Was tun, wenn alle nachhaltig werden wollen?

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Der Trend zu Nachhaltigkeit nimmt nicht zuletzt aufgrund des von der EU in diesem Jahr angeschobenen Green Deals an Fahrt auf. Das gilt auch für den Bankensektor. Doch wie lassen sich für Kunden noch Unterschiede erkennen, wenn alle auf Nachhaltigkeit setzen?

Die EU hat sich nicht zuletzt mit ihrem Green Deal vorgenommen, die Welt schrittweise nachhaltiger zu machen und setzt hierfür mit ihrem Sustainable Finance Action Plan vor allem bei der Finanzbranche an.

Christoph Betz, KPMG

Und doch treibt das Thema Nachhaltigkeit Banken schon deutlich länger um. Das liegt insbesondere am zunehmenden Druck, den Kunden, Mitarbeiter und auch die Gesellschaft bei dem Thema ausüben. Nachhaltigkeit ist dabei längst im Topmanagement von Banken angekommen und wird als strategisch, operativ und kommunikativ relevant begriffen.

So kann es sich heute kein Institut mehr leisten, sich dem Trend zur Nachhaltigkeit komplett zu verweigern. Aus den genannten Gründen versucht dies auch niemand – im Gegenteil. Da sich immer mehr Institute proaktiv zum Thema positionieren, nachhaltigkeitsbezogene Produkte und Services anbieten und ihre Erfolge in puncto Nachhaltigkeit publik machen, wurde die Messlatte in den vergangenen Monaten noch einmal deutlich höher gelegt: Wer als Bank mit kommunizierten Nachhaltigkeitszielen in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit erregen will, muss mittlerweile schon einiges aufbieten.

Auch bankintern sind die Ansprüche gestiegen: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erwarten von ihrem Arbeitgeber, dass er es mit der Nachhaltigkeit wirklich ernst meint. Entsprechend schwer ist es für Banken geworden, die richtige Ambition zwischen Balance und Machbarkeit zu finden: Wie weit kann ein Institut bei Nachhaltigkeit gehen, um das Thema möglichst breit abzudecken? Und wie genügt es dennoch den Marktansprüchen und regulatorischen Anforderungen, ohne leere Versprechungen zu machen?

Differenzierung als Herausforderung

Dies ist eine Gratwanderung, bei der es Banken gelingen muss, sich in der internen sowie externen Wahrnehmung von der breiten Masse abzuheben. Eine große Herausforderung besonders für die Institute, die das Thema Nachhaltigkeit schon frühzeitig als den Kern ihres Geschäftsmodells oder als Differenzierungsmerkmal identifiziert haben.

Wie also kann eine Differenzierung gelingen? Indem Banken nicht nur ambitionierte Ziele formulieren, sondern diese auch konsequent in ihre Geschäftsziele integrieren! Das Problem dabei ist jedoch, dass dafür heute eine robuste Berechnungsmethodik sowie Marktstandards fehlen.

Entsprechend müssen ambitionierte Institute eigene Methoden entwickeln, die an bestehende und zukünftige Anforderungen angelehnt sind. Das ist zwar mit Aufwand verbunden, doch es lohnt sich: Denn die neu entwickelte Systematik dient dann nicht nur als Basis für ein differenziertes Reporting, sie kann auch ein echtes Change-Instrument werden. Erzielt ein Institut beispielsweise in einem bestimmten Marktbereich Erfolge und berichtet darüber, könnte dies andere motivieren, ebenfalls in diesem Feld aktiv zu werden.

Letztendlich kann es Instituten so gelingen, sich mit einem bestimmten Gebiet bei Nachhaltigkeit zu positionieren – und andere zum Mitmachen zu bewegen.

Die Kunst besteht darin, auf Basis der bestehenden Daten und Expertise eine Systematik zu entwickeln, die Nachhaltigkeit messbar macht, aber gleichzeitig im Tagesgeschäft kurzfristig operationalisierbar ist. Dies stellt bislang jedoch die meisten Banken in Deutschland vor Herausforderungen. So haben nur wenige Banken konkrete Nachhaltigkeitsziele in ihre Geschäftsstrategie aufgenommen und in die Banksteuerung integriert.

Ergänzend kommt hinzu, dass sich viele Häuser im ersten Schritt auf Teilaspekte des Nachhaltigkeitsspektrums wie die Mitigation des Klimawandels fokussieren. Dies führte bislang auch dazu, dass sie sich nahezu identische Ziele vorgenommen haben – beispielsweise den Ausbau und die Finanzierung von regenerativer Energie. Ein direkter Wettbewerbsvergleich hinsichtlich quantitativer Ziele ist aufgrund der unterschiedlichen Geschäftsmodelle schwierig.

Ambitionierte Nachhaltigkeitsziele sind zudem häufig nur durch aggressiven Preiskampf mit der Konkurrenz oder auch mit höheren Risiken erreichbar. Sich beim Thema Nachhaltigkeit aus der Masse der Banken herauszuheben, ist so nur schwer möglich.

Was den Erfolg bringt

Welcher Weg führt also zum Erfolg? Wer bei Nachhaltigkeit Ambitionen hat, sollte klare Schwerpunkte setzen – insbesondere beim Klima und sozialen Aspekten. Diese sollten allerdings weitergehen als bloße Ziele für den Geschäftsbetrieb wie CO2-Reduktion oder Diversität, denn diese sind heute mittlerweile Standard. Wer sich abheben will, muss mehr tun. Für den Erfolg ist entscheidend, sich eigene, ehrgeizige Ziele zu setzen, diese zu kaskadieren und entsprechend auf das eigene Institut und die Geschäftsaktivitäten individuell herunterzubrechen.

Welche Themen und Projekte liegen dem Vorstand besonders am Herzen? In welcher Reihenfolge werden die Ziele angegangen? Wie werden die Ambitionen nach außen kommuniziert? Nur mit einer entsprechenden Strategie und eigenen Messgrößen für den Erfolg kann es Instituten gelingen, bei Nachhaltigkeit ein individuelles Profil zu entwickeln. Ein entscheidender Punkt ist hierbei: Auch über den Umgang mit negativen Nachhaltigkeitswirkungen müssen sich Geldinstitute Gedanken machen. Hier ist ebenfalls eine klare Positionierung entscheidend. Schon allein deshalb, um sich des Vorwurfs von Greenwashing zu erwehren.

Es ist klar, dass all dies viel Anstrengung erfordert. Allerdings sollten die anstehenden Aufgaben auch kein Grund, das Thema auf die lange Bank zu schieben: Die Dynamik bei Nachhaltigkeit im Markt ist derzeit hoch. Es ist also damit zu rechnen, dass immer mehr Geldinstitute mit ambitionierten Zielsetzungen an den Markt gehen – sowohl was den positiven als auch den negativen Impact des eigenen Geschäftsgebarens angeht. Wer jetzt keine klaren Strategien entwickelt, wird über kurz oder lang einen Wettbewerbsnachteil haben.

Autor Christoph Betz ist Partner bei KPMG im Bereich Financial Services und verantwortlich für den Bereich „Capital Markets Transformation“.

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