Die Volkszählung und ihr Zensusgesetz 2022

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Werbetafeln weisen Passanten darauf hin, dass für den Zensus 2022 noch Interviewer gesucht werden.

Nicht nur die Datenverarbeitung wirft im Rahmen der Vorbereitung und Durchführung des Zensus 2022 datenschutzrechtliche Fragen auf. Gastbeitrag von Jörg Kornbrust und Victoria Johnson, Kanzlei FPS

Der Zensus ist eine für Mai 2022 (verschoben aufgrund der Corona-Pandemie) geplante Volkszählung in Deutschland, mit der sowohl Bevölkerungs- als auch Gebäude- und Wohnungsdaten gewonnen werden sollen. Grundlage dessen ist eine Verordnung der Europäischen Union (EU-Verordnung Zensus (EG) Nr. 763/2008), welche die Mitgliedstaaten verpflichtet, alle zehn Jahre eine Volks-, Gebäude- und Wohnungszählung vorzunehmen. Die Durchführung der Erhebung dieser Daten obliegt den Statistischen Landesämtern. Rechtliche Grundlage ist das Zensusgesetz 2022 (ZensG 2022), mit dem die Bundesstatistik durch den Gesetzgeber angeordnet wird. Geplant ist wie bereits bei der letzten Durchführung 2011 ein registergestützter Zensus, bei dem die Zählung teilweise durch Auswertung von Verwaltungsdaten, beispielsweise aus dem Melderegister, erfolgt. Informationen über Gebäude und Wohnungen werden mangels Immobilienregister in Deutschland durch eine flächendeckende Gebäude- und Wohnungszählung erhoben. Der Zensus 2022 wird von der Aufsichtsbehörde für den Datenschutz, dem Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (BfDI) und vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) begleitet.

Der Testlauf

Um die Funktionstüchtigkeit der Datenübermittlung sowie die Qualität der zum Zensus zu übermittelnden Daten zu testen wurde ein zentraler Data Lake mit Angaben zu allen in Deutschland in Melderegistern vorhandenen Personen zusammengestellt. Die Zusammenführung diverser personenbezogener Daten, wie Name, Adresse, Datum der letzten Eheschließung oder Einzugsdatum in das Gebäude, eingeschlossen. Eine Anonymisierung oder Pseudonymisierung der Daten hat allerdings ebenso wenig stattgefunden wie eine lediglich stichprobenhafte Übermittlung zu Testzwecken. Die Verwendung von Klardaten zu Testzwecken ist nur in engen Ausnahmefällen datenschutzrechtlich zulässig. Geht es allerdings um die Erhebung von Daten aller gemeldeten Personen in Deutschland, so scheint das berechtigte Interesse des Staates die Abwägung nach Artikel 6 Abs. 1 lit. f Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) für sich zu entscheiden.

Ziel der DSGVO ist der Schutz personenbezogener Daten, die Stärkung der informationellen Selbstbestimmung sowie die Förderung eines verantwortungsvollen Umgangs mit personenbezogenen Daten. Nach Artikel 5 Abs. 1 lit. c DSGVO ist bei jeder Datenverarbeitung das Gebot der Datenminimierung zu berücksichtigen, das heißt datenschutzfreundliche Techniken und Verfahren sowie die Verarbeitung anonymisierter oder pseudonymisierter Daten. Dies gilt augenscheinlich nicht, wenn es um die Volkszählung geht. Es mutet seltsam an, im Rahmen der Durchführung der Erhebung, das heißt im Produktivbetrieb, die Trennung des Klarnamens von sonstigen Daten zu fordern, eine solche Schutzmaßnahme für das Testverfahren aber nicht zu gewährleisten.

Die Auswertung des Gebäude- und Wohnungsbestands

Paragraf 10 des ZensG 2022 verpflichtet die Eigentümer sowie Verwalter von Wohnraum (im Folgenden „Vermieter“) dazu, Auskunft über bestimmte Angaben zu dem von ihnen vermieteten Wohnraum zu geben. Hierzu zählt auch die Angabe des Namens und Vornamens von bis zu zwei Personen, die die Wohnung nutzen.  Rechtsgrundlage für diese Datenübermittlung durch den Vermieter ist die Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung nach Artikel 6 Absatz 1, Satz 1, lit. c DSGVO in Verbindung mit Paragraf 10 Absatz 2 ZensG 2022. Die datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit nach Artikel 24 DSGVO für die Verarbeitung der Mieterdaten liegt grundsätzlich beim Vermieter. Daher trifft diesen auch die Verpflichtung zur Erfüllung der datenschutzrechtlichen Informationspflichten nach Artikel 13 DSGVO. In der überwiegenden Zahl der Fälle wird die Information bereits bei Abschluss des Mietvertrages datenschutzkonform erfolgt sein, da (spätestens) zu diesem Zeitpunkt personenbezogene Daten der Mieter zum Abschluss des Vertrages und Durchführung des Mietverhältnisses erhoben werden (Artikel 6 Abatz 1, Satz 1, lit. b DSGVO).

Die gesetzlich angeordnete Übermittlung von Namen und Vornamen mindestens zweier Mieter an die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder geht allerdings über die gewöhnliche Durchführung des Mietverhältnisses und somit über den ursprünglichen Zweck der Datenerhebung hinaus. Eine Verarbeitung dieser personenbezogenen Daten zu anderen Zwecken bedarf nicht nur einer eigenen Rechtsgrundlage, sondern muss darüber hinaus auch den betroffenen Personen datenschutzkonform mitgeteilt werden. Da es sich vorliegend um eine rechtliche Verpflichtung handelt, die der Vermieter auch schlicht nicht verweigern kann, empfiehlt sich die Versendung eines kurzen Informationsschreibens an die Mieter mit folgenden Angaben:

  • Verantwortliche Stelle
  • Gegebenenfalls Kontaktdaten des Datenschutzbeauftragten
  • Zweck der Datenübermittlung
  • Rechtsgrundlage der Datenübermittlung
  • Betroffenenrechte

Am Ende sollte auf die allgemeinen Datenschutzhinweise/Datenschutzinformationen des Vermieters hingewiesen werden.

