EZB: Freie Bahn für die monetäre Staatsfinanzierung

Auf einem langen Weg der Verschiebung von Tabu-Linien hat die EZB jetzt den finalen Schritt vollzogen. „Ab sofort kann die Notenbank nach Belieben Staaten finanzieren“, sagt Benjamin Bente, Geschäftsführer der Vates Invest GmbH. „Dabei sind weder die zu unterstützenden Staaten an nennenswertes fiskalpolitisches Wohlverhalten gebunden, noch gibt es einen Deckel für die EZB in Bezug auf die einzusetzenden Summen.“ Letztlich handelt es sich um einen Freibrief für willkürliche Zuteilung von Geld an Staaten.

Die Europäische Zentralbank hat mit einer durchaus kräftigen Zinserhöhung von 0,5 Prozentpunkten ein klares Zeichen gesetzt, dass sie die Inflation bekämpfen möchte. Gleichzeitig hat sie sich mit dem Transmission Protection Instrument (TPI) einen Hebel geschaffen, der Inflationsbekämpfung ohne Auswirkungen auf die Finanzierungssituation der Staaten ermöglicht. „Hier wird ein marktwirtschaftlich wichtiger Interessenkonflikt mit willkürlich zu verteilenden Geldfluten zugeschüttet“, sagt Bente. „Das wird in seiner langfristigen Bedeutung noch unterschätzt und wird die gesamte Statik der Staatsfinanzierung erbeben lassen.“ 

Ziel ist es, mit den zur Inflationsbekämpfung notwendigen Zinserhöhungen nicht die schwachen Euro-Staaten in die Pleite zu treiben. So sollen „ungewollte und ungerechtfertigte Spread-Ausweitungen innerhalb der Eurozone“ durch gezielte Anleihenkäufe ausgeglichen werden. „Dazu werden aber nicht wie bislang im QE-Programm anteilig die Anleihen aller Euro-Staaten gekauft und so ein zufriedenstellendes Zinsniveau erreicht“, sagt Bente. „Jetzt sind es gezielt die Anleihen der schwachen Staaten.“ Deren Anleihen können jetzt von der EZB in die Bilanz genommen werden, um gezielt Druck von den Anleihenrenditen zu nehmen.

Doch was bedeutet eine ungerechtfertigte Spreadausweitung? Wenn etwa ein Land wie Italien sich völlig überschuldet und dann noch politisch dysfunktional wird, setzen die Märkte das Risiko hoch und verlangen höhere Zinsen. Diesen normalen Marktmechanismus kann die EZB jetzt aushebeln. „Der Kauf der Anleihen wäre noch vertretbar, wenn er an konkrete Vorgaben zur Konsolidierung gebunden und mengenmäßig begrenzt wäre“, sagt Bente. 

Was jetzt beschlossen wurde steht im Widerspruch zu dem, was die EZB bislang wollte. Bislang wurde nur in dem Anteil italienische Anleihen gekauft, wie Italien Anteil an der EZB hat. „Dies war bereits ein Einstieg in die Staatsfinanzierung, aber noch vergleichbar moderat“, sagt Bente. „Jetzt kann ein Land im Grunde machen was es will und wenn es dann mit einer Spread-Ausweitung von den Märkten dafür bestraft wird, schreitet die EZB ein.“ Der normale Marktmechanismus wird so ausgehebelt. 

Damit wurde endgültig das Tor zur monetären Staatsfinanzierung durch die EZB aufgestoßen. „Die Überschuldung einzelner oder auch aller Mitgliedsstaaten wird so auf die Notenbankbilanz genommen“, so Bente. „Das muss gar nicht alles an ausstehenden Anleihen sein, aber so viel, dass das „Normalmaß“ wieder erreicht wird, der überschuldete Staat also wieder normale Zinskonditionen vom Markt bekommt.“ Die EZB schafft es so, den Interessenkonflikt zwischen Zinserhöhung zur Bekämpfung der Inflation und den Belastungen schwacher Länder durch den Zinsanstieg auszugleichen. Eine marktwirtschaftliche „Bestrafung“ für finanzielle Disziplinlosigkeit gibt es nach TPI jedoch nicht mehr.

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