwitz, Sustainability Analyst bei Ökoworld.

Bei der Prüfung von Unternehmen greift das Nachhaltigkeitsresearch der Ökoworld auf unterschiedliche Quellen wie Geschäfts- und Nachhaltigkeitsberichte zurück. Die Reisen dienen außerdem dazu, neue aufstrebende Unternehmen mit einer ethisch-ökologischen Vision kennenzulernen, die bisher noch wenig zu Nachhaltigkeitsthemen berichten.

Nach Besuchen in Brasilien und den USA stand Ende August 2022 eine Reise nach Schweden auf dem Programm. Das Land hat einen großen Bestand an nachhaltig bewirtschaftetem Forst und ist damit schon seit über 20 Jahren für die Fonds der Ökoworld von Interesse. Die Nachhaltigkeitsanalysten Manuel Voßwinkel und Lars von Danwitz besuchten jedoch nicht nur Unternehmen mit Bezug zur Forstwirtschaft, sondern auch ein Unternehmen, dass aus alten Textilien Zellstoff zur Produktion von neuen Stoffen herstellt. Im Folgenden werden einige der besuchten Unternehmen und entsprechenden Gespräche kurz vorgestellt.

Holmen – der Pionier beim nachhaltigen Forstmanagement mit gewohnt hohen Ambitionen

Holmen stellt Papier, Pappkartons und Schnittholz her und bezieht dafür Holz unter anderem aus eigenen FSC-zertifizierten Wäldern. Durch die Produktion von Schnittholz, welches unter anderem für den Bau von Gebäuden eingesetzt wird, wird CO2 der Atmosphäre entzogen und langfristig gespeichert. Ebenfalls vorbildlich ist, dass Holmen vor mehr als 20 Jahren damit begonnen hat, erneuerbare Stromerzeugungsanlagen zu betreiben und den Strom zu vermarkten.

Manuel und Lars besichtigen mit dem Leiter der Papierfabrik, Anders Thorén, die Papierherstellung in Hallstavik.

Zunächst fanden in Stockholm Gespräche mit dem CFO Anders Jernhall, der Senior Vice President Sustainability and Communications Stina Sandell und Sustainability Coordinator Isabelle Rydelius statt. Sie konnten uns von der Bedeutung des Schnittholz- und Erneuerbare Energien-Segments für die Strategie des Unternehmens überzeugen. Auf Nachfrage konnten wir zudem genauere Informationen zum Anteil von Holz aus zertifiziertem Forstmanagement am gesamten Holzinput gewinnen. Um uns noch ein genaueres Bild vom Unternehmen machen zu können, besuchten wir außerdem eine Papierfabrik des Unternehmens. Die Fabrik in Hallstavik wird durch ein cleveres Energiekonzept, welches unter anderem ein Wärmerückgewinnungssystem umfasst, fast ausschließlich mit erneuerbaren Energien betrieben.

Auch durch die hohe Sensibilität unserer Gesprächspartner für Ethik und Ökologie, sehen wir uns in der Einschätzung bestärkt, dass bei Holmen Nachhaltigkeitsthema umfassend ins Geschäftsmodell integriert werden. In unseren Augen handelt es sich bei dem Unternehmen um einen der Nachhaltigkeitspioniere im Bereich Forstmanagement und in der Holz- und Papierproduktion.

Essity – innovative Ansätze mit Luft nach oben

Essity ist ein Hersteller von Hygieneprodukten mit einem hohen Zellstoffanteil. Zu den Produkten des Unternehmens gehören Toilettenpapier und Inkontinenz- und Menstruationsprodukte. Die Produkte ermöglichen Frauen und von Inkontinenz-Betroffenen Chancengleichheit und soziale Teilhabe. Director Investor Relations Sandra Åberg erläuterte, dass der soziale Produktnutzen die Mitarbeitenden motivieren würde. Sie hätten das Gefühl etwas Sinnvolles zu tun. Darüber hinaus tauschten wir uns zum Beispiel über neue Entwicklungen bei der Verwendung von Zellstoff aus Agrarabfällen, wie zum Beispiel Stroh, aus. Zudem sprachen wir über die Menschenrechtssituation in China, die Verwendung von erneuerbaren Energien in der Produktion und über die Umweltziele des Unternehmens. Insgesamt haben wir den Eindruck gewonnen, dass Essity offen für weitere Anregungen ist und sich in Zukunft weiter verbessern wird. Wir haben vereinbart weiter in Kontakt zu bleiben.

Sandra ÅBERG, Director Investor Relations von Essity, Lars und Manuel lassen sich nach einem produktiven Gespräch ablichten.

Renewcell – der Tesla der Textilindustrie?

Der Anbau von Baumwolle für die Herstellung von Kleidungsstücken ist nicht nur sehr wasserintensiv, sondern werden dabei oft auch große Mengen von umweltschädlichen Pestiziden freigesetzt. Zudem ist der Anbau mit sozialen Problemen, wie zum Beispiel der Überschuldung von Kleinbauern, und schlechten Arbeitsbedingungen verbunden. Hier setzt Renewcell an und arbeitet seit seiner Gründung 2012 daran, ein Verfahren zum Recycling von Baumwolltextilien zu entwickeln. Die kommerzielle Produktion des Recycling-Zellstoffs ist kürzlich angelaufen.

Manuel und Lars nach einem intensiven und anregenden Austausch mit dem Chief Financial Officer Hugo Petit.

Wir haben den CFO, Hugo Petit, getroffen. Als Vertreter der finanziellen Seite des Unternehmens hatte er überraschenderweise ein sehr umfassendes Verständnis für Nachhaltigkeitsthemen im Unternehmen. Insbesondere dieses Gespräch war für uns von außerordentlichem Nutzen, da Renewcell bisher nur sehr eingeschränkt zu Nachhaltigkeitsthemen berichtet. So konnten wir aus erster Hand erfahren, dass das von Renewcell produzierter Zellstoff vielfach recycelt werden kann und dass das Unternehmen plant, sich zukünftig Umweltziele zu setzen. Darüber hinaus tauschten wir uns über die verwendeten Bleichungsverfahren und die zukünftige Berichterstattung aus. Wir gewannen den Eindruck, dass die Führungsebene und Mitarbeiteinnen sowie Mitarbeiter sehr stark intrinsisch motiviert sind, dazu beizutragen, die Bekleidungsindustrie neu zu erfinden. Durch die gewonnenen Eindrücke und Informationen schätzen wir das Unternehmen als absoluten Vorreiter im Bereich nachhaltiger Grundstoffe ein, das dem Wettbewerb um viele Jahre voraus ist.

Mehrwert durch persönlichen Austausch

Insgesamt haben die Unternehmensbesuche gezeigt, wie wichtig der persönliche Austausch für eine umfassende Analyse und Bewertung sein kann. Insbesondere im Fall Renewcell konnten wir wichtige Erkenntnisse sammeln, die uns allein durch die Berichterstattung des Unternehmens nicht zugänglich waren. So konnten wir bei Renewcell eine hohe Motivation und Tatendrang für einen Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit in der Bekleidungsindustrie spüren. Wir haben ein Unternehmen kennengelernt, dass für eine Transformation der ressourcenintensiven und mit sozialen Risiken verbundenen Textilindustrie wichtig sein wird.

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