In vielen Datenschutzinformationen nach Artikel 13 DSGVO findet sich im Rahmen der Datenweitergabe an Dritte bereits ein Hinweis auf die mögliche Weitergabe personenbezogener Daten an öffentliche Stellen und Institutionen bei Vorliegen einer gesetzlichen Verpflichtung bzw. zur Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung. Hierbei handelt es sich um eine Art Generalklausel für Datenübermittlungen auf der Rechtsgrundlage einer gesetzlichen Verpflichtung nach Artikel 6 Absatz 1, Satz 1, lit. c DSGVO. Durch diesen Hinweis in den Datenschutzinformationen wird der Vermieter von der erneuten Unterrichtung des Mieters über die Weitergabe der Daten an die statistischen Ämter des Bundes bzw. der Länder zur Durchführung der Gebäude- und Wohnungszählung entbunden. Dies gilt allerdings nur, wenn die Datenschutzinformationen dem jeweiligen Mieter auch tatsächlich zur Verfügung gestellt worden sind. Im Zweifel trifft den Vermieter die entsprechende Nachweis- bzw. Rechenschaftspflicht nach Artikel 5 Absatz 2 DSGVO. Vermieter sollten daher vor der Datenübermittlung an die statistischen Bundes- oder Landesämter ihre Datenschutzinformationen dahingehend überprüfen und bei Fehlen eines entsprechenden Hinweises kurze Informationsschreiben an die Mieter versenden.

Vorsicht geboten ist im Rahmen von Mietobjekten, bei denen ein teilweiser Wechsel der Mieter stattgefunden hat und ein neuer oder weiterer Mieter in einen bestehenden Vertrag eingetreten ist. In einem solche Fall ist zu prüfen, ob auch dem neuen Mieter bei Eintritt in den Vertrag die Datenschutzinformationen durch den Vermieter zur Verfügung gestellt wurden. Denn selbst bei Vorliegen eines Hinweises in den Datenschutzinformationen auf Datenübertragungen zur Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung ist der Informationspflicht erst dann Genüge getan, wenn der Mieter die Datenschutzinformation auf tatsächlich zur Kenntnis nehmen konnte. Auch hier liegt die Nachweispflicht wieder beim Vermieter.

Datenschutz, das A und O?

Die Übermittlung des Namens und Vornamens maximal zweier Mieter findet zwar ihre gesetzliche Grundlage in Paragraf 10 Absatz 2, Nr. 3 ZensG 2022, ist insbesondere unter dem Aspekt des Gebots der Datenminimierung gemäß Artikel 5 Absatz 1, lit. c DSGVO aber fraglich. Zweck dieser Datenerhebung soll die Durchführung des Zensus 2022 sein. Tatsächlich geht es doch aber um die Erhebung der Gebäude- und Wohnungsdaten. Eine tragfähige und nachvollziehbare Begründung, weshalb zu diesem Zweck auch die Mitteilung von Name und Vorname zweier Mieter erforderlich ist, wurde bisher nicht veröffentlicht. Tatsächlich umfasst das Gebot der Datenminimierung aber nicht nur die Verarbeitung von so wenigen Daten wie möglich, sondern zugleich auch das Gebot der Verarbeitung nur solcher Daten, die für die Erfüllung des Zwecks, nämlich die reine Gebäude- und Wohnungszählung, auch tatsächlich erforderlich sind. Beides erscheint vorliegend fraglich. Doch nicht nur diese Datenverarbeitung wirft im Rahmen der Vorbereitung und Durchführung des Zensus 2022 datenschutzrechtliche Fragen auf.

So schreibt das ZensG 2022 beispielsweise auch die frühestmögliche Trennung der personenidentifizierenden Daten (sogenannte Hilfsmerkmale), wie vollständiger Name, Adresse, Geburtsdatum und -ort, Staatsangehörigkeit, Geschlecht, von den weiteren Angaben vor. Die Hilfsmerkmale werden lediglich für die Organisation der Erhebung verarbeitet, sind zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu löschen und nicht für andere Zwecke zu verwenden. Sie finden auch keinen Einklang in die spätere Auswertung der Daten. Die Auswertung der Zensus-Ergebnisse erfolgt ausschließlich auf Basis der anonymisierten Daten. Und doch erhöht und erhärtet gerade diese datenschutzfreundliche Ausgestaltung das Unverständnis hinsichtlich des Umgangs mit den übermittelten Klardaten im Rahmen des Testverfahrens, ohne Trennung, ohne Anonymisierung, ohne Pseudonymisierung und ohne Stichprobenverfahren.

Jörg Kornbrust ist seit 2004 als Rechtsanwalt tätig. Er vertritt internationale Mandanten im Urheber-, Marken- und Wettbewerbsrecht. Ein weiterer Tätigkeitsschwerpunkt ist das IT-Recht.

Victoria Johnson ist seit Beginn 2018 bei FPS tätig. Sie berät Mandanten im IT-Recht mit den Schwerpunkten Vertragsgestaltung, insbesondere IT-spezifische Verträge, und Datenschutzrecht.

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