Testament: Wann der überlebende Ehegatte leer ausgeht

Bedenken die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament nur ihre Kinder als Schlusserben und fehlt die ausdrückliche Erbeinsetzung des überlebenden Ehegatten für den ersten Erbfall, sind die Formulierungen „nach unserem Tod“ und „wir“ keine hinreichende Andeutung, dass der länger lebende Ehegatte Erbe des Verstorbenen wird. Es gilt die gesetzliche Erbfolge, entschied das OLG München in seinem Beschluss vom 12.11.2019.

Der Fall

Die Ehegatten errichteten eigenhändig ein gemeinschaftliches Testament, in dem es auszugsweise heißt: „Wir wollen, dass nach unserem Tod das Haus unser Sohn bekommt. Er muss aber unsere Tochter 35 % ausbezahlen. Wenn noch Geld vorhanden ist, bekommt jedes die Hälfte. Unser Sohn bekommt die Münzen und Vaters Sachen, unsere Tochter bekommt Schmuck, Puppen, Handarbeiten, Kaffee- und Speiseservice, Silber-Besteck.“ Auf Grundlage dieses Testaments beantragte der Ehemann nach Vorversterben seiner Ehefrau einen Alleinerbschein. Das lehnte das Nachlassgericht ab. Das OLG hatte zu entscheiden, ob die Beschwerde des überlebenden Ehemannes gegen diese Entscheidung begründet war.

Die Entscheidung

Unbestritten enthält das gemeinschaftliche Testament keine ausdrückliche Erbeinsetzung des überlebenden Ehegatten für den ersten Erbfall. Fraglich ist jedoch, ob sich durch Auslegung des Testaments eine Erbeinsetzung erzielen lässt. Dass sich Ehegatten üblicherweise gegenseitig selbst bedenken, lässt nicht den Schluss zu, dass auch hier eine gegenseitige Erbeinsetzung gewollt war. Obwohl die Ehegatten von „unserem Tod“ sprachen, ist auch damit nicht gesagt, dass der überlebende Ehegatte Erbe werden soll. Gleiches gilt für die Formulierung „unser Haus“. Es ist naheliegend, dass die Eheleute mit dieser Formulierung das zu ihren Lebzeiten gemeinschaftlich erwirtschaftete Vermögen meinten, nicht jedoch das Alleineigentum des überlebenden Ehegatten im ersten Erbfall. Dass die Abwicklung des ersten Erbfalls ohne Erbeinsetzung des überlebenden Ehegatten schwierig ist, rechtfertigt ebenfalls keine andere Entscheidung. Es ist nicht die Aufgabe der Nachlassgerichte, unterbliebene Erbeinsetzungen und praktisch erscheinende Abwicklung von Erbfällen zu ermöglichen. Der Witwer ist dadurch gesetzlicher Erbe in Erbengemeinschaft mit seinen Kindern. Das OLG gab damit dem Nachlassgericht recht (OLG München, Beschluss vom 12.11.2019, 31 Wx 183/19, BeckRS 2019,27683).

DVEV-Expertenrat

Unklar formulierte Testamente und fehlende Erbeinsetzungen kommen in der juristischen Praxis sehr oft vor. Jan Bittler, Fachanwalt für Erbrecht in Heidelberg und Geschäftsführer der DVEV, empfiehlt allen Testierenden: „Wer unliebsame Überraschungen bei einem selbstformulierten Testament vermeiden will, der sollte dringend fachlichen Hilfe hinzuziehen.“

Foto: Shutterstock

 

 

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