Putin tut was für unser Klima

Dieter Wermuth
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Dieter Wermuth, Wermuth Asset Management

Dieter Wermuth, Economist und Partner bei Wermuth Asset Management, kann der Energiekrise infolge des Ukraine-Kriegs auf lange Sicht hin durchaus etwas Positives abgewinnen.

Es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn der explosionsartige Anstieg der Preise für Strom, Benzin, Heizöl und Gas nicht zu einem starken Rückgang des Verbrauchs von fossilen Brennstoffen führen würde – und damit zu einem ähnlich starken Rückgang der CO2-Emissionen. Putin erledigt gewissermaßen den Job unserer Klimapolitiker, ohne dass diese groß kämpfen und ihren Kopf für die unpopuläre Inflation der Energiepreise hinhalten müssen. Wer ein besseres Klima will, muss die Preise der Energieträger möglichst kräftig und möglichst rasch erhöhen. Das ist der Konsens unter Ökonomen. Voilà! Putin sei Dank, wer hätte das gedacht?

Seit dem letzten Tiefpunkt im April 2020 bis heute hat sich der Preis für Rohöl, gemessen in Euro, um 445% erhöht, der deutsche Benzinpreis um etwa 40% und der Gaspreis für Haushalte um etwa 300%. Zusammen mit der Inflation bei den übrigen fossilen Brennstoffen hat sich das jährlich für andere Zwecke verfügbare Einkommen um schätzungsweise 100 Mrd. Euro oder 4,5% vermindert. Im Euroraum insgesamt war es nicht anders, nur dass die genannten Zahlen um einen Faktor von 3 bis 4 höher sein dürften.

Nach Abzug der verteuerten Ausgaben für Energie ist das Einkommen von Haushalten und Unternehmen also viel geringer als vorher, was nichts anderes heißt, als dass sich das Risiko einer Rezession deutlich erhöht hat.

In einem Aufsatz im Wirtschaftsdienst (2022/13) zeigen Sebastian Dullien und Ulrike Stein, dass die neuen Klimaziele Deutschlands und der EU sehr hohe Preise für alle Energieträger erfordern. Auf Beschluss des Bundestages soll die Emission von Treibhausgasen hierzulande bis 2030 im Vergleich zum Referenzjahr 1990 um 65 Prozent zurückgehen, und Klimaneutralität soll bereits 2045 erreicht sein. Die Ziele unserer europäischen Nachbarn sind kaum weniger ehrgeizig.

Wenn die Politik allein auf das Instrument „CO2-Preis“ setzen würde, müsste dieser auf 200 Euro pro Tonne steigen – oder mehr -, abhängig von den übrigen Annahmen in der Simulationsrechnung. An der europäischen Börse wird CO2 zurzeit mit etwa 82 Euro pro Tonne gehandelt, was zwar dreizehnmal mehr ist als im Jahr 2017, dem Jahr, als der rapide Preisanstieg der Emissionsrechte begann, aber immer noch viel zu niedrig ist. Bei einem CO2-Preis von 200 Euro würde sich beispielsweise der Endpreis von Heizöl um 60 Cent pro Liter, der von Superbenzin um 56 Cent erhöhen (im Vergleich zu Januar 2022).

Durch den russischen Überfall auf die Ukraine haben sich die Marktpreise in die richtige Richtung bewegt. Es muss nun aus klimapolitischen Gründen verhindert werden, dass sie wieder auf ihr Vorkrisenniveau sinken, wenn sich die politische Lage eines Tages wieder entspannt. Wie erfahrene Europapolitiker wissen, sollte eine gute Krise nie ungenutzt bleiben. Mit anderen Worten muss in einem solchen Fall die Anzahl der zu versteigernden Emissionsrechte kräftig vermindert werden (was ihre Preise hochhält). Alternativ dazu müssten die diversen Steuern und Abgaben auf Kohle, Erdöl, Strom und Gas Zug um Zug steigen, mit dem Ziel, dass der Verbrauch CO2-intensiver Energie nicht wieder steigt. Am besten wäre natürlich, wenn er weiter zurückginge.

Solche Maßnahmen hätten den Effekt, dass die CO2-Abgaben der Nutzer fossiler Brennstoffe großenteils im Lande bleiben, nämlich beim Staat. Heute übertragen wir einen großen Teil unseres Einkommens in Form von hohen Einfuhrpreisen an ausländische Produzenten fossiler Energie – sprich an Russland und Arabien. Da die teure Energie äußerst regressiv auf die Einkommensverteilung wirkt, ärmere Haushalte also relativ viel stärker belastet als reichere, kann der Staat seine Einnahmen aus Emissionsrechten, Abgaben und Steuern auf Energie für soziale Gegenmaßnahmen verwenden und so nicht nur seinen Klimazielen näherkommen, sondern gleichzeitig gefährliche und ungerechte soziale Schieflagen abmildern. Außerdem erleichtern diese Einnahmen die Finanzierung des grünen Strukturwandels.

Die Energiepreise dürfen nicht mehr sinken!! Oder erst, wenn der Umstieg auf Erneuerbare komplett gelungen ist.

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